Sarrazin, Tellkamp
Thilo Sarrazin und Uwe Tellkamp bei der Buchvorstellung im Haus der Bundespressekonferenz / dpa

Buchvorstellung „Die Vernunft und ihre Feinde“ - Sarrazin im Tellkamp’schen Schwarzlicht

Das neue Buch von Thilo Sarrazin soll ein fundierter Appell für mehr Vernunft sein, gegen alles Ideologische. Vorgestellt wurde es von dem emotionsgeladenen Sprachkünstler Uwe Tellkamp. Die vermeintlich Seelenverwandten boten hingegen ein Schauspiel der pointierten Gegensätzlichkeiten.

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Der belletristische Schriftsteller Uwe Tellkamp hat heute fulminant dem Sachbuchautor Thilo Sarrazin die Show gestohlen. Und doch lagen in dieser Paarung verschiedene Pointen. Tellkamp sollte auf Sarrazins neues Buch „Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens“ die Laudatio halten. Doch Tellkamps Rede im Haus der Bundespressekonferenz geriet zu einer wuchtigen wie witzigen Gegenwartsanalyse, zu einer Art literarischem „Spitting Image“ deutscher Gegenwart und ihres politischen Personals. Sarrazin war dagegen nüchtern, fast brav.

Nach dem Krieg mussten die Leute „fringsen“, jetzt sei alles noch schlimmer, sie würden „habecken“, so eine von Tellkamps sprudelnden Wortspielereien. „Habecken“ hieße, sich auf den Notstand einstellen, eine Axt kaufen fürs Brennholz und ein Radio mit Kurbel für den Stromausfall. Und es werde mächtig „gebaerbockt“ in der politischen Klasse, so Tellkamp, während der Kanzler nur „herumscholzen“ würde, will sagen: schönreden beziehungsweise schweigen. Und sonst werde mal lauter und mal leiser „gelauterbacht“. Tellkamps ehrliche Wut und seine kabarettistisch anmutenden Übertreibungen sind wahlweise erschreckend oder unterhaltsam, aber auf jeden Fall sind sie das Gegenteil von Sarrazin. Das war der eigentliche Witz.  

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Wolfgang Jäger | Mo., 22. August 2022 - 17:22

Sarrazin kann sich die Altersmilde leisten.
Seine haarscharfen Analysen sind mindestens zu 90% bereits von der Realität überholt. Vernunft? Braucht das noch jemand in diesem Land, wo Emotion, Hysterie, woke Ideologie und links-grüner Aktivismus die Transformation in beängstigender Geschwindigkeit vorantreiben? "Deutschland schafft sich ab" ist ja schon längst Realität. Bloß keiner will es wahrhaben. Man muss einfach nur mal aus der Wohlfühlblase heraus und auf die Straßen der Städte und im ÖNV schauen. Das Land wird einem immer fremder. Sarrazin appeliert an die Vernunft. Er erinnert an den Geist der Aufklärung. Wir haben inzwischen viele im Land, die gar nicht wissen, wovon da die Rede ist bzw. die uns eine Kultur ins Land bringen, die so gar nichts mit aufgeklärtem Denken zu tun hat. So geht das immer weiter. Sarrazin und Tellkamp haben wie kaum andere erfasst, was in diesem Land abgeht. Jeder auf seine Weise. Einsame Rufer in der Wüste. Ironie ist keine adäquate Würdigung!

Alexander Brand | Di., 23. August 2022 - 12:42

Antwort auf von Wolfgang Jäger

Ich verfolge Sarrazin seit der Veröffentlichung seines ersten Buchs, wie Sie es richtigerweise schrieben haben sich große Teile seiner von der Linksgesellschaft so verschmähten Aussagen/Prognosen bereits bewahrheitet. Wer es sehen will, der sieht es!

Ich lebe in einer Mittelgroßen Stadt und gehe alle 6 Monate in die Fußgängerzone um von Mal zu Mal in zunehmendem Maße festzustellen, daß das was Linksgrün aus diesem Land gemacht hat nicht mein Land ist. Es ist auch kein Land der christlichen-abendländischen Kultur, Werte, Normen und Tradition mehr, es ist zunehmend ein undefinierbar grauer Brei in dem unsere Kultur keinen Platz mehr hat, genauso wie es Linksgrün immer wollte!

Ich frage mich dabei, ob die linksgrünen Multi-Kulti-Apologeten begreifen, daß der Niedergang unserer Kultur gleichzusetzen ist mit ihrem eigenen Niedergang, denn der graue Brei ist das Gegenteil von Linksgrün - sie Sägen voller Freude und Überzeugung den Ast ab auf dem sie sitzen! Blöder geht’s nicht!

