Illustration Julia Kluge

Die Welt der ewigen Wahrheiten - Skepsis als Lebensform

In einer endlichen Welt gibt es keine ewigen Wahrheiten. Auch nicht die, die gut gemeint sind. Ein Plädoyer für eine Kultur des radikalen Zweifels.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Wir sind Gläubige. Immer noch. 300 Jahre nach Beginn der Aufklärung kleben wir nach wie vor an gefühlten Gewissheiten, eingefahrenen Denkmustern und erlernten Normen fest. Vielleicht glauben wir mehrheitlich nicht mehr an Gott. Zahlreiche Studien und Umfragen zumindest legen das nahe.

Dafür aber glauben wir umso intensiver an ein ganzes Panoptikum neuer Götter und Götzen: an den Universalismus, die Globalisierung, die freien Märkte, die Digitalisierung, an Integration und Inklusion, an die Zivilgesellschaft, an Feinstaubwerte, die segenspendende Kraft des Veganismus und natürlich an gesunde Ernährung. Und mit den neuen Göttern ist es wie mit den alten: Sie sind eifersüchtig und wenig tolerant. Sie dulden keine anderen Götter neben sich.

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Marius König | Fr., 4. Oktober 2024 - 12:28

Diesen sollte man in Parlamenten und auf Neujahrs-, Nationalfeiertagsansprachen etc. verlesen. Vielen Dank dafür.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 4. Oktober 2024 - 12:36

dem großen Liebenden, besonders seinen "Also sprach Zarathustra".
Bitte bedenken Sie, Her Grau, dass er diese "Bibel" aus der Sicht der Täter, nicht des "Opfers" schreibt.
Wir haben Gott getötet und er bleibt tot...?
Die Tat, wiewohl an der Figur Jesus Christus exekutiert, wäre in der Tat zu groß für uns und erscheint so auch nicht im Neuen Testament.
Das NT spricht von ewigem Leben und Wiederauferstehung.
Nietzsche reklamiert diese Wiederauferstehung als ewige Wiederkehr des Lebens, da geht er scheinbar über Christus hinaus, der uns bekanntlich vom Sterben befreite.
Nietzsche geht also über Christus, wie er wiedergegeben wird, hinaus.
Ich bekräftige Nietzsches Liebe zum und Hoffen auf das Leben, weil es die Wahrheit gewesen, ist und immer sein könnte.
Mich überzeugt sein Konstrukt philosophisch, theologisch, vor allem aber poetisch.
Da hat Jemand so sehr geliebt und wurde Jemand so sehr geliebt, dass ich dazu NICHT NEIN sage.
Zuviel Skepsis trägt nicht!
Die Liebe höret nimmer auf...

Karl-Heinz Weiß | Fr., 4. Oktober 2024 - 12:49

Gute Gründe, warum die moralgetränkten GRÜNEN in den neuen Bundesländern nie punkten konnten. Die Erfahrungen mit derartigen Weltanschauungen zwischen 1933-1989 immunisierten dagegen. Das Gespann Wagenknecht/Lafontaine brachte es mit der Formulierung "Die Selbstgerechten" auf den Punkt. Leider brachte der angestoßene dialektische Prozess nicht die von vielen erhoffte Synthese, sondern eine orthodoxe Ikone, deren Kader-Struktur-Partei von ihrer perfekten Selbstinszenierung lebt.

Christa Wallau | Fr., 4. Oktober 2024 - 13:23

die Sie uns empfehlen, sehr geehrter Herr Grau,
möchte ich um etwas anderes, Wichtiges ergänzen:
Wir brauchen neben dem allgegenwärtigen Zweifel einen gesellschaftlichen Konsens darüber, daß dort, wo Pläne geschmiedet u. Maßnahmen vorgenommen werden, also regiert wird, R e a l i s m u s herrschen muß.
Das Machbare kann nur der Maßstab sein für eine stabile Gesellschaft, nicht das Wünschbare o. moralisch (von wem auch immer definiert) Wertvolle.
Nicht umsonst hat das römische Reich im Gegensatz zu anderen Ländern jahrhundertelang als großes
Staatswesen bestanden, weil eben die Römer den nötigen Pragmatismus besaßen, der z. B. den Griechen fehlte.

Im übrigen finde ich es nicht schlimm, wenn der einzelne Mensch nach reiflicher Überlegung bzw. am Ende einer langen Periode des Zweifelns zu der Auffassung gelangt, daß es sehr wohl etwas Ewiges gibt, indem er z. B. zum christlichen Glauben findet.
Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß er seine Auffassung anderen aufoktroyieren will.

