Kommunikationskünstler: SPD-Chef Lars Klingbeil kann zugleich den Kanzler verteidigen und ganz andere Akzente setzen. /dpa

SPD-Chef Lars Klingbeil und die Panzerlieferungen - Kein Nein sei noch kein Ja

Die SPD hat neue Leitlinien für eine sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik vorgelegt. Lars Klingbeil verteidigt die vorsichtige Haltung des Kanzlers beim Thema Panzerlieferungen. Aber auch er vermag die Haarrisse, die sich zwischen Kanzleramt und Parteizentrale auftun, nicht zu verdecken.

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Im weltweiten Rätselraten, was den deutschen Bundeskanzler in der Panzerfrage eigentlich umtreibt, hat Lars Klingbeil den schwersten Job. Der SPD-Vorsitzende muss so tun, als ob er seinen Kanzler versteht, und zugleich all jene abholen, die auch in der eigenen Partei das Agieren von Olaf Scholz nicht mehr richtig finden. Es ist ein Balanceakt, der nicht immer mehr Antworten gibt als neue Fragen aufzuwerfen. Aber Klingbeil bleibt unverdrossen, das ist seine größte Stärke.  

Kommunikativ ist Lars Klingbeil in jedem Fall das Gegenteil von Olaf Scholz. Wo der Bundeskanzler das Pokerface beherrscht, lächelt Klingbeil alles Unangenehme mit charmanter Freundlichkeit weg. Wo Scholz das beredte Schweigen pflegt, da kann Klingbeil eloquent seinen Gegner wegfilibustern. Der 1,96 Meter große Parteichef steht dabei dem 26 Zentimeter kleinerem Scholz in politischer Durchsetzungskraft in nichts nach. Nur wird es eben anders verkauft.

Klingbeil kann auch Kraftausdrücke

Doch selbst Klingbeil vermag die Haarrisse, die sich zwischen rot-geführtem Kanzleramt und der knallroten Parteizentrale auftun, nicht mehr ganz zu verdecken. Gestern stellte der Parteichef, der erst vor gut einem Jahr ins Amt kam, sein neues Konzept für die sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik vor. Klingbeil hatte früh nach dem 24. Februar seine Strategie angepasst und der SPD eine Neuorientierung verordnet. Der Soldatensohn, der vom einstigen Militärskeptiker doch noch zur Verteidigungspolitik gefunden hat, machte in diesem ersten Kriegsjahr durch markige Wortwahl von sich reden. Deutschland müsse in Europa zur „Führungsmacht“ werden. Kraftausdrücke, die er der einstigen Friedenspartei mit seinem sonnigen Blick ins Herz pflanzen musste. 

Dabei ist vor allem erstaunlich, dass Klingbeil seine neue SPD-Strategie offensiv als „Bruch“ verkauft. Er versucht erst gar nicht, die langen Linien auszuerzählen, die dann etwa eine ungetrübte Kontinuität von der Wandel-durch-Annäherungs-Doktrin eines Willy Brandt zum Heute gezwungen erscheinen ließen. Bei der Vorstellung seiner Leitlinien für eine neue Außenpolitik war also die „Zeitenwende“ der Ausgangspunkt. Und es verfestigt sich der Eindruck, dass Olaf Scholz zwar den Begriff nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine vor knapp einem Jahr geprägt hat, Klingbeil ihn aber auch als programmatischen Arbeitsauftrag begriffen hat. 

 

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Es sei richtig, auch Selbstkritik zu üben an der bisherigen Ausrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik der SPD, erklärt Lars Klingbeil. Aus dieser Haltung schöpft er seine Gestaltungskraft – und man fragt sich, ob Scholz diesen Gedanken der Neuorientierung tatsächlich auch schon so radikal mitvollzogen hat. Der SPD-Chef, der seine Rolle ohne Kabinettsposten durchaus nutzt, erklärt, früher habe die SPD Sicherheit „mit“ Russland erreichen wollen, nun sei auf lange Sicht erstmal der Auftrag, Sicherheit „vor“ Russland zu organisieren. Kaum vorstellbar, dass Scholz zu so klaren Formulierungen bereit wäre. 