Gerhard Lenz | Mo., 22. August 2022 - 18:36

Ach was tun mir die Schenkelchen weh, vor lauter Klatschen!

Da sprüht einer vor Einfallsreichtum, der Witz offenbart geistige Höhen, aus denen man selbst die Zugspitze nur noch als winzigen Punkt entdecken könnte. Da wirkt im Vergleich selbst der jeckigste Fasenachts-Jeck wie in dröger Tagesschau-Sprecher. In die Bütt gehört er, allerdings in jene, in der vor jaulendem Patriotentum die deutsche Auferstehung beschunkelt wird.

Tellkamp, sicher ein begnadeter Schriftsteller, hat sich in die Niederungen albern-infantiler Häme begeben. Nein er hat sich nicht dorthin verirrt, er ist freiwillig abgestiegen. Was nicht wundert: Seit einiger Zeit hat er seine Vorliebe für neu-rechtes Denken entdeckt, klingt seitdem wie ein poetische Hoecke-Kopie. Keine Frage: Tellkamp wäre an jedem AfD-Stammtisch willkommen.

Und Sarrazin? Der parteipolitisch Heimatlose, ideologisch gleichwohl stramm-rechts im Schritte, kann keinen mehr begeistern. Sein Name steht nicht mal mehr für besondere Autorität.

"...Und Sarrazin? Der parteipolitisch Heimatlose, ideologisch gleichwohl stramm-rechts im Schritte, kann keinen mehr begeistern. Sein Name steht nicht mal mehr für besondere Autorität..."

Das träumen Sie aber nur Herr Lenz. Die Bücher von Sarrazin stehen seit Jahren und das jahrelang auf der Spiegel-Bestsellerliste, was für seinen Erfolg und seine Autorität spricht. Und daß Sie mit dem feinen Humor von Tellkamp nichts anderes anzufangen wissen, als ihn zu infantilisieren, da Sie ihn als "neurechts" (was ist das für Sie eigentlich?) abstempeln, verwundert mich bei Ihnen nicht. Hier könnten Sie was lernen.

Christa Wallau | Mo., 22. August 2022 - 19:29

Und wer kann einen totalen Gefühlsmenschen täglich ertragen?
Es ist doch meistens so, daß sich beides - Ratio u. Emotionalität - bei einem besonders angenehmen, verträglichen und sozial anerkannten Exemplar der Gattung "homo sapiens" einigermaßen die Waage halten.

Wenn dies nicht der Fall ist (Das kommt allerdings häufiger vor), ist es sinnvoll, daß der einseitig ausgerichtete Mensch sich einen Partner sucht, der - im Gegensatz zu ihm - die konträre Einseitigkeit aufweist.
So kann es auch nur von Nutzen sein, wenn der staubtrockene Sachbuchautor Sarrazin u. der emotionsgeladene Romancier Tellkamp sich zusammentun, um die Situation in Deutschland zu beleuchten. Inhaltlich sind sie sich ja ziemlich einig - nur die Art ihrer Darstellung ist verschieden.

"Feinde der Vernunft" (Sarrazins neues Buch) sind weniger Emotionen als vielmehr starre Glaubenslehren (Ideologien), die es untersagen, daß jemand sie hinterfragt.
Ein Fanatiker ist schlimmer als jeder Rationalist o. Gefühlsdusel.

Günter Johannsen | Mo., 22. August 2022 - 19:42

Da hat er sehr recht. Thilo Sarrazin ist ein oft - und mit Fleiß - falsch verstandener kluger Kopf.
Er hat Weitsicht und bleibt dabei auf dem Boden der Tatsachen, ohne eine Drohkulisse aufzubauen ... wie manche Genossen, die gern den Habitus des "Betreuten Denkens" herauskehren!
Er warnt zu recht vor ideologisierter Impfgegnerschaft, die viel Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt. Die AfD hat sich für mich leider zu sehr an die Impfgegner und Querdenker drangehängt. Ich denke, das war ein großer Fehler. Auch Prof. Dr. Jörg Meuthen anzufeinden und raus zu mobben war ein großer Fehler. Das hat mir und vielen anderen AfD-Sympathisanten ganz und gar nicht gefallen. Für mich ist damit eine gute und echte Alternative nicht mehr ausreichend glaubwürdig. Leider!
Was man sonst wählen kann?
Ich wähle jetzt das geringere Übel: das ist für mich inzwischen die CSU in Bayern. Die Hoffnung stirbt zuletzt: also wähle ich CDU/CSU, um das Schlimmste (LINKE/Grüne/SPD) zu verhindern!