Albert Schultheis | Fr., 4. Oktober 2024 - 14:42

Das mit dem "radikalen Zweifel" ist mir zu radikal, denn ich muss nicht permanent fundamental zweifelnd durch die Gegend rennen! Das nervt! Außerdem würde ich meinen Zeitgenossen damit tierisch auf den Zeiger gehen, meiner Familie sowieso! Es gibt trotz aller Katastrophen, all des unsäglichen Drecks und Schunds, von dem man tagtäglich über Deutschland liest, eben auch sehr viel Schönes, Erbauliches in der Welt und ich bezweifle, dass ein "radikaler Zweifler" in der Lage wäre, das zu sehen und auch noch zu genießen.
Auch mit den Wahrheiten hab ich es nicht so, mit der Wahrheit noch viel weniger! Da bin ich zu sehr Physiker. Viel wichtiger ist für mich Wahrhaftigkeit! Ist jemand für mich wahrhaftig als Mensch, dann kann er sich auch mal Irren, ohne dass seine Wahrhaftigkeit darunter Schaden nähme.
Zur Zeit finde ich in der gesamten Regierungsmannschaft des Olaf Scholz nicht einen einzigen Minister, der ich Wahrhaftigkeit zubilligen würde! Seltsam, oder?

Henri Lassalle | Fr., 4. Oktober 2024 - 14:54

Zweifler, aber das ist mir nicht immer gut bekommen: Wir sind umgeben von Individuen, die Weisheiten u Gewissheiten in ihrer Hosen(oder Hand)tasche haben.
Viele wollen die Realität nicht sehen, teils aus tendenzösen Gründen, wie vor die Bankenkrise 2008, obwohl es warnende Stimmen gab.
In Frankreich gab es in früheren Jahrhunderten auf Märkten Scharlatane, Verkäufer der "poudre de perlimpinpin", als Heilmittel für alles Mögliche. So sieht es auch heute aus, wenn man Kommentare, "Analysen" und Behauptungen in Medien und seitens öffentlicher Personen wahrnimmt. Aber die Menschen, nicht nur, aber insbesondere seelisch eher fragile, brauchen immer irgendeinen Popanz, an den sie glauben, ihm folgen, und sei es eventuell ins Verderben. Ich meine, dies ist eine unaurottbare Tendenz. Ebenso verhält es mit Glaubensinhalten, die immer irgendwelche Nutzniesser haben.

Ronald Lehmann | Fr., 4. Oktober 2024 - 15:43

denn was gestern noch wahr war,
kann heute eine nicht mehr wahr sein
& warum
weil sich die Rahmenbedingung verändert haben

& deshalb gefällt mir so die Mathematik
weil WAHRHEIT durch Beweis angetreten wird
während Physik z.B. alles nur Annahmen sind
die vielleicht in 99% der Fälle/Annahmen stimmt
aber eben nur 1%

deswegen ist der Mensch mit seinen Verstand nur irgend eine Zahl
als VS > & VS hinken immer
während GOTT der RATIONALE BEREICH ist
den ich Menschlein mit meinem Verstand nie begreifen werde
wie ein Blinder einen Sonnenaufgang nur über die Empfindung Musik als VS empfinden kann

aber trotzdem mehr als hinkt

& deswegen verstehe ich
CHRISTLICHEN Strömungen nicht

weil ein jedes Stück Abschrift von Mio. Abschriften ist
genannt dann Bibel

als SEINE EIGENE AUSLEGUNG/INTERPREDATION
als seine EIGENE WAHRHEIT nimmt

statt sich auf den Inhalt, der Aussage
wie beim Partei-Programm
ZU KONZENTRIEREN

& diese als Fundament
zur Diskussion & fürs Handeln zu nehmen

& dies sollte HINTERFRAGT WERDEN

Wilfried Düring | Fr., 4. Oktober 2024 - 17:21

Weit verbreitete und darum gefährliche Götzen der Gegenwart sind: Juden-Hass, Klima-Baal und die viel-beschworene angeblich alleinseligmachende 'unsere' Dämon-Kratie.
Schon Chesterton wußte:
'Wenn die Leute nicht mehr an Gott glauben, glauben Sie an nichts - sondern an allen möglichen Unsinn!' Und die falschen Propheten kamen bekanntlich in Scharen.

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