Illustration Lisa Rock

Die Tyrannei des Du - Der Kunde als Kumpel

Immer mehr Unternehmen drängen uns das Du auf. Welche Strategie steckt dahinter, und was versprechen sich die Unternehmen davon?

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Mit Ikea fing es an. „Wohnst du noch oder lebst du schon“, textete vor nunmehr 21 Jahren das schwedische Möbelhaus. Die Skandinavier wurden damit, ob gewollt oder nicht, zum Trendsetter. Denn das Duzen hat Einzug gehalten in die deutsche Werbung. Adidas, Lidl, Aldi, Apple, Vodafone und Otto: Eine ganze Reihe prominenter Unternehmen bedient sich bei der Kundenansprache mittlerweile des vermeintlich lockeren und persönlicheren Du. Ob die Kunden diese penetrante Art der Kommunikation überhaupt goutieren, scheint dabei eine untergeordnete Rolle zu spielen. Hauptsache, man gibt sich zeitgemäß, unverkrampft und lässig.

Das Konzept dahinter ist offensichtlich. Man will so tun, als sei man mit dem Kunden auf Augenhöhe, ein täglicher Begleiter, eine Art Freund. Das ist natürlich kolossaler Unsinn. Ein Unternehmen, auch eine Handelskette, ist niemals ein Freund, sondern ein Dienstleister, der seine Aufgabe mehr oder minder gut erfüllt. Supermärkte verkaufen Milch, Konserven, Tiefkühlkost, Nudeln und Toilettenpapier. Wer darin einen Freundschaftsdienst sieht und emotionale Nähe aufbaut, sollte einen Therapeuten aufsuchen.

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Tomas Poth | Di., 22. Oktober 2024 - 15:30

Genauso ein Unsinn wie die Genderei. Es ist Sprach- und Kulturzerstörung.

Volker Naumann | Di., 22. Oktober 2024 - 16:09

Antwort auf von Tomas Poth

Abgesehen vom Urteil "Unsinn", dem ich zustimme, gibt es vielleicht
doch Unterschiede?

Duzen kann jeder Dummkopf perfekt, da es eine Art
Sprachvereinfachung ist. (Was guckst du so?)

Beim perfekten Gendern wird es schon schwieriger, da sind
schon Beispiele und Konstruktionen bekannt geworden,
na ja, Sie werden den "Unsinn" selbst gesehen haben?

Ehe ich es vergesse, volle Zustimmung zum Artikel.

MfG

Heidemarie Heim | Di., 22. Oktober 2024 - 15:54

Die korrekte Anrede ist für mich persönlich erst mal ein Akt der Höflichkeit und des Respekts, den ich einem mir noch unbekannten Gegenüber erweise. Sollte die so angesprochene Person dann signalisieren, dass sie einen vertrauteren Umgangston wünscht oder man auf Titel usw. keinen Wert legt, kann man sich gradweise annähern. Es muss m.E. auch nicht gleich übergangslos vom Sie zum Du übergegangen werden um Nähe zu schaffen oder auf eine Ebene zu kommen falls größere Unterschiede bzgl. Alter oder Rang Schwierigkeiten bereiten. Eine mit dem Vornamen und Sie verbundene Kombination empfand ich rein persönlich als ideal um auf das nächste Level zu kommen oder es je nach Wunsch beizubehalten. Gerade im Umgang mit z.B. alten Menschen o. Hilfsbedürftigen in der Pflege, wo man notwendiger weise alle Grenzen physischer Intimsphäre verletzen muss, ist m.E. eine respektvolle Anrede unumgänglich um keine als unangenehm empfundenen Gefühle der Abhängigkeit o. Unterlegenheit zu erzeugen. MfG

Henri Lassalle | Di., 22. Oktober 2024 - 16:00

Ich bin grundsätzlich gegen das duzen. Man sollte Immer eine gewisse Distanz bewahren und sich unbedingt abgrenzen. In vielen Berufen kann man beobachten, was mangelnde Abgrenzung vom anderen Ich bringt: Ärger und mehr.
Im angelsächsischen Raum gibt es nur das "you", aber das ist Standard, daneben gab es früher auch das "Thou", das wirkliche "Du".
Ein franz. Philosophin u Beraterin hat kürzlich in einem Nachrichtenmagazin einen grossen Artikelmit dem Titel "......endlich Stop den absurden Paktiken" in den Unternehmen. Da geht um viel Heuchelei, verdecken von realen Problemen etc. Vielerorts soll das Duzen einen Gemeinschaftsinn vorgaukeln, mit der Erwartung, dadurch die Leistung der Mitarbeiter zu erhöhen (und sich gegenseitig dezent zu kontrollieren). Ich kann da nur zu Vorsicht raten.
Eben in der Wirtschaft, in Betrieben gibt es nichts umsonst, daher steht immer eine Erwartung.
Und wer meint, geduzt zu werden sei eine Aufwertung seiner Person, kann sich irren.

Chris Groll | Di., 22. Oktober 2024 - 16:05

Danke Herr Grau, Sie haben es auf den Punkt gebracht. Habe auch schon Unternehmen angeschrieben und Geschäftsleute gebeten, mich zu siezen (obwohl das vor Ort kaum jemand tut). Alles andere finde ich unhöflich.
Bei manchem Unternehmen hat es genutzt, bei anderen natürlich nicht.

Robert Hans Stein | Di., 22. Oktober 2024 - 16:06

und ich möchte auch nicht unbedingt und stets mit Du angequatscht werden, aber dieses Mal ist Ihre Meinung hinterfragbar. Und zwar im Ansatz. Da Sie mit IKEA - nicht wirklich mein bevorzugtes Ziel, wenn ich neue Möbel brauche - beginnen: Da, wo die herkommen, ist das Duzen die gebräuchliche Anredeform. Es würde in Schweden wohl niemandem einfallen, dahinter ein kumpelhaftes Anwanzen zu vermuten. Und persönlich traue ich mir durchaus zu, trotz vertraulicherem Umgangston autonom zu entscheiden, ob ich etwas will oder nicht.

Gotthard Steimer | Di., 22. Oktober 2024 - 16:09

.. habe ich mir die plumpe Vertraulichkeit beim letzten Kauf verbeten.. der Herr Otto soll sich mit Seinesgleichen duzen, mit mir nicht!

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