Kontrolle an der Grenze zu Polen / picture alliance

Schengen-Abkommen gescheitert - Anrainerstaaten praktizieren „Politik des Durchwinkens“

Seit etwas über einem Monat führt die Bundespolizei erweiterte Grenzkontrollen durch. Doch wie wirksam sind die Kontrollen? Der erste stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaf, Manuel Ostermann, berichtet über die Situation an den deutschen Außengrenzen.

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Gerhard Junior studierte Politische Theorie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Derzeit hospitiert er bei Cicero Online.

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Am 16. September wurden die „erweiterten“ Grenzkontrollen eingeführt, wodurch die bereits bestehenden Kontrollen an den Grenzen zu Österreich (seit September 2015) sowie zu Polen, Tschechien und der Schweiz (seit Oktober 2023) um die übrigen Nachbarstaaten (Dänemark, Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich) ergänzt wurden. Dies bedeutet in der Praxis, dass jene Einreisewillige, die kein Asyl in Deutschland beantragen wollen, an der Grenze zurückgewiesen werden können. Ausweislich diverser Medienberichte wurde bereits kurz nach Beginn der Kontrollen Skepsis geäußert. So berichtete die Welt am Sonntag am 21. September, dass an den Grenzen zu Belgien, Luxemburg und Frankreich lediglich 182 Personen zurückgewiesen wurden. An der Grenze zu den Niederlanden wurden an einem Tag nur drei illegale Einreisen festgestellt.

Der erste stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Manuel Ostermann (34, CDU), bescheinigt den Grenzkontrollen insgesamt eine hohe Effektivität. Bereits im August, also noch vor den „erweiterten“ Kontrollen, habe es rund 7200 Zurückweisungen gegeben. Im August des vergangenen Jahres wurden noch knapp 15.000 illegale Einreisen registriert, wodurch sich eine Reduktion in diesem Jahr um über 50 Prozent ergibt. In diesem Jahr sei die Zahl unerlaubter Einreisen im August und im September bereits um über 20 Prozent zurückgegangen. Dies offenbare die Notwendigkeit von Grenzkontrollen. Mithin seien die Grenzkontrollen auch Terrorabwehr und schützten die innere Sicherheit, was insbesondere an den vollstreckten Haftbefehlen erkennbar sei.

Schengen-Abkommen: „klar gescheitert“

„Deutschland hat mit Blick auf die Migrationskrise und gegenüber den Schengen-Vertragsstaaten eine Schlüsselrolle in Europa“, so Ostermann. Vergangenes Jahr seien über 100.000 Menschen unregistriert durch die EU gereist, um an einer deutschen Binnengrenze einen Asylantrag zu stellen. Ostermann konstatiert, dass eine „Politik des Durchwinkens praktiziert wird“ und Anwendung der geltenden Rechtsvorschriften nicht stattfinde. Das Schengen-Abkommen sei daher „klar gescheitert“. Ostermann fordert daher eine noch weitreichendere Anwendung nationalen Rechts. Es könne an einer deutschen Binnengrenze keinen rechtmäßigen Asylantrag geben, da jede Person über sichere Drittstaaten einreist. Alle Anträge seien gemäß der Drittstaatenregelung der Art. 16a GG offenkundig unzulässig.

Hinsichtlich des Ausmaßes der Kontrollen konstatiert Ostermann, dass eine kontinuierliche Kontrolle aller Grenzübergänge mit einem stets hohen personellen Aufwand nicht möglich ist. Eine derart umfassende Kontrolle sei aber auch nicht nötig, da mit den bestehenden Mitteln eine „hocheffiziente“ Gestaltung der Grenzkontrollen möglich sei und der gesetzliche Auftrag erfüllt werden könnte. Zudem seien die Kontrollen durchführbar, ohne dass Kräfte der Bundespolizei andernorts fehlen würden. Den potenziellen Vorwurf, dass die Bundespolizei an Ressourcenengpässen leide und womöglich die Grenzkontrollen nicht adäquat durchführen könne, weist der Gewerkschafter entschieden von sich, dies sei „nicht Gegenstand der Realität“. 

Bundespolizei müsse besser ausgestattet werden

Ostermann fordert dennoch die Einstellung neuer Tarifbeschäftigter, damit die Bundespolizisten keine „vollzugsfremden“ Aufgaben, wie Administrationsarbeiten, mehr übernehmen müssen, sondern „in die Kontrolle“ gehen können. Darüber hinaus sei es dringend notwendig, eine eigene Kriminalpolizei für komplexe Fälle von Schleuserkriminalität zu installieren. Mithin appelliert Ostermann an die Politik, die Bundespolizei personell, materiell und gesetzlich zu stärken. Es sei erforderlich, grundsätzlich in die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik zu investieren. Die Bundespolizei, als größtes Sicherheitsorgan des Landes, müsse priorisierend zu berücksichtigen werden.

