Wladimir Putin und Xi Jinping / dpa

Russisch-chinesische Handelsbeziehungen - Eine sehr selektive Partnerschaft

Durch den Ukrainekrieg und die westlichen Wirtschaftssanktionen richtet Russland seinen Handel nach China aus. Der Erfolg kann sich sehen lassen – dürfte aber letztlich nicht von Dauer sein. Denn es gibt da noch ein paar Fallstricke.

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Ekaterina Zolotova ist Analystin für Russland und Zentralasien beim amerikanischen Thinktank Geopolitical Futures.

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In einem bestimmten Moskauer Stadtteil steht ein Gebäude, das sich den geopolitischen Trends besser angepasst hat als die meisten anderen. Bis 2020 war es ein Autohaus, das neue und gebrauchte europäische und amerikanische Marken verkaufte. Während der Corona-Pandemie wurden die Autos entfernt und das Gebäude zu einem provisorischen Krankenhaus umfunktioniert. Jetzt ist es wieder ein Autohaus, nur dass es inzwischen einem chinesischen Unternehmen gehört und ausschließlich chinesische Autos verkauft.

Die politische und wirtschaftliche Präsenz Chinas ist im Leben der Mehrheit der Russen vielleicht ausgeprägter denn je – und zwar nicht nur in den Regionen, die an China grenzen. Die bilateralen Beziehungen verbesserten sich bereits vor der Invasion in der Ukraine und den anschließenden Wirtschaftssanktionen – ein natürliches Nebenprodukt der Nähe, der gemeinsamen Grenzen, des für beide Seiten vorteilhaften Handels und des gemeinsamen Verständnisses ihrer politischen Interessen. Russland war einer der ersten und wichtigsten Märkte für die chinesische Export-Expansion, und Peking war bereit, eine große Menge an Waren zu liefern, vor allem Konsumgüter wie Kleidung, Haushaltsartikel und billigere Elektronik.

„Power of Siberia“-Erdgaspipeline

Chinas Anteil an den russischen Importen ist von 2 Prozent im Jahr 1995 auf 31 Prozent im Jahr 2022 gestiegen, was durch den chinesischen Wirtschaftsboom und die Erholung der russischen Wirtschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion begünstigt wurde. Die Zusammenarbeit beschränkte sich nicht nur auf den Handel; auch Investitionen flossen ungehindert, und im Dezember 2023 führten Russland und China nach Angaben des russischen Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung gemeinsam 83 Großprojekte im Volumen von insgesamt rund 200 Milliarden Dollar durch. Im Laufe der Jahre haben die beiden Länder ihre Zusammenarbeit bei Infrastrukturprojekten verstärkt. Am bedeutendsten war der Bau der ersten Eisenbahnbrücke über den Amur und der „Power of Siberia“-Erdgaspipeline, die den Gastransport von Russland nach China verbessert.

Doch trotz des Wachstums sahen sich China und Russland immer als „Freunde mit gewissen Vorzügen“ und nicht als wichtige Handelsverbündete. Russland war lange Zeit misstrauisch gegenüber der chinesischen Expansion und hat daher Europa als langfristigen Partner bevorzugt. China hielt den russischen Markt für zu klein und seine Nachfrage für zu unbeständig, weshalb es engere Handelsbeziehungen zu Europa und den Vereinigten Staaten aufbaute.

Der Einmarsch Russlands in der Ukraine hat die Beziehungen der beiden Länder verändert, auch wenn unklar ist, ob diese Veränderungen von Dauer sein werden. Im Jahr 2022 stieg der Anteil Chinas an den russischen Importen stark an, da sich Russland nach Osten hin orientierte, um den Schaden der westlichen Wirtschaftssanktionen auszugleichen. Das Timing war für beide Seiten günstig: Russland musste weiterhin Waren exportieren und Zugang zu Hightech-Produkten erhalten, während China, dessen Wirtschaft ins Stocken geraten war, billige Ressourcen und nicht wettbewerbsfähige Märkte brauchte.

Fortsetzung der Militäraktionen

Für China war es auch eine Gelegenheit, die Rolle des Yuan als internationale Währung zu stärken. Im März erreichte der Anteil des Yuan am außerbörslichen Devisenmarkt in Russland einen historischen Höchststand (53 Prozent), was es Russland ermöglichte, weiterhin Handelsgeschäfte mit Drittländern zu tätigen. Die verstärkten Wirtschaftsbeziehungen veranlassten China zu einer neutralen Haltung im Ukraine-Krieg und zu einer Politik der Nichtanpassung an die antirussischen Sanktionen. 

