Der Angeklagte Manfred N. (ganz links) zu Beginn seines Prozesses am Kriminalgericht Moabit / dpa

Justiz - Zehn Jahre Haft für einen Stasi-Mord

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein ehemaliger hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter wegen eines Auftragsmordes zu einer Haftstrafe verurteilt. Ohne die Beharrlichkeit der Nebenkläger wäre es nicht dazu gekommen.

Autoreninfo

Hubertus Knabe arbeitet als Historiker an der Universität Würzburg, wo er über Mordanschläge des DDR-Staatssicherheitsdienstes forscht. Von 2000 bis 2018 war er wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen.

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Richter Bernd Miczajka war an diesem Montag kaum wiederzuerkennen. Präzise erläuterte er im Saal 142 des Berliner Landgerichts, warum die Kammer einen früheren hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter zu zehn Jahren Haft verurteilt hat. Der Angehörige einer Spezialeinheit hatte vor mehr als 50 Jahren am Grenzübergang Friedrichstraße einen 38-jährigen Mann aus Polen erschossen. Das Gericht hielt es für erwiesen, dass es sich dabei um vollendeten heimtückischen Mord handelte.

Das Opfer, Czesław Kukuczka, war am 29. März 1974 gegen 12:30 Uhr in der polnischen Botschaft erschienen. Er drohte, sich und das Gebäude in die Luft zu sprengen, wenn man ihn nicht in den Westen ließe. Auf seinem Schoss lag eine Aktentasche, aus der eine Schlinge hervorragte. Die herbeigerufene Stasi sicherte ihm scheinbar die Ausreise zu und fuhr ihn zum Grenzübergang. Als er alle Kontrollen passiert hatte, streckte ihn der Angeklagte mit einem Schuss in den Rücken nieder. Am Abend verblutete der Vater dreier Kinder im Stasi-Haftkrankenhaus Berlin-Hohenschönhausen.

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Klaus Funke | Mo., 14. Oktober 2024 - 17:48

Die Fakten sind nicht mehr eindeutig nachzuweisen, aber ein Schuldiger muss unbedingt her, so wie man ja auch 90ig jährige Nazis, die im Rollstuhl sitzen, vor Gericht bringt. Eine Farce! Das hat nichts mehr mit Justiz zu tun. Das ist Kinderei. Symboljustiz. Lächerlich. Wer nimmt solche Urteile noch ernst? Aber kein Wunder, wie der ganze Saustaat, so auch die Justiz. Eine einzige Schande.

Kai Hügle | Mo., 14. Oktober 2024 - 19:29

Antwort auf von Klaus Funke

Was soll man zu Ihnen noch sagen? Anlässlich eines Mordes im Auftrag des DDR-Regimes jenes System als "Saustaat" zu bezeichnen, das diesen Mord nun juristisch aufgearbeitet hat... Oh Mann!

Ich begrüße das Urteil, frage mich aber, wie viele ähnliche Taten der DDR-Staatssicherheit ungesühnt geblieben sind und bleiben werden.

Jens Böhme | Mo., 14. Oktober 2024 - 20:57

Antwort auf von Klaus Funke

Wer den Artikel gelesen hat, stellt fest, dass viel Aufwand und Mühe angewandt wurden, die seit 1990 vernachlässigte Aufarbeitung des Todes des polnischen Bürgers nachzuholen. Dank an die polnische Staatsanwaltschaft, die einen europäischen Haftbefehl ausstellte und die deutsche Justiz zum Handeln zwang. Das Urteil als Symboljustiz zu werten, zeigt beim Leser Unkenntnis über Rechtsstaatlichkeit. Dass angeblich Fakten fehlen, ist anhand der detallierten Stasiunterlagen und der vielen Zeugenaussagen 1974 absurd.

zu einer Bagatelle heruntergestuft werden; vor allem dann nicht, wenn dieses
Unrecht Menschenleben gekostet hat.
Es sind deshalb sowohl die Verbrechen der Nationalsozialisten als auch der
Kommunisten/Sozialisten immer als solche zu benennen u. nicht zu relativieren.
Wer das tut, lenkt davon ab, wie gefährlich Menschen füreinander werden können - schlimmer als Tiere. Und das ist sträflich unverantwortlich vor allem jungen Leuten gegenüber, welche die Welt noch mit vertrauensvollen Blicken betrachten.

