In dieser Runde des Dschungelcamps rausgeflogen: Boris Pistorius / dpa

Personalisierung des Politischen - Reality-Show der Polit-Influencer

Die kurze Debatte um den Kanzlerkandidaten der SPD zeigt erneut, dass in der Massenmediengesellschaft Personen wichtiger sind als Inhalte. Politiker sind zu Polit-Influencern mutiert, die in einer Art Polit-Dschungelcamp gevotet werden. Der Preis dafür ist der Ansehensverlust des Politischen.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

Erinnern wir uns an Willy Brandt. Bei der Bundestagswahl 1961 trat Brandt das erste Mal gegen Konrad Adenauer an. Die CDU verlor ihre absolute Mehrheit. Die Ära Adenauer neigte sich ihrem Ende entgegen. Das war es aber auch schon. Vier Jahre später, 1965, trat Willy Brandt erneut an. Wieder verlor er. Diesmal gegen Ludwig Erhard. Als im Dezember 1966 die Minister der FDP wegen eines Streits um den Bundeshaushalt (!) das Kabinett Erhards verließen, bildete Georg Kiesinger eine große Koalition. Willy Brandt wurde Außenminister.

Die Wahlen 1969 ermöglichten es schließlich Brandt, eine sozialliberale Koalition zu bilden – obwohl die CDU die stärkste Fraktion stellte. Erst die Wahl 1972 bescherte Willy Brandt eine knappe Mehrheit.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns über eine konstruktive Debatte. Bitte achten Sie auf eine sachliche Diskussion. Die Redaktion behält sich vor, Kommentare mit unsachlichen Inhalten zu löschen. Kommentare, die Links zu externen Webseiten enthalten, veröffentlichen wir grundsätzlich nicht. Um die Freischaltung kümmert sich die Onlineredaktion von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr. Wir bitten um Geduld, sollte die Freischaltung etwas dauern. Am Wochenende werden Forumsbeiträge nur eingeschränkt veröffentlicht. Nach zwei Tagen wird die Debatte geschlossen. Wir danken für Ihr Verständnis.

Walter Bühler | Sa., 23. November 2024 - 12:41

... Sie haben die zentrale Schwäche der deutschen Demokratie präzise beschrieben.

Sollte es später noch jemanden geben, der wissen will, warum die westliche Parteiendemokratie gescheitert ist, dann wird er feststellen müssen, dass sich die politischen Profis den Gesetzen der Unterhaltungsindustrie und der Medienunternehmern unterworfen haben. Und das hat in der Tat schließlich zum Ende jeder rationalen Politik geführt.

Das ist wenigstens mein Eindruck.

Tomas Poth | Sa., 23. November 2024 - 13:09

Es gilt nur noch wie man "rüberkommt", wofür man angeblich steht und wahrgenommen sein will, eine reine inhaltslose Oberflächlichkeit.
Der politische Gegner wird nur noch "rübergebracht" wie man ihn aussehen lassen will!

Unsere öffentlicher Diskurs ist rotgrün haltungspervertiert.

Hans Jürgen Wienroth | Sa., 23. November 2024 - 14:31

Sie haben mit jedem Wort recht, Herr Dr. Grau. Leider beschränkt sich die Beeinflussung der Menschen in diesem Land nicht nur auf die Medien, sondern auch auf die fast ausschließlich linken NGOs. Diese haben zum großen Teil die im GG den Parteien zugeschriebene Aufgabe der Mitwirkung an der politischen Willensbildung übernommen.

Groß gemacht wurden diese NGOs von den Medien, indem deren Mitarbeiter oft auch gerne als „Experten“ zitiert werden. Aber ist jeder Aktivist / Mitarbeiter einer NGO tatsächlich ein Experte mit solidem Grundwissen oder nur ideologischer Influencer?

Die Macht dieser NGOs wurde von der Regierung Schröder (wenn ich nicht irre) durch das Verbandsklagerecht massiv ausgeweitet. Heute entscheiden nur noch in geringem Maße Wahlen über politische Grundsatzentscheidungen, NGOs und Gerichte haben einen viel größeren und scheinbar unangreifbaren Einfluss.

Welchen Einfluss hat da noch ein Kanzler?

Markus Michaelis | Sa., 23. November 2024 - 14:36

Einen Ansehensverlust des Politischen und der Institutionen würde ich auch sehen, aber ich sehe das eingebettet in eine zunehmende politische Orientierungslosigkeit - die sich dann in irgendwas zwischen Erschütterung und Hilflosigkeit ausdrückt.

Die Medien machen das nur zu einem Teil zur Umsatzsteigerung. Ein guter Teil ist auch getragen von Journalisten, die ihre jeweilige Weltsicht als alternativlos sehen und es einfach nicht fassen können, wie Menschen falschen Richtungen anhängen können. (auch das ist nicht immer falsch)

Personen vor "Inhalten" (Programmen) ist auch nicht falsch. Ich denke, es hat seinen Grund, warum das GG Personen wählen lässt, keine Parteiprogramme. Zum Einen ist es nicht möglich in endlichen Worten Dinge 100% klar auszudrücken. Zum Anderen ändert sich die Welt so schnell, dass niemand weiß, ob ein konkreter inhaltlicher Beschluss von heute morgen so noch Sinn ergibt.

Es ist auch nicht alles egal, aber die Komplexität überfordert alle - zumindest im Moment.

...überfordert die Komplexität wirklich alle?

Bei vielen Argumenten stimme ich zu und möchte eines noch anfügen.
Manche Politiker reden sich und uns auch gern eine große Komplexität
immer wieder ein, nur, um Entscheidungen, auch unbequeme, nicht
treffen zu müssen. Aus Angst vor möglichen Folgen und Fragen danach.