Zudem müsste mehr in die technische Ausstattung der Bundespolizei, wie in die Drohnentechnik und Videotechnik, aber auch in Digitalisierungsprozesse investiert werden. Für den Haushalt des Jahres 2025 habe der Gesetzgeber bereits nachgeschärft, so Ostermann, und ermögliche dadurch eine zielführende Beschaffung entsprechender Mittel.

Dublin-Überstellungen: „völlig absurd und nicht umsetzbar“

Weiterhin weist Ostermann darauf hin, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) von der Bundespolizei die Übernahme der sogenannten „Dublin-Überstellungen“ erwartet, was „völlig absurd und nicht umsetzbar“ ist. Die Dublin-Überstellungen beziehen sich auf jene Einreisewillige, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind und dorthin zurückgebracht werden sollen. Die Umsetzung erscheint allerdings aus verschiedenen Gründen unrealistisch: Einerseits ist damit zu rechnen, dass mehrere EU-Staaten, wie Italien oder Griechenland, sich nicht bereit erklären würden, die Menschen zurückzunehmen. Andererseits ist die Kapazität der Abschiebehaftplätze schlicht zu gering. Bundesweit existieren 400 Abschiebehaftplätze, während nach Angaben Ostermanns im letzten Jahr 50.000 solcher Fälle vorlagen. Bei einer strikten Umsetzung dieser Forderung wären somit innerhalb kürzester Zeit alle Abschiebehaftplätze belegt. 

Abschließend betont Ostermann die Relevanz von Zurückweisungen unmittelbar an der Grenze. Eine Zurückweisung sei geboten, sofern die Bedingungen des Art. 16a GG nicht erfüllt sind. Dies sei auch deshalb geboten, da Deutschland sich nicht um die rechtlichen Belange anderer Staaten kümmern könne. Vielmehr werde Deutschland durch die „Politik des Durchwinkens“ durch die anderen Staaten ausgenutzt, was zum Kollabieren des hiesigen Systems führe. Eine Zurückweisung direkt an der Grenze sei auch ohne Weiteres möglich, da die Gebiete unmittelbar an der Grenze noch zum Hoheitsgebietes des Nachbarstaates gehören. Mithin stehe die Durchsetzung nationaler Rechtsvorschriften in Deutschland im Einklang mit der Verfassung und im Einklang mit der Menschenrechtskonvention. Hinsichtlich der Dauer der Grenzkontrollen prognostiziert Ostermann, dass diese noch mindestens bis Ende nächsten Jahres andauern werden.  

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Urban Will | Di., 22. Oktober 2024 - 16:49

an die Einhaltung von Gesetzen und GG-Artikeln, sowie die eigentlich selbstverständliche Verpflichtung eines Staates, sein Territorium vor illegalen Einreisen zu schützen, erinnern und als Folge quasi nichts passiert, weil es politisch nicht gewollt wird.
Und wie diese Leute immer wieder appellieren, anstatt dieser verlogenen, ja verbrecherischen Regierung (die davor war um keinen Deut anders) klar die Leviten zu lesen und den Spiegel vorzuhalten.
Es würde schon reichen – wie oft soll man das denn noch sagen – ähnlich wie Dänemark oder andere Länder, diesen Schmarotzern und Glückrittern, viele davon Verbrecher, den Geldhahn zuzudrehen. Auch das könnte man mal von oberer Stelle fordern.
Gäbe es nur Klamotten, eine notdürftige Unterkunft und Essen, dann wäre Dummland längst nicht mehr so attraktiv wie es halt derzeit ist.
Und auch dies ist politisch gewollt.
Auch vom Wähler.
Also, liebe Ostermanns und Gefolge: appelliert weiter. Am besten an die Parkuhr.

Ingofrank | Di., 22. Oktober 2024 - 17:08

wäre ganz genau so machen ! Oder hat die größte aller Kanzlerinnen mit auch nur mit einem Staat über die von Deutschland zelebrierten Willkommenskultur v o r der Flüchtlingsflutung Germanys bezeichnet als „Willkommenskultur“ gesprochen ? Vom deutschen Volk mal ganz abgesehen …. ,
Mit besten Grüßen aus der Erfurter Republik

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