Genauso von Übel wie die Bagatellisierung von Unrecht ist allerdings auch dessen Instrumentalisierung für eigene Zwecke.
Und genau dies geschieht in Deutschland sowohl im Hinblick auf die Nazis mit ihrer Gestapo als auch in Bezug auf die SED mit der Stasi.
Vergleiche heutiger Politiker mit solchen aus diesen beiden schlimmen Unrechtsstaaten sind unzulässig!
Sie gehören sich nicht, weil sie heutigen Menschen eine Haltung u. sogar mögliche Taten unterstellen, die nicht beweisbar sind.

Gerhard Lenz | Mo., 14. Oktober 2024 - 21:13

Antwort auf von Klaus Funke

sofort zur Stelle sind, um das Urteil hinsichtlich eines Auftragsmords des SED-Regimes zu relativieren (Symboljustiz !!), ja zu verspoten, wundert mich nicht die Bohne.

Einfach nur konsequent, wenn man bedenkt wie Sie heute jene, die die DDR und andere Ostblock-Staaten kontrollierten und bevormundeten, zu Helden stilisieren: die Russen.

Wahrscheinlich ist auch für Sie der Zerfall der Sowjetunion ein einziges großes Unglück.

Hans Willi Wergen | Mo., 14. Oktober 2024 - 23:09

Antwort auf von Klaus Funke

sind diese Urteile, die auf Grund längst vergangener Zeiten nun doch noch gesprochen werden, und das für mich in stark übertriebener Härte.
da werden dann Menschen in Haft genommen, die kurz vor dem Ende Ihres Lebens stehen,
Einfach Widerlich!!!
Aber was soll man von Vertretern eines Landes erwarten, die zu Coronazeiten alte-und kranke Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen ganz ohne den Beistand Ihrer nächsten Angehörigen elendig sterben ließen.
Diese Leute sind mir alle äußerst zuwider und Sie haben für mich keine menschlichen Züge mehr an sich..
Im Gegensatz zu oben angeführten Verhalten, haben diese Volksvertreter aber nicht den A...h in der Hose, um heutige Messerstecher und Vergewaltiger mit aller Härte zu verurteilen.

Andreas Braun | Mo., 14. Oktober 2024 - 19:07

Auf Westberliner Seite war man bestimmt sehr erbaut darüber, dass die DDR ihnen einen Polen schickt, der womöglich mit einer scharfen Bombe unterwegs ist. Man wird wohl klar kommuniziert haben, dass man den nicht will. Die DDR stand unter Druck, ihn irgendwie rauslassen zu müssen. Ergebnis: Man einigt sich, die Person zu liquidieren, wenn es keine andere Möglichkeiten mehr gibt. Unter dem Strich ist das ein ganz normaler polizeilicher Vorgang. Daraus mit 50 Jahren Abstand einen Mord zu konstruieren, ist geradezu albern. Man kann nur hoffen, dass die Revision Erfolg hat.

Kai Hügle | Di., 15. Oktober 2024 - 10:33

Antwort auf von Andreas Braun

Hätte nicht gedacht, dass man den Beitrag von Herrn Funke noch unterbieten kann, aber Sie haben mich eines Besseren belehrt.

Christa Wallau | Mo., 14. Oktober 2024 - 19:24

wird also einer der ungezählten Stasi-Morde, tatsächlich bestraft!
Nach langem Ringen mit der Justiz haben es hartnäckige Menschen erreicht, daß der Gerechtigkeit auch hier einmal Genüge getan wird.
Wie viele Stasi-Leute, die gefoltert u. gemordet haben, mögen - versorgt mit hohen Renten - wohl noch ungestraft unter uns leben? Wahrscheinlich Tausende!
Aber das alles ist für die meisten Deutschen, die das System "drüben" nicht erdulden mußten od. dort zu den Profiteuren gehörten, sowie erst recht für junge Leute nur noch Schnee von gestern bzw. kalter Kaffee.
Da koaliert jetzt bald die CDU (!) mit einer Partei, deren Selbstdarsteller-Protagonistin noch 1989 in die für das Unrecht in der DDR verantwortliche SED eintrat u. lange Hardcore-Linke blieb - und es kümmert nur Wenige!

