- So schnell fällt Rösler nicht
Kaum einer glaubt noch daran, dass Philipp Rösler die kommende Woche als Parteivorsitzender der FDP übersteht. Aber das sagt sich so leicht. Wulf Schmiese über die Chancen Röslers und einen Moment, in dem ihm ausgerechnet die Kanzlerin Mut machte
„Philipp Rösler wird die kommende Woche nicht mehr als FDP-Vorsitzender erleben“ - das sagt sich leicht. Die Wahl in seinem Heimatland Niedersachsen wird als seine Abschiedsbühne gesehen; sein Schafott. Doch die Chancen steigen, dass am Sonntag der Vizekanzler wie ein Begnadigter dasteht; nicht zu belangen mit einem weiteren Prozess. Sollte Schwarz-Gelb in Hannover weiter regieren können, dann würde eine Debatte beginnen, die tabu war seit Jahren: über die mögliche Fortsetzung von Schwarz-Gelb im Bund. Ein Weiterregieren mit Rösler, Westerwelle und Brüderle an der Macht über 2013 hinaus.
Doch so kühn ist derzeit niemand in der FDP, das auch nur gedanklich zu planen, jedenfalls nicht mit Rösler im Sinn. Im Gegenteil: Rainer Brüderle hält sich bereit, die Parteiführung zu übernehmen. Für den Montag nach der Wahl will er Medien noch keinen Termin zusagen. Denn sollte das Weiterregieren von Schwarz-Gelb in Niedersachsen an der FDP scheitern – wobei egal ist, ob sie innerhalb oder außerhalb des Parlaments landet -, dann gebe es innerparteilich zu tun für Brüderle. Sprich: Dann müsste Rösler zügig gerichtet und ersetzt werden.
In der Union hätten führende Köpfe es gern genau so, allerdings ohne das Aus von Schwarz-Gelb in Niedersachsen. Sie möchten, dass Rösler bei einem knappen Wahlsieg trotzdem durch Brüderle ersetzt wird. Denn das würde die Chancen bei der Bundestagswahl doch erheblich steigern für eine schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit, so das Kalkül.
Sollte es aber gut ausgehen für die FDP in Niedersachsen, würde Brüderle einen Putsch gegen Rösler zu verhindern suchen. Denn auf welcher Grundlage sollte er dann handeln für eine Ablösung? Dass man besser hätte abschneiden können in Hannover? Dass die FDP im Bund unter ihren Möglichkeiten liege? So sehen es ja Röslers Kritiker, allen voran Dirk Niebel. Und die miesen Zahlen der FDP in Umfragen zur Bundestagswahl gäben ihnen auch nach einem Wahlsieg in Niedersachsen recht.
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Doch Brüderle will unter diesen Umständen Rösler nicht nachfolgen. Denn er ahnt, dass er dann bald getrieben würde von den eigenen Leuten wie jetzt Rösler, wenn er nicht liefert. Auch Christian Lindner will nicht. Er weiß, dass er bald schon als Rösler in blond gelten würde – zu jung für den Job. Niebel selbst fehlt es an Beliebtheit in der Partei. So könnte Rösler im Amt bleiben und im Mai auf dem FDP-Parteitag mangels Putschisten als Vorsitzender tatsächlich wiedergewählt werden.
Rösler schweigt eisern über seine allernächste Zukunft. Er sagt nicht einmal, ob er wieder kandidiert, womit er sich einen freiwilligen Rückzug offenhält. Aber Rösler ist erfahren genug, sich damit zugleich Karrierechancen für eine weitere Amtszeit auch als Minister offen zu halten. Als sich sein Raketenstart zum Parteichef, Wirtschaftsminister und Vizekanzler gen Absturz kehrte, da half ihm ausgerechnet Angela Merkel. Ein Dossier gab sie ihm – ohne viel Worte: „Lesen Sie das mal!“ Damals duzten sich die beiden noch nicht. Was er dann las, war die gesammelte üble Presse über Merkel: „die nicht führen kann“, „die Totengräberin der CDU“, „die den Wirtschaftsstandort Deutschland ruiniert“.
Eine Wiederwahl Röslers mit mäßigem Ergebnis und ohne große Erwartung an ihn würde seinen Neustart ermöglichen. Denn erst nach geordnetem Downgrade wäre Rösler überhaupt in der Lage, mit weiteren politischen Erfolgen überraschen zu können. So, wie niemand mit dem Weiterregieren der FDP in Niedersachsen rechnete oder mit Westerwelles Aufstieg auf der Popularitätsskala, könnte Rösler als Wirtschaftsminister doch noch Anerkennung finden als Mahner aller Etatisten in der Bundesregierung. Es reichte ja, wenn nur ein paar Prozent Unionswähler seine FDP deshalb für wählbar hielten. Weil sie bei der CDU niemanden mehr sehen mit klarem ordnungspolitischen Profil.
Der Durchbruch für Rösler wäre dann eine bundesweite Umfrage mit ähnlicher Tendenz wie jetzt in Niedersachsen: FDP drin; es könnte doch noch reichen für Schwarz-Gelb. Denn nichts hat mehr Bindewirkung für eine Koalition als die gemeinsame Perspektive auf den Machterhalt.
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