Dass wir einerseits Parteien und andereseits auch Personen wählen
können, finde ich gut. Einen Politiker live in einer rein sachlichen
TV-Diskussion erleben zu können, halte ich für einen Vorteil, denn
leider musste ich Jahrzehnte lang sogenannte Wahlen erleben, bei
denen man diese Personen nie zu Gesicht bekam, die einen dann
plötzlich regieren sollten oder wollten.

Dass es heute alles leicht ins Show-Geschäft tendiert, beklage ich
auch, aber es gibt auch vernüftige Sendungen, genau wie es auch
(noch) vernünftige Print-Medien gibt.

MfG

Unf möglicherweise Oberbefehlshaber in einem Krieg mit Russland?

Vielleicht kann Trump nach dem 20. Jan. noch einen Krieg abwenden, den der senile Joe zum Abschied noch eskaliert hat. Scholz muss allerdings eine bildungsfreie Falkenregierung beherrschen.

Wir hatten hier neulich einen Bombenalarm, Verspäteter Gruß von Bomber Harris. Die Behörden haben derart vorsintflutlich reagiert, dass man sich nicht vorstellen möchte, was bei einem russischen Gegenangriff mit Hyperschall-Raketen passiert.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 23. November 2024 - 14:55

Sie schreiben zum Schluss: " Er besteht im Ansehensverlust des Politischen und seiner Institutionen." Damit haben sie alles gesagt.
Welche Gründe Pistorius auch für sich wirklich hatte zurück zuziehen. Er gilt nicht als "Königsmörder" und könnte das Fähnchen der SPD nach dieser Wahl insofern unvorbelastet in die Hand nehmen, wenn Olaf das Rennen erwartungsgemäß verliert.
Ich kann hierzu auch auf Fleischhauser beim FOCUS verweisen, der dazu einen durchaus annehmbaren Artikel schrieb.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 23. November 2024 - 16:25

Der Verweis auf "The Show must go on" von Queen ist sehr treffend. Dort heißt es auch: "Märchen können erwachsen werden, aber niemals sterben". Und im immer mehr nach Klicks bezahlten Journalismus eignen sich Umfragen wunderbar dazu, ein Thema zu platzieren. Und dann glauben auch angeblich mündige Bürger an Märchen. Die Telepromter-Empörungsrede des noch amtierenden Bundeskanzlers ist eher ein Negativbeispiel, ebenso die inzwischen freigehaltenen Empörungsreden der noch amtierenden Außenministerin. Wesentlich überzeugender war das Pistorius-Märchen, er könne nur das Amt des Papstes ausschließen. Warum eigentlich? Gotteskrieger war früher eine Ehrenbezeichnung. Damit könnte auch der kölsche Friedensengel Mützenich leben.

Bernhard Jasper | Sa., 23. November 2024 - 16:56

Der Journalist wird immer mehr zum „Kommunikationstechniker“, zu einem Rädchen im komplexen Getriebe der Massenkommunikation- weil er nicht mehr prägen kann.

Er ist zwar noch am politisch-journalistischen story-telling beteiligt, jedoch sind seine Botschaften inzwischen ebenso voll von Lebenstheorien und Weltanschauungen, die oft einer ganz nichtssagenden Privatsituation gelten.

Die Gesellschaft hat sich ausdifferenziert. Interessant wird jetzt der „Star“, der „authentisch“ rüberkommt. Eine (r) von uns. Repräsentanten und Identifikationsfiguren (Anfänge waren z.B. Boris Becker und Steffi Graf). Sie sollen strukturell Wesensgleich mit mir als Person sein, die sich in der Zeit ähnlich verhält.

Als Publikum sollen wir ihrem Stück auf der Bühne lediglich folgen, so aufgeklärt-zeitgenössisch bis avantgardistisch sich das auch alles gibt.

Hanno Woitek | Sa., 23. November 2024 - 17:18

dsheisst aber auch, dass der Bundeskanzler der wirklich einzig Wahre ist, der sich von diesen medialen dumm-und Albernheiten nicht beeindrucken lässt. Wenn ich den schwachsinn und die Lügen, allen voran der WElt und Bild, immer wieder betrachte, dann wird er eigentlich nur deswegen so polemissch fertig gemacht, weil er dieses verdorbene Medien Spiel nicht mitmacht.. Gut so.

Urban Will | Sa., 23. November 2024 - 17:40

haft.
Egal mit wem man redet, im Freundes- oder Bekanntenkreis aber auch mit Leuten, die man kaum kennt und deren politische Einstellung ebenso nicht. Sobald das Thema Politik aufkommt, schüttelt jeder nur noch ratlos den Kopf oder winkt ab.
Ich denke, noch nie in der Geschichte dieses Landes waren Politiker so unbeliebt wie derzeit. Die Ampel hat im Vergleich zur Merkel-Zeit noch einen drauf gesetzt.
Wer die Zustände in diesem Lande durch eine wirklich objektive Brille betrachtet, wer sich anschaut, was los ist auf unseren Straßen, wer sich anhört, wie diese Amateure, Dschungel-Camper oder wie immer man diese Narren noch bezeichnen kann, all diesen Irrsinn mit immer dümmeren Sprüchen kaschieren, der Ober-Häuptling in Bellevue mit eingeschlossen, von dem man – man denke an die „Ruckrede“ von Herzog – doch mindestens mal etwas hören müsste, wäre er ein wirklicher Präsident und kein Parteibonze, der kann nur noch verzweifeln.
Die Show wird weiter gehen. Da ist nichts zu machen.

Ihr Kommentar zu diesem Artikel

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.