Mein Gott, wie blöd muß man sein, um einer erwiesenen Alt-Kommunistin zu trauen u. sich vor einer Alice Weidel u. ihrer neuen Partei (AfD), die mit Nazis n i e etwas zu tun hatte, grauenhaft zu fürchten???

Straub Klaus Dieter | Mo., 14. Oktober 2024 - 20:22

1993 nach einer Anzeige eines Grenzsoldaten, nach Todesschuss. Festnahme des Grenzoffiziers. Gute Ermittlungen, starke Beweise und gute Aussagen der Soldaten.
Urteil 6 Jahre. Es liegt immer daran ob man es auch will. LG Schweinfurt .

Heidemarie Heim | Mo., 14. Oktober 2024 - 20:51

Da gehört schon was dazu einem Menschen kaltblütig in den Rücken zu schießen. Bei meinem ersten Berlin-Trip bin ich in einen der letzten Original-Wachtürme hoch geklettert und habe damals schon überlegt, aus welchem Holz man geschnitzt sein musste, um dort seinen Dienst fürs Vaterland dergestalt zu versehen, dass man normale Mitbürger wegen Republikflucht erschießt, was scheinbar als das todeswürdigere Verbrechen galt als Mord und Totschlag zu begehen. Und auch heute wie damals gibt es Menschen, Parteien und Politiker, die entweder standhaft dieses zweite deutsche Unrechtssystem verleugnen oder aktuell ähnliche Regierungen und deren Umgang mit unliebsam gewordenen Bürgern/Regierungsgegnern weitestgehend zu ignorieren bereit sind. Man hätte den vitalen Stasi-Killer besser den Polen ausgeliefert, die in 2022 ihr Strafrecht massiv verschärft haben. Da könnte er mit 95 und älter das erste Mal Haftverschonung beantragen und bis dahin seinen Verdienstorden 1x am Tag polieren. MfG

Ingofrank | Mo., 14. Oktober 2024 - 20:56

Aber welcher Orden war der „achthöchste“ der
ehemaligen DDR ?
Banner der Arbeit & Aktivist sind neben dem K Marx Orden als höchste Auszeichnung die Bekanntesten. Aber auf Platz 8 ?
Mit besten Grüßen aus der Erfurter Republik

Gerhard Lenz | Mo., 14. Oktober 2024 - 21:22

das allerdings viel zu spät kommt. Und vermutlich gibt es noch immer zahlreiche, ehemals überaus gehorsame Gefolgsleute des DDR-Regimes, die in unterschiedlicher Form psychische und physische Gewalt gegen ihre Landsleute ausübten, bevor sie nach der Wende eines Morgens wundersamerweise als "wiedergeborene" Regimekritiker aufwachten.

Aber wir Deutschen haben nun mal eine Schwierigkeit damit, Mörder und andere Gewalttäter zu verurteilen, die doch nur "ihre Pflicht taten".

Das betrifft nicht nur die Schergen des SED-Regimes, sondern auch und vor allem Nazi-Straftäter.

Und wenn ein Hoecke bedauert, dass man bei Hitler immer nur das Böse sehe, ein Krah die Verbrecherorganisation SS relativiert, oder ein Gauland auf die Wehrmacht öffentlich stolz sein möchte, dann kann man ihnen ein durchaus fragwürdiges Verhältnis zur Vergangenheit vorwerfen. So wie auch jenen, die glauben, die DDR wäre der bessere deutsche Staat gewesen - was z.B. eine Wagenknecht einst behauptete.

sagen Sie nicht einmal etwas zu den aktuellen "Pflichttätern", wie den Corona-Akteuren, die vielen, die #mitgemacht haben, oder den Denunziations-Stellen-Erfindern usw.usf.?