Das Kompliment vom Kanzler

Am Montagmittag bei der Pressekonferenz wird Klingbeil gefragt, ob in der Präsidiumssitzung denn auch Olaf Scholz mitdiskutiert habe, als es um das neue Papier ging. Und ob der Kanzler sich denn in die angeblich einhellige Zustimmung seiner Partei eingereiht habe. Klingbeil tut, was er gut kann, er schmunzelt. Olaf Scholz habe das sicherheitspolitische Konzept als „ganz gut“ bezeichnet, so der SPD-Chef. Dies sei für einen Hanseaten, wie Scholz einer sei, schon ein „großes Kompliment“. Wer will, kann also in dieser kleinen Anekdote doch ablesen, dass auch der SPD-Chef vom SPD-Kanzler mal gerne ein größeres Lob gehört hätte – und nicht den üblichen Hamburger Duktus.

Denn umgekehrt tut Klingbeil wirklich alles, um dem Kanzler Rückendeckung zu geben. Diese Entscheidungen in diesen Tagen seien von historischer Bedeutung, in 30 bis 40 Jahren würden Historiker darüber urteilen. Deswegen sei es nur richtig, etwas genau zu überlegen und sich mit den Partnern abzustimmen, wie zu handeln sei. So richtig überzeugend ist die Antwort nicht, aber sie hört sich gut an. Immerhin ist ja bekannt, dass es gerade die Partner sind, die sich mit Unverständnis angesichts von Scholz‘ Haltung zu Wort melden. 

Keine Roten Linien und dann?

Eine schöne Formulierung von Klingbeil, die tief blicken lässt, ist auch die mit der doppelten Verneinung. Auf die alles beherrschende Frage nach der Lieferung von Leopard-Panzern beteuert Klingbeil immer wieder, dass der Fokus nicht stimme. Deutschland liefere sehr viel und gebe viel Geld, deswegen sei die Panzer-Frage verkürzt. Und im Übrigen – und das ist die hübsche Wendung – gebe es „keine Entscheidung für ein Nein“. Kein Nein ist aber auch kein Ja, darf der geneigte Interpret schlussfolgern. Ähnlich ist es mit den „Roten Linien“, die gebe es auch nicht, sagt Klingbeil. Aber was bleibt, wenn es keine Roten Linien gibt? Freie Fahrt für Panzer? 

So bleibt am Ende doch der Eindruck, dass Klingbeil es anders will als Scholz es macht. Oder vielleicht ist es sogar noch subtiler. Eigentlich denkt Scholz sogar ähnlich wie Klingbeil, nur handelt er nicht genau danach. In ihrem Strategiepapier formuliert die SPD sechs Ziele für eine neue Außen- Und Sicherheitspolitik. Das erste Ziel ist, dass Deutschland eine Führungsrolle übernehmen müsse. Das zweite Anliegen lautet, die deutsche Politik müsse stärker „in Szenarien“ denken, also mögliche Alternativen bedenken. Beides habe es bisher zu wenig gegeben, sagt Klingbeil. Spannend ist nun, ob das beschlossene Papier von Klingbeil im Kanzleramt zur Umsetzung ankommt. Zumindest mit den Punkten eins und zwei könnte man schon mal anfangen. 
 

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Karl-Heinz Weiß | Mo., 23. Januar 2023 - 16:53

Die USA haben aus längst widerlegten Gründen die Lieferung eigener Kampfpanzer abgelehnt - das ist in den deutschen Medien seit Tagen kein Thema mehr. Stattdessen feuern die bekannten Sandkastenstrategen der FDP und der GRÜNEN seit Tagen aus allen Rohren gegen Kanzler Scholz. Gibt es kein anderes Thema ?

Günter Johannsen | Di., 24. Januar 2023 - 16:24

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

Wenn zwei sich streiten ... ! Auch das ist ein Zeichen dafür, dass sich unpassende Kontrahenten um der Macht/Pfründe willen in der Ampel zusammen geschlossen haben. Eigentlich heißt es doch: Gleich und Gleich gesellt sich gern!
Nun sollte die FDP endlich kapieren, dass sie sich auf den falschen Dampfer begeben haben! Steigbügelhalter für die Kommunisten zu sein, kommt nicht gut!

