Der Berliner Fernsehturm ragt über Wohnhäuser am Kottbusser Tor hinaus / picture alliance

Berlin desolat - Ein Sonntagsspaziergang durch die deutsche Hauptstadt

Berlin ist, trotz Hauptstadtstatus und Wohlstandstransfer, zum Symbol des urbanen Zerfalls avanciert, sichtbar an der Vernachlässigung von Bildung, Wohnverhältnissen und innerstädtischer Architektur. Der Streifzug führt durch eine Zivilisationsform auf ihrer Schwundstufe. 

Autoreninfo

Dr. phil. Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Von 1996 bis 2011 in leitender Funktion in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. für die Europäische Kommission, diverse Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. Seit 2012 Professur für Kommunikation an der Macromedia University of Applied Sciences, Hamburg. Er ist Visiting Scholar der Fudan University, Shanghai. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt „Was ist Schönheit? Eine kurze Geschichte der Ästhetik“ (Herder Verlag).

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Sonntag, 9.00 Uhr. Heraus aus der bürgerlich wattierten Wohlstandsblase, hinein in die harte und ungeschminkte Wirklichkeit eines beunruhigend warmen Sommertages! Viele Menschen sind in Berlin-Neukölln noch nicht unterwegs. Eine Rentnerin in fleckiger beigefarbiger Jacke führt ihre vier Pudel spazieren. Vor dem Eingang einer Notapotheke steht ein blasses Mädchen mit ihrer übernächtigten Freundin. Jemand liegt eingesunken in einem Hauseingang. Es riecht nach Urin und Erbrochenem. Outrierte Nachtschwärmer mit roten Zombieaugen halten sich an leeren Sektflaschen fest und grimassieren. Vielleicht der nächste Kommunikationstrend?  

Auf den Straßen liegen noch die Überreste vergangener Großstadtpartys, gemischt mit Zivilisationsunrat. Sperrmüll, verstreute Kleidungsstücke, gelegentlich ein abgebrannter Scooter oder eine verkohlte Europalette. Um die Ecke ist schon die Hasenheide, wo zuvorkommende Dealer in kleinen Gruppen den Arbeitstag beginnen. Es gibt bereits die ersten Umsätze.  

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Ingo Frank | Mi., 28. Juni 2023 - 21:05

ist im vollem Gange …..
Eine Ist- Beschreibung Deutschlands, nicht nur seiner Hauptstadt. Die meisten Bürger lassen sich vom links Grünen Nebensächlichkeiten blenden. Unter dem Deckmantel dem Fortschritt dienen zu wollen werden der Bevölkerung Lasten bei z.B. der Energiewende und oder Einwanderung als Beispiel aufgezwungen die dem Volk jegliche Eigenentscheidung nimmt. Die Gräben zwischen den woken Größstädtern in ihren 150 qm Altbauwohnungen möglichst mit Dachterasse und denen die sprichwörtlich den Laden am kacken hält wird immer größer und größer. Dazu beigetragen, eine Politik die sich so weit von der Realität entfernt hat, wie ich es nie für möglich gehalten habe. Eine Blase wie von einem anderen Stern. Jüngstes Beispiel GEG. Welches von der Ampel mehr als gelobt wird. Ich z.B. habe keinen Satz zu den Bürgern gelesen, die ihre Heizung mangels Alternativen mit Öl betreiben. Auch da eine Spaltug die fortgesetzt wird.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

BESSY I und berets schon BESSY II sind großartige Forschungseinrichtungen, die von Forschern aus der ganzen Welt genutzt werden. Das ist meine persönliche Berlin-Erinnerung. Für die Berliner Stadtreinigungsbetriebe in Spandau durfte ich auch mal was machen, eine Sonde entwickeln. Die Schmuddelecken, das soziale Elend sind Erscheinungen, wie in jeder Haupt- oder Großstadt, außer natürlich in Phnom Penh und Gau Sonnenberg.

Tomas Poth | Mi., 28. Juni 2023 - 21:56

Totale Verlotterung und komplettes Leben auf Stütze!
Auch ein Ergebnis des Multikulti-Wahns, nicht nur. Berlin war schon immer ein Sumpfloch des Länderfinanzausgleiches.
Wir alle wissen was es zu tun gilt, nur die Regierungen nicht, bzw. wollen nicht wissen!

