Nicht alle Kunden des Jobcenters wollen so schnell wie möglich einen Job bekommen / dpa

Verschärfungen beim Bürgergeld - Auf dem Weg zu Hartz V

Das Bürgergeld sollte die größte Sozialreform der Ampel-Regierung werden. Doch es war eher eine Einladung zum Sozialmissbrauch. Jetzt werden schon zum zweiten Mal die Sanktionen für diejenigen verschärft, die Jobs nicht annehmen.

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Es ist gerade einmal eineinhalb Jahre her, als Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) von sich und seinem Werk ganz begeistert war. „Das Bürgergeld ist die größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“, schwärmte er im Bundestag, als die Ampel aus „Hartz IV“ das wohlklingende „Bürgergeld“ machte. Es war jedoch mehr als eine Umbenennung: Der Bezug wurde erleichtert, die Leistungen wurden verbessert, die Sanktionsmöglichkeiten verringert. Kritiker sprachen zu Recht von einem „Bürgergeld light“.

Für die SPD kam es bei dieser Operation vor allem darauf an, endlich „Hartz IV“ hinter sich zu lassen, jene von Rot-Grün durchgesetzte Arbeitsmarkt- und Sozialreform. Die hatte zwar dazu beigetragen, die Beschäftigungslage deutlich zu verbessern. Allerdings führte die „Agenda“-Politik zu einer Entfremdung zwischen SPD und Gewerkschaften sowie zur Westausdehnung der PDS, die sich heute Die Linke nennt.  

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Volker Naumann | Di., 9. Juli 2024 - 17:49

Ironischerweise kann man ja bei den jetzt bekannten Empfängerzahlen statt Hartz V
lieber von einer Art "Ausländergeld" sprechen.

Natürlich ist mein Beitrag reine Satire.

MfG

Es ist zurückblicken ein großes Unrecht den "Ostdeutschen" gegenüber die nach der Wende nach Westdeutschland kamen und nur ein Begrüßungsgeld von 100DM erhalten haben. Diese Leute waren durchweg Fachkräfte, sprachen deutsch, aus gleicher Kultur und kannten das soziale Leben.
Diejenigen die heute nach DE kommen haben meistens nix gelernt, bekommen Bürgergeld, eine Unterkunft und vieles andere mehr!

Christa Wallau | Di., 9. Juli 2024 - 17:56

Sache, wie sehr dabei der gesunde Menschenverstand von Anfang an ausgeblendet wurde.
Viele vernünftige Menschen hätten noch vor 50 Jahren in Deutschland die berechtigte Meinung vertreten:
Wer nicht arbeitet (Es sei denn: er kann es tatsächlich nicht!), der bekommt auch nichts vom Staat. Punkt.
Arbeitslosigkeit brauchte es bei uns überhaupt nicht zu geben; denn es ist genug Arbeit und Geld für Löhne da!
Schauen Sie sich um im Land: Da gibt es jede Menge Häuser u. Plätze, an denen Ordnungs- und Säuberungsarbeit vonnöten sind.
Weder Deutsche noch (erst recht) Wildfremde
dürften länger als einige Monate Überbrückungsgeld bekommen. In dieser Zeit müßten sie sich eine Arbeit suchen, und wenn sie keine finden, dann stellt der Staat sie für einen Mindestlohn ein und setzt sie dort ein, wo es dringend nötig ist - für jegliche Art von Arbeit! Zum Beispiel auch im Pflegebereich.

Mit diesen Maßnahmen bekäme man übrigens auch Jugendliche dazu, sich mehr um eine gute Ausbildung zu bemühen!

Was sich jetzt offenbart war von Anfang sichtbar und absehbar. Gesunder Menschenverstand hätte das Desaster verhindert. Aber inzwischen ist das ja ein Begriff der "rechts" ist. Kritische Diskussionen hat man größtenteils unterbunden oder als rechtspopulistisch bezeichnet. Wir brauchen nur im Netz uns umschauen, was die SPD bei nur kleinster Kritik am "Bürgergeld" mit den Kritikern veranstaltet hat. Ja, Hartz IV hatte in der praktischen Anwendung manches Problem offenbart, das man hätte nachbessern müssen. Stattdessen wollte ein narzisstischer Arbeitsminister sich ein Denkmal setzen und hat sich in Wahrheit eine Ruine zusammengeschustert, die bröckelt und täglich weiter in sich zusammen fällt. Und wenn man jetzt noch das Vorhaben sieht, ausl. Facharbeiter steuerlich zu begünstigen muss doch wirklich dem allerletzten Träumer der SPD-Wählerschaft klar sein, die sind nicht für den deutschen Arbeitnehmer, die sind nicht für und deutsche Bürger, die das mitbezahlen dürfen. Wacht endlich auf.

Aber, das größere Problem sehe ich in dem geringen Abstand der Löhne zwischen Bürgergeld und den Mindestlöhnen.
Vor vielen Jahren schimpfte ein mir sehr gut Bekannter über gerade dieses Problem als Chef eines Gartenbaubetriebes weil die staatlich Angestellten damals ABM‘er ihm die Arbeit gerade auch im öffentlichen Bereich „wegnehmen“ …. und an diesem Sachstand wird sich nicht viel geändert haben.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

@ Ingofrank

Mitte der neunziger Jahre war die "alte" Industrie hier mehr oder
weniger abgewickelt. In ABM-Stellen (Verlängerungen gab es!)
konnte man teilweise mehr verdienen als in Notbeschäftigungen.