Peking ermöglichte Moskau den Zugang zu knappen technologischen Gütern und den Zufluss von Devisen durch den Verkauf von Energieressourcen, was den Druck des Westens auf Russland deutlich verringerte, die Gefahr einer Wirtschaftskrise neutralisierte, die Regierung intakt hielt und Russland die Fortsetzung der Militäraktionen in der Ostukraine ermöglichte. Natürlich hatte ihre selektive Partnerschaft auch den zusätzlichen Vorteil, dass sie das von den USA angeführte Bündnis untergrub.

Tatsächlich stieg der Handelsumsatz im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 26,3 Prozent und erreichte nach Angaben der chinesischen Zollverwaltung einen Rekordwert von 240,11 Milliarden Dollar. In diesem Jahr lieferte Russland 107 Millionen Tonnen Öl nach China – ein Anstieg von 24 Prozent gegenüber 2022 – und war damit Chinas größter Lieferant. Die russischen Kohleexporte nach China stiegen 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 52 Prozent und ermöglichten es Russland, die Exporteinnahmen über Wasser zu halten, da die Verkäufe nach Europa zurückgingen. China seinerseits profitierte von den günstigeren Verkaufspreisen.

Ein Segen für die chinesische Automobilindustrie

Die verbesserten Wirtschaftsbeziehungen waren ein Segen für die chinesische Automobilindustrie. Denn die westlichen Sanktionen gegen Russland eröffneten dem chinesischen Automobilsektor große Marktchancen. China verfügte nun über einen neuen Markt mit einer hohen Nachfrage nach technischen Produkten, und die damit verbundenen Einnahmen trugen zur Rettung des am Boden liegenden russischen Automobilsektors bei. Bloomberg Economics schätzt, dass die russische Nachfrage wertmäßig 58 Prozent des Anstiegs der chinesischen Exporte von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zwischen 2021 und 2023 ausmacht.

Dieser Prozess verlief nicht immer reibungslos; jede Seite war bestrebt, bessere Bedingungen für sich selbst auszuhandeln. So hat Moskau den zentralasiatischen Raum immer als Teil seiner Einflusssphäre betrachtet und mit China um den wirtschaftlichen und politischen Einfluss dort konkurriert. Langsam beginnt Moskau jedoch, die Region nicht nur als ein Gebiet zu betrachten, das es politisch zu dominieren gilt, sondern auch als eine wichtige Durchgangsroute für den bilateralen Handel mit China – was Russlands inhärente Feindseligkeit gegenüber der chinesischen Expansion etwas abgemildert hat. Dies zeigt, dass beide Seiten die kurzfristige Notwendigkeit ihrer Beziehungen erkennen.

Blut und Geld

Es gibt jedoch einige wichtige Fragen, in denen sie sich nicht einig sind; Fragen, die das Ausmaß ihrer Zusammenarbeit begrenzen werden. Das wichtigste Thema ist die Ukraine. Moskau hat viel Blut und Geld in dem Konflikt verloren und konnte bisher nicht das gewünschte Ergebnis erzielen. Es würde den Krieg gerne bald und zu günstigen Bedingungen beenden, weshalb ein mächtiger Verbündeter wie China in dieser Hinsicht hilfreich wäre. Das Problem aber besteht darin, dass China zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt ist, als dass es sich groß darum scheren würde, was westlich von Russland geschieht.

Möglicherweise hat Peking sogar ein Interesse daran, den Konflikt am Laufen zu halten. Schließlich ist es für die chinesische Wirtschaft von großem Vorteil, von einem schwachen und isolierten Russland zu profitieren und einen privilegierten Zugang zu dessen Waren zu haben. Darüber hinaus hat der Krieg der Entwicklung von Handelsrouten, die Russland umgehen, Auftrieb gegeben. Der chinesisch-zentralasiatisch-westasiatische Korridor – selbst Teil der chinesischen Neue-Seidenstraße-Initiative – ist für Investoren, auch aus europäischen Ländern, besonders interessant. 

China hat das Bedürfnis, sich an den Verhandlungen zu beteiligen und Russland eine gewisse Unterstützung zukommen zu lassen, aber letztlich ist es für Peking wichtig, dass sich der Konflikt nicht tief in Russland ausbreitet, was die Versorgung Chinas mit billigen Energieressourcen unterbrechen und ihm den Zugang zum russischen Markt verwehren könnte.

Moskau und Peking sind sich auch in Bezug auf Taiwan nicht einig. Moskau unterstützt natürlich die Idee, dass Taiwan ein Teil Chinas ist, aber wenn überhaupt, würde es Peking vorziehen, die Spannungen dort selbstbewusster zu erhöhen, da dies die USA von der Ukraine ablenken und ihnen möglicherweise einen Druckpunkt in zukünftigen Verhandlungen verschaffen würde.