Wojciech Kacpura | Do., 29. Juni 2023 - 08:57

wird von den Kennern im Ausland als größte Slum Europas bezeichnet. Danke Herr Pietzcker, dass Sie die herbeigelogene Romantik weggelassen haben. Es muss wirklich schmerzhaft sein, als verantwortlicher Bundes-, Landes- oder Stadtpolitiker sich jeden morgen die Stadt im Tageslicht anzuschauen? Oder auch nicht?

Jens Böhme | Do., 29. Juni 2023 - 09:25

Um diese Entwicklung zu stoppen, helfen nur gutausgebildete Fachkräfte aus Afghanistan oder Syrien. Diese wird es geben, fünfzig oder so. Die anderen "gut ausgebildeten Fachkräfte" aus diesen Regionen, haben eine völlig andere Lebensauffassung. - Der Deutsche will mit dieser Entwicklung es den Migranten, Asylanten usw. so einfach wie möglich machen, sich hier anzupassen, indem man sich deren Lebensbild annähert. Die solidarische Anpassung mit Drittweltländern läuft.

Chris Groll | Do., 29. Juni 2023 - 09:43

Sehr schöne Beschreibung des im Niedergang befindlichen Deutschland.
Da braucht man nicht mehr zu sagen.

Günter Johannsen | Do., 29. Juni 2023 - 09:45

Berlin hätte niemals Hauptstadt werden dürfen, denn da wohnen immer noch die sogenannten Alterna(t)iven, die seinerzeit nach Berlin zogen, um den Bürgerpflichten zu entgehen (Wehrpflicht; Zivildienst) ... und im Osten (z.T. Marzahn) die MfS-Mitarbeiter und die mit einer Neubauwohnung "belohnten" Aktivisten des Realen Sozialismus der roten Bonzen!
Was aus dieser zusammengebrauten Suppe entsteht, wäre abzusehen gewesen ... !

Ich begann 1974 Anfang September mein Studium als Bauingenieur in Weimar.
Im November stieß ein Kommilitone zu uns der 3 Jahre bei der NVA gedient hat. Auf unsere Frage, wo kommst du den her? Kam wie aus der Pistole geschossen: „Aus der Hauptstadt“
Ja, die Berliner, zumindest die meisten die ich persönlich kennengelernt habe, ticken anders als der Rest der Republik. Und ja es war vorhersehbar was da für eine zusammengebraute Suppe entstand. Bunt & ungenießbar eben Resteessen im schlichtesten Sinn des Wortes.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Heidrun Schuppan | Do., 29. Juni 2023 - 10:58

mit der Stadt wirklich ernst meint, konnte man am katastrophalen Beispiel "Potsdamer Platz" sehen. Wie konnte man diesen zentralen Platz – auch noch nach Marlene Dietrich benannt – dermaßen verschandeln? Wer ist dafür überhaupt verantwortlich gewesen? Natürlich niemand, wie überall in der Stadt. Ist in Frankfurt, nebenbei gesagt, ähnlich.

Heidrun Schuppan | Do., 29. Juni 2023 - 11:01

in Armut lebt, würde auch die Geldschatulle von der Familienministerin nichts, aber auch nichts ändern. Das Geld würde nämlich nicht für das Wohl, die Bildung etc. der Kinder ausgegeben, sondern in die Heimat geschickt.

Das Kindergeld, liebe Frau Schuppan, wird auch, wie ich aus meinem Umkreis weiß, in die Miete gesteckt. Eine Kosovarin, die ich fragte, wie sie denn die hohe Miete (€ 1.100) stemmen könne, sagte: „gibt doch Kindergeld“! Sie hat 3 Kinder, bekommt also € 750.- Kindergeld vom großzügigen deutschen Staat. Nix Geld für Kinder…!!! So sieht es aus ?

Peter William | Do., 29. Juni 2023 - 11:33

beschrieb die deutsche Hauptstadt schon ausreichend präzise, "Berlin du kannst so hässlich sein...". Deshalb stimme ich mit Kraftklub in dieser Hinsicht vollkommen überein.

Achim Koester | Do., 29. Juni 2023 - 11:40

sagte einst der große Journalist Peter Scholl-Latour. Berlin ist die uneingeschränkte Bestätigung seiner Worte, denn diese Stadt ist längst zu "Kalkutta" (oder sagen wir besser "Lagos") geworden. Nur durch die Milliarden-Infusion des Länderfinanzausgleichs am Leben gehalten, leistet sich die Verwaltung dieses Molochs soziale Verhältnisse auf unterstem Niveau.
Der Untergang des Römischen Reiches dürfte ähnlich angefangen haben.