Um "vernünftiges Geld" zu beziehen, blieb nur die Bewerbung bei
Firmen in den alten Bundesländer. Wenn man, aus welchen
Gründen auch immer, den alten Wohnsitz nicht aufgeben konnte,
war man 1 bis 2 Jahrzehnte "Wanderarbeiter". Das ist jetzt keine
Klage, nur die Bestätigung, staatliche Steuerung kann oft zu
Wirkungen führen, die in summa nicht erwünscht sind.

Ich pesönlich finde das "Bürgergeld" im Vergleich zum Niedriglohn
viel zu hoch und eine SPD-Forderung, den Lohn dann anzuheben,
als typischen Unsinn von weltfremden Parteifunktionären.

Es wird wohl nicht anders gehen als Druck auszuüben auf alle
arbeitsfähigen Stützeempfänger, sonst fliegt uns der ganze
Laden über kurz oder lang um die Ohren.

MfG

Wilhelm Keyser | Di., 9. Juli 2024 - 18:23

Wenn die "Sanktionsoffensive" dieselbe (praktische) Qualität aufweist wie die "Abschiebeoffensive" bzw. dass jetzt aber wirklich Täter schwerer (!) Straftaten vielleicht doch abgeschoben werden sollen (ggf. ohnehin nicht "können") oder von der Güte ist wie die praktisch ausgefallene Verkehrs-"Wende" (wobei die abgeschafften Fahrspuren und Parkplätze sicher nicht zurückkommen) - dann braucht sich niemand warm anziehen. Die Frage wäre auch, wen man überhaupt wie träfe. Die jetzt schon bald Enkel gebärende Vielfachmutter? Die Analphabeten? Die des Deutschen nicht Mächtigen? Die (lt. fachjournalistischen Quick-Distance-Diagnosen) psychisch Kranken? Die beim Zahnarzt auf ihre Gebißsanierung Wartenden? Diese Aufzählung ließe sich problemlos fortsetzen. Nach bisherigem Kenntnisstand kann ich nicht an ein Hartz-V glauben.

Heidemarie Heim | Di., 9. Juli 2024 - 19:13

Als wenn schon jemals, egal wie das Ding heißt, irgendwelche Sanktionen gegriffen bzw. jemand zum arbeiten gebracht hätten, der sich wie z.B. unsere Steuerhinterzieher-Cum Ex-Profis der Lücken, Ausweichmanöver und der eigenen Möglichkeiten bewusst sind. "Morgen Termin? Mist! Ruf mal schnell beim Doktor an für ein Attest. Frag nach, ob sie`s gleich an die Arge-Tante schicken können!";) Gucken Sie gar kein RTL werter Herr Dr.Müller-Vogg? Wohngeldantrag, Möbelzuschuss, neue Waschmaschine? No problem, da kenn ich mich aus;) Und für 12 und ein paar Zerquetschte frier ich mir doch nicht den Hintern auf irgendwelchen DB-Gleisen ab. Das überlasse ich meiner Friseuse, Nagelstylistin, Bäckereiverkäuferin, der Kassiererin an der Tanke und all den trotz Niedriglohn arbeitsamen Blöden. Wobei, überlegen Sie mal Herr Müller-Vogg in welchem Beruf Sie zu DM-Zeiten einen Stundenlohn von knapp 25 DM bekamen, oder wie von Kühnert angedacht fast 30. Früher gingen Sie für einen neuen Wintermantel tagelang arbeiten, bezahlten aber andererseits auch keine 1000 Mark Miete für ein Rattenloch oder bekommen wie heute Bürgergeld + Miete usw. während die kleine Nachbars-Rentnerin von nebenan noch kein Nagelstudio von innen gesehen hat;) Echte "Gesellschaft-Friedenspolitik", finden Sie nicht? MfG

Henri Lassalle | Di., 9. Juli 2024 - 20:02

wenn Arbeitslose motiviert werden, mit mehr oder weniger sanftem Druck, eine Beschäftigung aufzunehmen, auch in Orten, die nicht per pedes erreichbar sind.
Ich sehe aber die Möglichkeit perverser Effekte, wie damals bei H4, als beispielsweise ein Ingeneur, der mit 50 keine Stelle fand, als Mauerer arbeiten sollte. Arbeitgeber mit wenig Skrupel könnten Jobs, die sonst kaum jemand machen will, dazu Dumpinglohn,
die Arbeitslosen erpressen: "Wenn du das nicht annimmst, merlden wir dich beim Amt melden und du bekommst weniger Geld". Solche Geschichten sind vorgekommen und werden wahrscheinlich wiederkehren.
Man sollte sich endlich auf die ukrainischen Arbeitslosen konzentrieren. Nach Motto: Akzeptanz eines Jobangebotes, egal welches, oder zurück in die Heimat.

mit entsprechender Härte vorgegangen werden, wenn hier Mißbrauch mit den strengeren Regeln bei Arbeitslosigkeit betrieben würde.
Jede Entlassung sollte dann - bei kostenloser Klage durch den entlassenen Arbeitnehmer - vom Firmeninhaber bzw. anderen Arbeitgeber glaubhaft und auch sozial nachvollziehbar begründet werden müssen. Außerdem wäre die Zustimmung des Betriebsrates zu dieser Begründung notwendig.
Derartige Arbeitsgerichte auf unterster Ebene wären in jedem Falle billiger als
die horrenden Ausgaben für "Bürgergeld".
Endlich ginge es wieder etwas ehrlicher und "normaler" (im Sinne des gesunden Menschenverstandes) in unserem Lande zu.
Die meisten Menschen wünschen sich das im Grunde.
Heute ist es doch so, daß (fast) jeder denkt: Wie kann ich die bestehenden
Vorschriften am vorteilhaftesten für mich umgehen bzw. ausnutzen?
Wenn er das nicht tut, ist er immer der Dumme.
Das kann auf Dauer nicht gutgehen, weil es jegliche Grund-Moral untergräbt.