Fritz Elvers | Mo., 22. August 2022 - 20:11

"Der junge Häuptling Winnetou" wird nicht erscheinen. Der Verlag hat das Werk zurück gezogen.

Kann Sarrazin das nicht auch?

christoph ernst | Mo., 22. August 2022 - 21:43

aber Tellkamps Wortwitz ist gar nicht so exotisch: 'Abscholzen' oder 'Lauterbachereien' sind schon öfter an meine Ohren gedrungen. 'Baerbocken' drängt sich auch auf. Nur 'Habecken' kannte ich noch nicht. Aber das kann man nach dessen und deren jüngster Drängelei an fremder Leute Waschtische auch gleich durch 'Günthern' und 'Kretschmännern' ergänzen.
Dem Leitmotiv des Buches ist viel Erfolg zu wünschen, allerdings geht mir angesichts Habecks jüngster Exegesen zur Energie da die Hoffnung aus. Wenn 'die Verschwörung der Idioten' mit solchen Kompetenzbolzen Ringelrein tanzt, flüchten Herr Hopfen und Frau Malz. Dann schon lieber einen genuinen Eso-Recken wie Anselm Grün oder einen dekorativen Zeitgeist Dekonstrukteur wie Richie Dee Pee.

Brigitte Miller | Di., 23. August 2022 - 08:05

"Impfen sei rational richtig, der gesunde Menschenverstand sage einem das, sagte Sarrazin und warnte vor ideologisierter Impfgegnerschaft"
Angesichts der unsäglichen Vorgänge , Atemwegsinfektion zur Killer-Pandemie aufblasen, Pushen eines ungenügend geprüften Stoffes, nie dagewesene Impfschäden (man schaue bei VAERS nach und das sei nur die Spitze des Eisbergs, sagen seriöse Ärzte) nie dagewesene Freiheitseinschränkung des Bürgers, Zerstörung von Existenzen, wundert es mich, dass ein Vetreter der Vernunft wie Herr Sarrazin so gar keine Zweifel hat. Der Zweifel gehört zur Vernunft und auch zur Wissenschaft unabdingbar dazu.

und was Impfungen angeht, hat er das. Wer selbst, wie ich, Menschen kannte, die an Corona verstorben sind, kann Gerede über eine angeblich "harmlose Atemwegserkrankung" nicht für voll nehmen. Wahrscheinlich sind auch die Opferzahlen der einschlägigen öffentlichen Stellen (Johns Hopkins, RKI usw) alle falsch, dienen nur der Manipulation oder um dem "Great Reset" zu dienen.

Und dann sind da ja noch die Statistiken über angebliche Impfschäden: Die kann bekanntlich jeder berichten. Besonders Querdenker oder Querdenkerärzte, die nicht geimpft wurden bzw. haben, sind dabei besonders fleißig, wie man weiß, manchmal wohl auch mehrmals, was den gleichen Fall angeht - wenn es um mehrere, angeblich durch Impfungen verursachte Schäden geht.
Wissenschaftlich muss es nicht sein: Erkrankt jemand nach einer Impfung, muss diese Ursache sein. Völlig Umwölkte haben sogar "herausgefunden", dass Impfungen Corona "begünstigen". Dem Wahnsinn ist keine Grenzen gesetzt.

Selbst Sarrazin weiß das.

Gabriele Bondzio | Di., 23. August 2022 - 08:36

Fakten und Emotionen sauber zu trennen ist gänzlich unmöglich. Zumal die Vita der Beiden sehr unterschiedlich verlaufen ist.

Fakt ist zunächst, das die von Grünen und Grünlichen beschworene Energiewende, voll in die Hose gegangen.
Oder wie Tellkamp richtig bemerkt: "...eine Axt kaufen fürs Brennholz und ein Radio mit Kurbel für den Stromausfall."
Das ist Realität, liebe Leute. Sehe es täglich-wie die Bürger sich selbst helfen. Bei all den Unabwägbarkeiten und groben Fehlern aus politischen Kreisen.

Wer den bekannten Roman "Der Turm" gelesen hat, kann sich in Tellkamp´s (den Ostdeutschen allgemein) Gefühlswelt ganz gut reinversetzen.

Das in diese Verhältnisse keiner (der sie bewusst erlebte) zurückwill, ist auch ein Fakt getränkt von Emotionen, die nicht positiv sind.
Nicht zu leugnen, weil sich die Anzeichen mehren, dass wir auf ein ähnlich-autoritäres Gebilde wie die DDR zusteuern.

"Wer ein Umfeld schafft,
wo Menschen Angst haben. Fehler zu machen,
der verhindert Wachstum."