Ingo Frank | Mo., 23. Januar 2023 - 17:21

Allgemeinen und Scholz im Besonderen.
A B E R
Der mediale Druck der auf Scholz ausgeübt wird, im Hinblick auf die Lieferung von Kampfpanzern mag „moralisch“ sein, steht aber deutscher Außenpolitik & Wirtschaftspolitik entgegen.
Ich sehe das so, wenn Deutschland liefert, d.h. deutsche oder in Deutschland hergestellte Panzer liefert, können diese nicht von heute auf morgen nachgefertigt werden weil die Rüstungshersteller Jahrzehnte mit iiihhhhhh belegt wurden. Siehe den Ausrüstungsstand der BW! Und ein Depp der daran denkt wer denn die Lücke schließen will? Darauf wartet Onkel Sam Buntland Germany mit seinen Panzern zu beliefern, auch auf Hinblick der „Aufrüstung der BW“ die ja mit „Sondervermögen“ ausgestattet werden soll. Und da erscheint Scholzens Zögern unter einem ganz anderem Licht.
Und, wie lange hat die USA gegen NS II interveniert? Ums sein teures Frackinggas an Buntland zu verhökern? U Krieg …Gott sei Dank!
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 23. Januar 2023 - 19:25

Was hat denn der „großartige“ Herr Klingbeil besonderes zu einer künftigen Sicherheitsstrategie ausgesagt? Dass wir uns nicht von anderen außerhalb der EU abhängig machen dürfen? Das wir wieder autarker werden müssen (was deutliche Preissteigerungen zur Folge haben wird). Was hat er sonst noch gesagt? Viel wurde da nicht in den Nachrichten berichtet.
Wurde uns da wieder ein großer „Luftballon“ mit guter Rhetorik als großer Wurf verkauft oder wurde zu unserem Schutz nur nicht darüber berichtet? Große Sprüche sind in der SPD keine Besonderheit, insbesondere wenn man sich das „Nachwuchspersonal“ anschaut. Gute „Netzwerker“ die viele kennen aber von wenig Kenntnis haben?

Wolfgang Borchardt | Mo., 23. Januar 2023 - 19:40

Putin-Regierung auszulöschen, wird sie dann Kernwaffen einsetzen, wenn sie sich durch eine Übermacht sn die Wand gedrängt sieht. Insofern sind die kriegsbeisterten Panzerrufer wohl auch etwas naiv.

Die in die Enge getriebene Ratte geht auf Mann! ... heißt es.
Aber da die Russen ja keine Ratten sind, kann man das ausschließen?!

Günter Johannsen | Mo., 23. Januar 2023 - 19:51

Das können die grünen und die roten Genossen gut: Schwurbeln und Eiern! Eine klare Antwort: Fehlanzeige! Klingbeils vermeintliche Kompetenz muss sich natürlich hinter Allgemeinplätzen verstecken. So erfindet man zu schon bestehenden Irrlichtern wie "Null-Wachstum" und "Sondervermögen" immer noch mehr Schwurbulierungen!
Jede Diktatur erfand ihre eigene Sprache: das III. Reich (nachzulesen in "LTI" von Viktor Klemperer) und die "Sprache der Aktuellen Kamera" (Stefan Heym!). Eigentlich soll Sprache erhellen und erklären, aber manche Politiker benutzen und verfälschen die Sprache, um die "Untergebenen" hinters Licht zu führen. Die Gender-Sprache gehört auch dazu!

Günter Johannsen | Di., 24. Januar 2023 - 18:37

Antwort auf von Günter Johannsen

Dass die Grün-Linken Genossen die Hauptrolle dabei spielen, war klar. Dass aber die CDU auch eine wesentliche Rolle übernehmen, hätte ich so nicht erwartet … und es beschämt und verärgert mich maßlos, weil es ein schäbiger Rückfall in Merkels Nach-Links Modernisierungs-Zeiten ist! Von CDU/CSU erwarte ich jetzt eigentlich, dass sie zu ihrem Markenkern (Bewahrend - Konservativ) stehen und den Grün-Linken Kommunisten nicht in den Ar… kriechen, sondern kräftig in denselben treten! Muss ich nun doch wieder AfD wählen?!

Ernst-Günther Konrad | Di., 24. Januar 2023 - 08:48

Obgleich ich Waffenlieferungen jeder Art für falsch halte, zeigt mir die derzeitige Situation, dass es Olaf Scholz wohl auch um Zeitgewinn geht. Wofür? Das mag jeder selbst beurteilen. Ob es noch andere Gründe gibt, die er nicht sagen kann/will? Auch da kann man trefflich streiten. Hat er Angst vor der Entscheidung? Möglich. Sagt er zu schnell ja, hat er die äußerst linken in der Partei gegen sich, droht ihm ein ähnliches Schicksal wie seinen SPD-Vorgängern. Sagt er nein, riskiert er womöglich die Ampel. Hat er ganz persönliches Wissen, dass ihn hindert oder ist er einfach nicht davon überzeugt zu liefern? Wird er am Ende unter Druck von außen gesetzt? Gar von Putin, der etwas über ihn in der Hand hat? Noch lavieren sich Kanzler und Pistorius durch eine mögliche Entscheidung hindurch. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
Die UNION wittert Morgenluft und fordert FDP und GRÜNE zum Koalitionsbruch auf, bietet Jamaika an. Tja Olaf, das mit der Zeitenwende funktioniert eben nicht so wie gedacht.