Diplomatische Meinungsverschiedenheiten wie diese können Chinas und Russlands wirtschaftliches Engagement sicherlich behindern, aber was es mehr als alles andere behindert, sind die potenziellen Fallstricke, die es für beide birgt. Russland mag für China ein wichtiger Markt sein, aber nicht so wichtig wie Europa und die USA. Deshalb hat China vorsichtig gehandelt, obwohl es sein Recht auf Handel mit Russland verteidigt. 

Aus Furcht vor der Androhung von Sekundärsanktionen haben chinesische Banken, darunter die Industrial and Commercial Bank of China – die größte Bank des Landes – kürzlich die Annahme von Zahlungen in Yuan aus Russland eingestellt und begonnen, russische Zahlungen für die Lieferung von Bauteilen für die Elektronikmontage zu blockieren.

Starke chinesische Präsenz

Auch Russland hat Grund zur Besorgnis. Der chinesische Handel hält die russische Wirtschaft vielleicht am Leben, bis das Land in der Lage ist, seine eigenen Produktionskapazitäten aufzubauen. Aber eine zu starke chinesische Präsenz könnte sein Importsubstitutionsprogramm gefährden. Die Automobilindustrie ist hier ein lehrreiches Beispiel: Die Hersteller sind entweder nicht in der Lage, dem Wettbewerb standzuhalten, oder sie sind zu wenig lokalisiert, da sie die Abhängigkeit von einem Technologielieferanten (dem Westen) gegen einen anderen (China) eingetauscht haben. Dies schadet natürlich den langfristigen Wachstumsaussichten.

Der plötzliche Anstieg des wirtschaftlichen Engagements zwischen Russland und China hat den Westen beunruhigt, der befürchtet, dass sich der für beide Seiten vorteilhafte Handel zu einem breiteren Bündnis ausweiten könnte. Der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in China Mitte Mai, bei dem er Fragen der umfassenden Partnerschaft und der strategischen Interaktion erörterte und eine Reihe von Abkommen unterzeichnete, hat diese Befürchtungen nur noch verstärkt. In Wahrheit zeigt der Besuch aber nur, dass die Beziehungen zwischen China und Russland so bleiben werden, wie sie sind – und nicht als Versuch, die globale Vorherrschaft des Westens zu beenden. China und Russland sind sich einfach nicht einig genug, um dies zu erreichen.

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Norbert Heyer | Mo., 3. Juni 2024 - 17:18

Da bin ich aber ganz anderer Meinung. China und Russland halten Europa -und besonders D- für komplett abgehoben. Zuerst der neue Staatenbund BRICS und jetzt noch enge Beziehungen zwischen dem Wirtschaftsgiganten China und
dem Rohstoffgiganten Russland - schlimmer hätte es für D nicht kommen dürfen. Übrigens … China ist das erste kommunistische Land, das wirtschaftlich kapitalistische Wirtschaftsmärkte abhängt. Russland liefert zuverlässig Energie und alle benötigten Rohstoffe, China zahlt mit Autos, Technik und Elektronik. Die USA sind hocherfreut, dass die gedeihlichen Jahre zwischen Europa und Russland für lange Zeit vorbei sind. Sie werden sich mit China befassen, wenn sie ins Hintertreffen geraten - und diesen Krieg werden sie nicht gewinnen können. Aufstieg Asien und Afrika durch BRICS, die EU hat so viele katastrophale Entscheidungen getroffen, dafür zahlen sie jetzt eine hohe Zeche. Wirtschaftswunder D - zerstört durch kranke Ideologie und totaler Unfähigkeit der Ampelregierung

bis zur Unfähigkeit der Ampel das ist zwar auch richtig aber es ist nicht die Ampel allein schließen sie ruhig CDU mit ein und die Brüsseler EU Spitzen.

Walter Bühler | Mo., 3. Juni 2024 - 18:03

... mit der CIA- und NATO-gesteuerten Kreml-Astrologie, die "unsere Experten" in "unseren" Massenmedien praktizieren.

Insofern handelt es sich um ernstzunehmende Bemerkungen.

Natürlich hat sie recht, wenn sie darauf hinweist, dass die russisch-chinesischen Beziehungen Schwachstellen aufweisen. Andererseits übersieht sie nicht das Wichtigste, nämlich dass zur Zeit der Druck der westlichen Einheitsfront das konkrete russisch-chinesische Zusammenspiel nicht zu behindern vermag, sondern im Gegenteil in beiden Ländern Tag für Tag die Resilienz gegen die gemeinsame Bedrohung aus dem Westen stärkt.