Albert Schultheis | Di., 15. Oktober 2024 - 01:47

Das Leben war billig in der ehem. DDR. Auch in der BRD, die sich anschickt, ihr nachzueifern, ist das Leben wohlfeil: 10 Jahre für "vollendeten heimtückischen Mord", das ist ein super Schnäppchen. Ein Menschenleben des Opfers für 10 Jahre des Mörders. Andernorts geht man dafür auf den elektr. Stuhl. Viele der DDR-Genossen dieses Mörders, seiner Zuarbeiter, der IMs, der Justizvertreter, Stasi-Genossen sitzen heute in Landtagen, im Bundestag, in hohen Gerichten und gemieteten NGOs. Sie und ihre westdeutschen Genossen sind es, die den Menschen nachschnüffeln, sie diffamieren, verfolgen, ausgrenzen und verurteilen als "Trusted Flaggers", als Denunzianten in der Antonio Amadeo-Stiftung, im Verfassungsschutz und als Richter. So wie man Terroristen und Messermörder ohne zu fragen ins Land gelassen hat - so hat man sie ohne sie über ihre Vergangenheit zu befragen in höchste Ämter gelassen. Sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung im ehemaligen Rechtsstaat und der Demokratie Deutschlands.

Helmut Bachmann | Di., 15. Oktober 2024 - 07:39

funktionieren die noch?

DDR Fans sind empört: wie kann man Mord jetzt noch bestrafen und vor allem, es war doch für eine „gute Sache“. Soll jetzt etwa die DDR als Unrechtsstaat hingestellt werden?

Ja, liebe Ostalgiker, die DDR war ein Unrechtsstaat und euer Stalinismus ein linker Faschismus.

Dietmar Philipp | Di., 15. Oktober 2024 - 08:23

So lautet richtig die Gesetzgebung ob Ost oder West!
Die Praktiken der Stasi waren sehr umfangreich und schreckten auch vor Tötungen nicht zurück.
Es ist also richtig, dass die die getötet haben zur Verantwortung gezogen werden, unabhängig des Alters.
Hier sehe ich keine Notwendigkeit den Staat zu beschimpfen.

Romuald Veselic | Di., 15. Oktober 2024 - 11:23

Stasi war schlicht DDR-Gestapo. Methodisch sogar noch weit fortgeschritten. Punktum.
DDR war Freiluftknast. Ende der Fahnenstange.

Es wurde kein Faschist am Antifaschowall erschossen, sondern immer die Menschen, die nicht in der SED/Stasi-DDR leben wollten. Dies wurde im Ostblock allgemein praktiziert; lediglich im Ulbricht/Honecker-Staat zur Perfektion gebracht. So gesehen, war Stasi kriminelle Organisation (gesetzfreies Agieren), die die Macht der Demagogen u Schurken (Politbüro) sicherte. Die Futtertrog Posten waren lebenslang garantiert.

Als ich die D-Papiere bekam, wurde mir von den BND-Organen heiß empfohlen, niemals mit dem KFZ/Bahn nach W-Berlin zu reisen. Da ich in der CSSR (Auslieferung Abkommen) in der Abwesenheit abgeurteilt war. 😈

PS1 Fcuk off communism! 🤘
PS2 Politbüro ist nur 1 anderes Wort für Jauchengrube. 🎃

Reinhold Schramm | Di., 15. Oktober 2024 - 11:25

Der BND und BfV wie auch die westdeutsche Justiz wurde federführend von vormaligen Aktivisten der NSDAP und der SS mit aufgebaut!

Frage: Wie arbeitet der BND im Nahen Osten, in Syrien, im Irak, Afghanistan und Sudan?
Er verteilt allenfalls nur Streicheleinheiten?

Ernst-Günther Konrad | Di., 15. Oktober 2024 - 11:26

Warum wohl werden solche Verfahren verschleppt, verhindert, bewusst und gewollt ins Leere laufen gelassen? Man wartet ab, damit Täter Zeit haben zu sterben oder so krank und alt zu werden, dass man sie nicht mehr anklagen kann. Und mal ehrlich. Nicht weniger der NS oder DDR-Verbrecher hatten Helfer, Mitwisser oder Informanten, die nicht enttarnt werden wollten/sollten. Die Verstrickung des Staates durfte nicht offenbar werden und mancher "Täter" hatte so viel Insiderwissen, dass es hätte zu Problemen führen können, hätte dieser den Mund aufgemacht. Da haben Seilschaften die jeweilige Zeit überdauert und nicht alle waren "geheilt". Im Untergrund wurden sicherlich noch so manche ideologischen Gedanken still und heimlich weiterverfolgt/ihnen gefrönt. Das war nach der NS-Zeit so mit NPD u.a. Spinnern und Verbrecher und nach dem Fall der Mauer in der SED und ihren Nachfolgern. Gelernt hat man in beiden Fällen nichts. Warum? Man wollte nicht.

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