Enka Hein | Do., 29. Juni 2023 - 11:56

...die Libanonisierung hat ihren Anfang gefunden.
Und wird sich wie ein Geschwür über den Kontinent legen.
F und D als Hochburg.

Ernst-Günther Konrad | Do., 29. Juni 2023 - 13:10

Schon fast eine Romanbeschreibung Herr Pietzcker. Aber das alles sollte uns nicht überraschen. Was Sie beschreiben passt ins Bild Berliner Politik. Schmutz, geistige Armut, Lustlosigkeit und Kriminalität kennzeichnet eben auch die Regierung im Bund und bislang die des Berliner Senats. Ob der neue OB die Stadt aufräumen und kann und will? Genügend Personal könnte er generieren. Die vielen eingereisten Schutzsuchenden könnten natürlich unter Anleitung die Stadt aufräumen. Die Frage wäre dann nur. Wer würde diese dann saubere Stadt schützen? Die Polizei und Justiz sind hoffnungslos personell überfordert und politisch instrumentalisiert, das sich niemand mehr mit diesem Moloch identifizieren kann und will. Immerhin haben noch immer fast 50% Linke, GRÜNE und SPD gewählt, also für ein Chaos gestimmt, wie Sie es beschreiben, auch wenn die UNION den OB inzwischen stellt. Berliner scheinen also solche Zustände als normalen Alltag zu begreifen und akzeptieren.

Die Cathy | Do., 29. Juni 2023 - 13:24

... wie sehr die letzten Berliner Regierungen auf praktisch jedem Gebiet der Kommunalpolitik elend versagt haben, zeigte sich exemplarisch gestern einmal wieder bei 'Lanz' zum Thema 'Clan Kriminalität'...

Der Experte und Politologe Ralph Ghadban zerlegte mit minutiöser Präzision das persönliche und institutionelle Versagen aller Verantwortlichen dieser Stadt aus diesem 'Abgrund von Inkompetenz und Schwachsinn in jedem Detail', wie sehr sich der sichtlich angefaßte Herr Fiedler auch um den Ruf seiner Partei bemühte.

dass in dieser Stadt sich mal etwas zum Positiven ändert, ist es doch schon mal ein winziges, aber nicht unwichtiges Mosaiksteinchen, dass die Partei Die Linke nicht mehr an der Regierung beteiligt ist, ebenso die Grünen. Aber nocht wichtiger: Die Linke. Man darf hoffen – aber ich hoffe nicht zu sehr. Schließlich war auch die CDU lange genug an der Regierung beteiligt. Gekümmert hat sie sich nicht um das Vorankommen der Stadt, für ihre Bürger, sondern war auch an der damaligen Bankengeschichte vorn dabei, der Sumpf war tief, werte CDU. SPD und CDU werden ihre Posten sichern, neue Posten schaffen und und und ... Aber die Stadt muss warten. Görli und Kottbusser Tor sowie Hasenheide gedeihen weiter ...

liebe Cathy.
Ich habe diese Sendung auch gesehen. Die Aussagen von Herrn Ghadban waren derart überzeugend, daß sogar Herr Lanz diesmal nicht umhin konnte, immer wieder nachzufragen: Wie konnte es in Deutschland passieren, daß sich Clan-Strukturen derart unbehelligt ausbreiteten???
Herrn Ghadbans Antworten waren eine einzige schallende Ohrfeige für alle Verantwortlichen für die innere Sicherheit in den letzten 50 Jahren!
Klasse!