Wäre in unserer Regierung ein Sinn für die Wirklichkeit vorhanden, dann müsste diese Einsicht zu schnellen Änderungen der Politik führen.

Aber dazu sind die Parteifunktionäre, die bei uns an der Macht sind, weder willig noch fähig: fixiert in ihrer ideologischen und politischen Verblendung sehen sie die Gefahr nicht, die Europa und Deutschland tatsächlich droht.

Wir werden von Blinden geführt.

Christoph Kuhlmann | Mo., 3. Juni 2024 - 21:13

Es dauert mindestens 20 Jahre um die Leitungskapazitäten aufzubauen, die Russland Richtung Westen hat. Zudem ist es fraglich ob China über die notwendige Fördertechnologie verfügt Gazprom schreibt rote Zahlen und Russland ist auf dem Weg Chinas Satellit zu werden. Im Grunde stützt der Lahme den Einbeinigen. China hat eine schwelende Immobilien und Bankenkrise. Die Staatsverschuldung lässt auch keine großen Sprünge mehr zu. China braucht dringend Kapital aus dem Westen. Es wird sich den Zugang zu den westlichen Märkten nicht selbst versperren. Fragt sich nur was passiert, wenn Trump an die Regierung kommt. Wird er die 100% Zoll auf Chinas Autos noch weiter in die Höhe schrauben. Oder den billigen Schrott verbieten, den chinesische Onlinehändler vertreiben. Da würde die EU bestimmt mitmachen. Ob der russische Markt den amerikanischen ersetzen kann? Ich denke beide sitzen in der Sch.... mittelfristig gesehen.

Tomas Poth | Mo., 3. Juni 2024 - 21:37

Wo sind die Grenzen der Freundschaft?
Beide gehen da sehr rational und nüchtern in die Partnerschaft, mit berechenbaren Interessen, so ist meine Einschätzung.
Ganz anders der "Westen", die EU-Nato, die sich in Überheblichkeit verrennt.
Schon den Angriff auf die Gasversorgung Europas aus dem eignen "Freundeskreis" vergessen?!
China wird RF soweit unterstützen, daß der "Westen" durch den Konflikt geschwächt wird. Also das umgekehrte Spiel, das die EU-Nato gegen die RF spielt.

Die "Wertegemeinschaft" der Doppel-Standards hat schon verloren, sie will es sich nur noch nicht eingestehen, weiß nicht wie sie ohne Gesichtsverlust aus dem Dilemma herauskommt.

Armin Latell | Di., 4. Juni 2024 - 08:34

Russland in die Arme Chinas zu treiben. Ein noch größerer Fehler der dummländischen Regierung war und ist es, diesem Kurs sklavisch zu folgen. Nicht nur außen- sondern auch innenpolitisch, wo die kriminelle Regierung gerade im Auftrag Dummland als Konkurrenten zerstört. China und Russland sind eine geballte Macht, die BRICS Staaten wollen von den usa nicht mehr "domestiziert" werden, in Afrika werden die Amis auch bald keine "Freunde" mehr haben-die Strategie der Amis wird nicht aufgehen bez. Russlands, bez. Dummlands aber schon. Nicht zu vergessen Indien mit eigenen Interessen. Ru. und Ch. werden ihren Weg weitergehen, die eu Staten werden sich im Auftrag der Amis ins Aus schießen, der Rest der Welt verfolgt weiterhin eigene Interessen.

Jochen Rollwagen | Di., 4. Juni 2024 - 10:23

China's Schicksal ist dank der Ein-Kind-Politik Mao's schon lange besiegelt: Bevölkerungs-Rückgang, Überalterung, dadurch Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft, die ohnehin nur durch billige, ultra-mobile junge Arbeitskräfte ohne jegliche Rechte, "Technologie-Transfer" (sprich: Industrie-Spionage und Kopieren westlicher Technologien im Rahmen der Joint-Ventures mit westlichen Firmen in China) sowie Auslands-Investitionen gewachsen ist, die jetzt ausbleiben bzw. aus China fliehen. China's Verschuldung, vor allem der Provinz-Regierungen übersteigt bei weitem alles was man in der westlichen Welt kennt, das meiste aufgebaut auf die jetzt geplatzte Immobilien-Blase. Dazu eine abgehobene, von der Realität entkoppelte kommunistische Führungsriege in der "Verbotenen Stadt" in Peking, die glaubt dieses riesige Land vom Schreibtisch aus steuern zu können. Die all-gegenwärtige Korruption kommt noch dazu.

Wenn das Rußland's beste Freunde sind, dann sind das richtig gute Nachrichten für die Ukraine.