Ukrainische Soldaten in Donezk / picture alliance

Die deutsche „Strategic Community“ und der Ukrainekrieg - Mit Dynamit und frommen Sprüchen

Die Stimmen nehmen zu, denen zufolge der Ukraine-Krieg im kommenden Jahr beendet werden könnte. Damit kollabiert ein zentrales Narrativ zahlreicher Experten, die einen Kompromissfrieden, bei dem die Ukraine Teile ihres Territoriums preisgeben müsste, stets entschieden ablehnten.

Autoreninfo

Michael Rühle arbeitete über 30 Jahre im Internationalen Stab der Nato, unter anderem in den Bereichen Politische Planung und Reden, Energie- und Klimasicherheit sowie hybride Bedrohungen.

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Der Sieg von Donald Trump bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen hinterlässt in der Ukraine wie im Westen zwiespältige Gefühle. Trump dürfte es zwar kaum gelingen, den Krieg, wie er im Wahlkampf prahlte, im Handumdrehen zu beenden, aber der Druck auf Kiew, einem „Deal“ mit Russland zuzustimmen, wächst. Wie ein solcher „Deal“ aussehen könnte, ist seit vielen Monaten erkennbar: Russland würde seinen Krieg beenden, die Ukraine würde dafür auf ihre von Moskau seit 2014 annektierten Gebiete „vorläufig“ verzichten. Selbst die Hoffnung, die Ukraine könnte nach einem wie auch immer gearteten Friedensschluss der Nato beitreten, dürfte zunächst unerfüllt bleiben. Die Regierungen des Westens versuchen zwar, Kiew durch neue Waffenlieferungen eine bessere Ausgangsposition für künftige Verhandlungen zu verschaffen, doch mit dem Wintereinbruch und dem Auftauchen nordkoreanischer Soldaten auf dem Schlachtfeld steht die Ukraine mit dem Rücken zur Wand. 

Für die deutsche strategic community, die sich mehrheitlich frühzeitig hinter den Überlebenskampf der Ukraine gestellt hatte, ist diese Entwicklung ein schwerer Schlag, markiert sie doch das Scheitern ihres zentralen Narrativs. Lange – zu lange – hatte man innerhalb dieser heterogenen Gruppe aus Think-Tankern, Politikern und Journalisten die Auffassung vertreten, dass ein Kompromissfrieden, bei dem die Ukraine die von Russland besetzten Gebiete an Moskau abtreten würde, politisch wie moralisch unannehmbar sei. Politisch, weil damit der Aggressor Russland belohnt würde, was ihn nur noch in seiner Absicht bestärken werde, die Rekonstitution des einstigen russischen Imperiums durch weitere Waffengänge voranzutreiben. Moralisch, weil die Qualen, die die Menschen in den von Russland besetzten Gebieten zu erdulden hätten, es nicht zuließen, sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen. 

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Tomas Poth | Do., 28. November 2024 - 12:25

Man kann auch sagen ideologisch, geopolitisch basierte Narrative.
Zu allererst war es ein innerukrainischer Konflikt, der provoziert wurde und der in einem geopolitischen Machtkampf der Kontrahenten mündete.
Belohnung der Aggression, welche? Die der Maidan-Agressoren oder die nachfolgende russische Aggression?
Welcher Zynismus ist denn hier der verwerflichere, der der hier erwähnten Putin-Apologeten oder der der US-Nato Apologeten?
Die US-Nato steht doch hier für einen echten Zynismus, überall mit Regime-Change aufzutreten, Bomben reinzuwerfen, alles zu zerstören, um dann irgendwann die Segel zu streichen und Trümmerfelder zu hinterlassen.

US-Nato, halte deinen Zerstörungsrüssel aus dieser Welt raus. Ihr kämpft nicht für die Freiheit sondern nur für einen materiellen Nutzen eurer Militärmaschine.