Urban Will | Do., 29. Juni 2023 - 15:17

In einer Demokratie bekommt der Wähler das, was er wählt. In einem „Demokratie“ genannten System wie Deutschland, gilt das gleiche.
Hinzu kommt sicherlich noch so etwas wie Kultur oder Mentalität und da ändern sich die Dinge nun mal im Laufe der Zeit. „Bunt“ wie sich Berlin ja so gerne nennt, wird dann schnell zu „dreckig“.
Als ich diesen Artikel laß, saß ich in einer U – Bahn in Tokyo. Dort leben im Großraum ca. 10 mal so viele Menschen wie in Berlin.
Auf dem Fußboden der Bahn, so sauber wie ein OP – Raum in Berlin, lag tatsächlich eine Mundschutzmaske, wie man sie in Japan oft sieht. Jemand hatte sie wohl verloren. Eine ältere Dame kam in den Zug, sah die Maske, bückte sich und hob sie auf. Danach lag auf dem Boden rein gar nichts mehr.
Eine kleine Anekdote, ein kleiner Vergleich einer Weltmetropole, in der alles funktioniert mit dem Dreckloch Berlin, das zusätzlich noch vom Rest d Republik mit Geld vollgestopft werden muss, dass überhaupt noch was geht. Aber Hauptsache „bunt!“

Sabine Jung | Do., 29. Juni 2023 - 15:34

von der Verlotterung. Dieses kommt daher, weil keine öffentliche Gelder mehr da sind. Dafür holt man sich mehr und mehr von Flüchtlingen unterschiedlichster Herkunft her. Da wo die Flüchtlinge herkommen, da gilt vieles anders wie bei uns. Kinder rennen bis tief in die Nacht vor den Neubaublöcken herum. Die Kinder spielen drausen, alleingelassen, weil z.B. die Mutter von 5 Kindern mit einer Zigarette auf dem Balkon sitzt. Das Licht brennt in allen Räumen, immer, auch wenn die Sonne scheint, Klimaschutz, was ist das? Herkunft, Georgien! Das ist nur ein Beispiel in unserer kleinen Stadt von etwas über 10.000 Einwohnern. Die Blöcke, wo diese Leute jetzt wohnen werden von den Wohnungsgenosschenschaften nicht mehr renoviert und saniert, immerzu ziehen neue ein und aus. So wird es in ein paar Jahren nur noch total runtergewirtschaftete Wohnungen geben. Die Deutschen mögen dort schon gar nicht mehr wohnen.
Toll, oder?

Sabine Lehmann | Fr., 30. Juni 2023 - 00:35

So wird es zwar nie ausformuliert, aber im Grunde ist genau das die politische Haltung, die sich wie ein roter Faden durch diese Republik zieht, gepaart mit Ignoranz eine desolate Mischung. Arm ist auch nicht sexy, geistig arm ist allerdings Jeder der das behauptet. Im übrigen ist die pittoreske Schilderung urbanen Mülls im Artikel mittlerweile so zutreffend für alle deutschen Städte. Dass BP Steinmeier es tatsächlich dieser Tage gewagt hat, mit ausgewähltem Publikum das Land zu bereisen, um "Botschaftern" zu zeigen wie "schön" es hier bei uns ist, spottet echt jeder Beschreibung! Vermutlich wurde vorher ein Rollkommando geschickt, um die betreffenden Gebiete zu säubern.
Ich finde den Text im übrigen so genial wie erschreckend. Und anstelle der weichgespülten Maischberger wäre ICH gestern gerne genau mit diesem Text und ein paar anderen speziell ausgewählten Problembehafteten Fragen in der ARD auf Sendung gegangen und hätte Schlumpf Olaf gegrillt bis ihm die "Perücke" abgequalmt wäre.

Naumanna | Fr., 30. Juni 2023 - 12:07

Ich war gestern am Hackeschen Markt, mit Kollegen feiern. Eine wunderbare Atmosphäre. Von dem Dreck und Müll, wovon der Autor spricht - keine Spur. Es war total extraordinaire. Das Klientel, sauber angezogene, elegante Jugendliche und ältere Semester. Ein sehr höfliches Miteinander. Ausgesprochen angenehm. Auch die Fahrt in der S-Bahn war begleitet von sauberen, relaxten, netten Menschen. Sehr aufmerksam und höflich. Schon mehrfach habe ich das in Berlin beobachtet - zu meinem großen Erstaunen, denn die Medien gaukeln einem ein anderes Bild von Berlin vor - siehe der Artikel oben.
Allerdings meide ich Neukölln den Wedding oder Kreuzberg ... offensichtlich hat sich der Autor nur dort aufgehalten. Diese Bezirke werden von Menschen bevölkert - nicht nur aber doch teilweise - die das Bild Berlins in diese Schieflage geraten lassen.
Noch eine Bemerkung zu den Sozialleistungen - es wird langsam Zeit, dass Empfänger dieser Leistungen zu öffentlichen Dienstleistungen herangezogen werden