- Die Profilierungsschlacht
Die ersten SPD-Politiker wollen nun doch, wenn nötig, künftige Investionen über Schulden finanzieren. Ein Angriff auf den ausgeglichenen Haushalt 2015 – das zentrale Wahlversprechen der Union, die sofort empört zurückschlägt. Doch die Debatte zeigt vor allem, wie sich die Koalitionspartner gegenseitig belauern
Die Null ist in Berlin derzeit in aller Munde. Die schwarze Null sei „keine sozialdemokratische Null“, sagt SPD-Vize Ralf Stegner. Die Neuverschuldungsnull habe „keine Farbe“, entgegnet CDU-Generalsekretär Peter Tauber und nennt Stegner zugleich eine „rote Null“. Von einer schwarz-roten Null spricht die Arbeitsgruppe Haushalt der Unionsabgeordneten. Schließlich habe die Union den ausgeglichenen Haushalt gemeinsam mit der SPD-Fraktion auf den Weg gebracht.
In der Union ist man genervt bis sauer. Ein Haushalt ohne neue Schulden ist ihr wichtigstes, ja das einzige Prestigeprojekt in der großen Koalition. Das will sie sich nicht zerreden lassen. Zumal CDU und CSU artig die SPD-Prestigeprojekte Mindestlohn und die Rente mit 63 mitgetragen haben.
Die SPD weiß: Sie steht bei der Union in der Kreide
Doch kaum hat der Finanzminister feierlich verkündet, dass Deutschland ab 2015 keine neuen Schulden mehr machen werde, mäkeln die ersten Ökonomen und Unternehmer daran herum – und eben auch viele Sozialdemokraten. Die wollen lieber investieren und notfalls dafür neue Kredite aufnehmen.
Bisher sind es zwar nur SPD-Linke, die eine „schwarze Null als Selbstzweck“ ablehnen, und damit angesichts schlechter Konjunkturaussichten und schlechter Umfragewerte die Gelegenheit nutzen wollen, um sich von der Union abzugrenzen. Nun schlägt die Union zurück und verweist ebenfalls auf die drohende Wirtschaftsflaute. Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte, es dürfe nun keine „weitere Belastung der Wirtschaft durch die Frauenquote“ geben. Der CSU-Politiker Peter Ramsauer forderte gar, den Mindestlohn oder die Rente mit 63 auszusetzen.
Genau das haben die SPD-Oberen befürchtet. Sie wissen, dass ihre Partei bei der Union in der Kreide steht. Um wieder aus der innerkoalitionären Schuld herauszukommen, muss der ausgeglichene Haushalt im November im Bundestag verabschiedet werden. Deshalb wurden die SPD-Linken auch sogleich zurückgepfiffen. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keinerlei Grund, vom Ziel einer Haushaltskonsolidierung abzuweichen, erklärte Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Ein Haushalt ohne Neuverschuldung lasse sich trotz der schwächeren Wachstumsprognosen erreichen, betonte der Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und warnte seine Partei vor „ideologiegeschwängerten Debatten“.
Die Lücken des Koalitionsvertrags
Doch Gabriel wird es kaum gelingen, seine diskutierfreudigen Genossen auf die Linie der Parteiführung einzuschwören. Zumal der Koalitionsvertrag durchaus Raum für Diskussionen lässt. Nur vorsichtig wird darin formuliert, „wir wollen nachhaltig ausgeglichene Haushalte“. Gleichzeitig wird von einer „stabilitäts- und wachstumsorientierten Haushalts- und Finanzpolitik“ gesprochen. Nur an einer Stelle ist im Koalitionsvertrag davon die Rede, man wolle die Einnahmen und Ausgaben des Bundes so gestalten, dass der Bund „beginnend mit dem Jahr 2015 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung“ aufstellt. Dumm nur, wenn es aufgrund ausbleibender Steuereinnahmen wenig zu gestalten gibt. Der SPD- Haushaltsexperte Carsten Schneider erklärte schon einmal vorsorglich, er sei bereit, „einen Nachtragsetat zu schnüren“, sollte Deutschland 2015 in die Rezession rutschen.
Die Befürworter zusätzlicher Investitionen können sich zudem auf einen weiteren Punkt im Koalitionsvertrag stützen. Der ausgeglichene Haushalt für 2015 gehört nicht zu den sogenannten „prioritären Maßnahmen“ im Koalitionsvertrag. Das sind solche Maßnahmen, „die nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen“. Sollten sich also die Aussichten für die deutsche Wirtschaft verdüstern und damit Steuereinnahmen zurückgehen, könnte der ausgeglichene Haushalt womöglich gekippt werden.
Taktikfuchs Sigmar Gabriel will genau dies der Union überlassen, um dieser keinen Vorwand zu bieten, die sozialdemokratischen Projekte der Großen Koalition zu torpedieren. Laut „Süddeutscher Zeitung“ sagte er in der Fraktionssitzung, der Koalitionspartner solle selbst das eigene Prestigeobjekt drangeben müssen. Und eben nicht die SPD.
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