Karl | Do., 28. November 2024 - 12:26

Zitate:
Warum sie unbedingt Krieg wollen,
Kiesewetter, Hofreiter, Strack, MERZ, HABECK, ROTH u,s, w .
So lange der Krieg andauert, wird sich das korrupte Selenskij - Regime, zusammen mit den Rüstungslobbyisten in aller Welt und in Parlamenten die Taschen füllen und die Multimilliadäre, werden sich weiterhin auf Kosten der Toten, Soldaten und Zivilisten, sowie der Kriegsverletzten bereichern.
Ein Ende des Krieges müsste politisch gewollt sein.
Dieser Wille ist derzeit nicht erkennbar, solange dabei Profite gemacht werden.
In der Ukraine schlummern ca. 3 Billionen $ an Bodenschätzen !
Zitat Ende
Dann noch weiterhin fröhliches Geballer, Sterben und Zerstörung, egal wo gerade Krieg ist. !
Da fällt mir was ein, Islam heisst Frieden, daher die schwer bewaffneten Polizisten auf dem "Lichtermarkt".
Erst wenn es keinen Dollar mehr zu verdienen gibt, dann, vielleicht könnten die Kriege beendet werden.
Das Wort FFRIEDEN, höre ich immer seltener.

Walter Bühler | Do., 28. November 2024 - 14:01

Wir brauchen doch keine phantasievollen Narrateure oder Märchenerzähler, die sich Narrative und künftige Heldentaten nur so mal ausdenken, als ob es um Computersimulationen oder um Computerspiele ginge.

Wir brauchen vielmehr Militärs, die ihrer Pflicht gemäß primär an unser Land und an die Menschen denken, die sie im Rahmen der real vorhandenen Bedingungen verteidigen sollen, und zwar so nüchtern, sachbezogen und emotionsfrei wie möglich.

Narrateure, also phantasievolle Schwätzer gibt es schon viel zu viele in diesem Lande. Sie sind - wenn sie an die Macht kommen - die größte Gefahr für das Land und seine Bevölkerung.

Ingbert Jüdt | Do., 28. November 2024 - 14:24

Zunächst einmal herzlichen Dank an Herrn Rühle, dass er selbständig und nicht betreut denkt! Das Urteil, das er hier über die deutsche »strategic community« fällt, ist nicht weniger als vernichtend: Illusionen von allem Anfang an, Überbietungswettbewerbe der Großmäuligkeit, hysterische Feindbildpflege, Tabuisierung von Argumenten im Zeichen vorgefasster Werturteile, schiefe historische Analogien, und schließlich: »falsch verstandene Empathie«, also Gesinnungsethik, bis der Feldscher kommt. Und das alles auf Kosten ukrainischer Leichen, Witwen, Waisen und Kriegskrüppel.

Es war absehbar für jeden, der die sich seit 2014 aufkumulierende Russenhetze aufmerksam verfolgt und sich dementsprechend das historische Gedächtnis von den Filtermechanismen der Propagandapresse nicht hat überschreiben lassen. Es hätte in Europas Vermögen gelegen, es gar nicht erst zu diesem Krieg kommen zu lassen. Freilich gegen den Willen der USA.

Die Dolchstoßlegende habe ich hier übrigens auch schon vorhergesagt.

Christoph Kuhlmann | Do., 28. November 2024 - 14:33

Wie lange Russland durchhält ist eine frage der Wirtschaft. Die Zentralbank hat die Stützungskäufe des Rubels aufgegeben. Ein Dollar kostet ca. 116 Rubel. Das Land sitzt tief in der Stagflation, aus der es nur durch eine Nachhaltige Rezession wieder herauskommt. Sagt die Zentralbank. Das heißt, Putin wird weiter rüsten solange er kann. Was danach kommt wird fürchterlich. Der typische Raubkrieg, erobert ständig neue Länder und nimmt dann Kredite In höhe des BIP eines Jahres zu Lasten der Opfer auf. Hjalmar Schacht lässt grüßen.

Henri Lassalle | Do., 28. November 2024 - 15:22

ist der einzige Weg, zu Verhandlungen und vielleicht zur Lösung des kriegerischen Konfliktes zu kommen. Bisher konnte sie auf das Helfersyndrom und geopolitische Pläne des Westens zählen, um stets Waffen und Geld zu bekommen, aber de facto den Krieg damit zu verlängern und unzählige Opfer in Kauf zu nehmen. Flapsig ausgedrückt: Die Ukraine wird Federn lassen, Gebiete abtreten müssen, die Krim ist ohnehin jetzt in russischem Besitz, sowie bindender Verzicht auf Nato-Beitritt und weitgehende Entmilitarisierung der Ukraine.

Oder phantasiert man immer noch von Verhandlungen mit Putin, wabei nichts für ihn herausspringen sollte? Nur um die Ukraine zu "retten"? Retterphanrasien kann man sich mit dem Kreml sparen.

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