Maria Arenz | Di., 24. Januar 2023 - 10:29

und größter Not ist der Mittelweg der Tod. Was um Himmels Willen glaubt Scholz mit seinem Schleiertanz zu erreichen? Alle Welt sieht nur noch peinliche Blöße. Hat er Angst vor der gestrengen Frau Esken, will er es sich mit Russland nicht ganz verderben oder sitzen in Moskau am Ende wirklich Leute, deren "Expertise" in Sachen Wirecard er fürchtet? Der Krieg in der Ukraine wird JETZT entschieden und seine seitherigen "Schlumpfereien" haben sich als durchsichtige Manöver erwiesen. Nachdem die Frage, die jetzt zu entschieden ist, auch für jeden halbwegs Vernünftigen seit einem Jahr auf dem Tisch liegt, also lange genug Zeit zum Panzer zählen und ggf.reparieren war und er wohl selbst nicht galubt, daß die Benelux-Länder uns von Westen her überfallen werden, wenn wir Panzer nach Osten schicken, muß Scholz seine wirklichen Gründe endlich offenlegen. Bin kein Fan von Klingbeil, aber er tut mir angesichts des unverantwortlichen Gezickes von Scholz allmählich wirklich leid

Hans Schäfer | Di., 24. Januar 2023 - 15:23

Antwort auf von Maria Arenz

Sie, die sein Verhalten für Gezicke halten oder die, die ihm beipflichten.
Die gibt es auch!

Ich bin kein Freund von Scholz, gestehe ihm aber zu, mehr Überblick als Sie und ich zu haben. Er muss entscheiden, nicht Sie oder ich und die Verantwortung dafür tragen.
Warum fragt man nicht, wie der Schauspieler und Marionette der USA dazu kommt, in diesen unverschämten Ton mehr Waffen von uns zu verlangen.
Er und Sie verlangen das Scholz seinen Forderungen nachkommt.
Die Risiken, die damit für das deutsche Volk verbunden sind, sind unkalkulierbar.
Aufgabe von Schoz ist es, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
Wer glaubt, dass mit dem Leo der Krieg gegen R. von der UK gew. wird, ist mit dem Klingelsack gepudert. Das ist nur, wenn überhaupt, möglich, wenn die Nato mit Soldaten eingreift. Das bedeutet III. Weltkrieg. Wollen Sie das?
Es heisst doch, P. kann nicht mehr zurück. Meinen Sie, das Einigkeit des Westen - die noch nie erreicht wurde- ihm zur Aufgabe zwingen würde.
Ich nicht!.

Hans Schäfer | Di., 24. Januar 2023 - 10:44

Die im BT sitzenden Männer, Frauen, Diverse sind unsere Vertreter. Gewählt oder von der Partei bestimmt auf der Grundlage der Parteiprogramme, mit denen sie sich am Wahltag zur Wahl gestellt haben. Wenn auf Grund globaler politischer Entwicklungen während der Wahlperiode Entscheidungen von „existenzieller“ getroffen werden müssen- wie zur Zeit- bei der es um nicht weniger als um Leben und Tod geht, die zwangsläufig, nicht durch P-Programme abgedeckt sein können, muss das Volk gefragt werden. Wann und in welchen Fällen das Volk gefragt werden muss, ist von einer repräsentativen „Expertengruppe „auszuarbeiten.
<<…– gebe es „keine Entscheidung für ein Nein“. Kein Nein ist aber auch kein Ja, darf der geneigte Interpret schlussfolgern…. mit den „Roten Linien“, die gebe es auch nicht, sagt Klingbeil. Aber was bleibt, wenn es keine Roten Linien gibt? Freie Fahrt für Panzer? ..>>

Nur Geschwurbel und Uneinigkeit. Kann man ihnen zutrauen eine gute Entsch. zu treffen?
Ich sage NEIN!