- In Europa lauern schon Tsipras' Fans
Kolumne: Leicht gesagt. Der Erfolg von des griechischen Syriza-Chefs Alexis Tsipras könnte in den Euro-Krisenländern viele Nachahmer finden. In Frankreich, Italien und Spanien sammeln sich schon die Gegner des strikten deutschen Sparkurses
Es sagt sich leicht, die Wahl in Griechenland ändere nicht wirklich etwas am eingeschlagenen Kurs. Tatsächlich kann Deutschland in Fragen eines Schuldenschnitts nicht überstimmt werden, weil bei solchen Entscheidungen das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Das Veto der Deutschen also könnte alles aufhalten. Infrage jedoch steht nun die europäische Haltung zu Angela Merkel.
Griechenland ist der erste EU-Staat, in dem ein selbsternannter Gegner Merkels zum Regierungschef gewählt wurde. Man kann sogar sagen: Ohne das Feindbild Merkel wäre Tsipras nie an die Macht gekommen. Sein Sieg wird von gleichgesinnten Oppositionellen Europas gefeiert.
Aber er findet auch offene Unterstützung von Merkels wichtigstem EU-Partner: Paris jubelt. Die Partei des Präsidenten Hollande, die PS, sieht durch Tsipras‘ Aufstieg eine Schlacht „gegen die Austerität“ geschlagen, also die Sparpolitik Merkels. „In Alexis Tsipras haben wir einen neuen Verbündeten gefunden“, verkündet die Parteiführung.
Wahlkampf mit Anti-Merkel-Stimmung gewonnen
Der Neue am Tisch der Euro-Staaten scheint also keineswegs unwillkommen. Merkel selbst hofft, wie sie Tsipras schrieb, „dass die Zusammenarbeit mit Ihnen die traditionell gute und tiefe Freundschaft zwischen unseren Völkern weiter festigen und vertiefen möge“. Eine diplomatische Floskel, der jedoch die Mahnung folgt: „Sie treten Ihr Amt in einer schwierigen Zeit an, in der Sie vor einer großen Verantwortung stehen.“
Seitens der Kanzlerin gibt man sich entspannt. Auch Tsipras‘ Vorgänger, der soeben abgewählte Samaras, habe seinen Wahlkampf mit Anti-Merkel-Stimmung geführt – und sei dann im Amt auf den Reformkurs eingeschwenkt. „Wir spüren in manchen Ländern Südeuropas, dass populistische Strömungen rechts außen wie links außen Stimmung machen. Aber die Regeln der Ökonomie gelten weiterhin“, sagt Peter Hintze, einer der wichtigsten Kommunikatoren Merkels innerhalb der EU. „Angela Merkel ist in Europa die Vertreterin des Vernunftprinzips. In der Tiefe ihres Herzens wissen auch die Populisten, dass die Vernunft letzten Endes Recht bekommt.“
Andere Parteifreunde drohen offen. Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), prophezeit, was den Griechen widerfahren würde, wenn sie sich nicht an die Verträge ihrer Vorgängerregierung halten: „Wenn sich eine Partei sozusagen von den bestehenden Vereinbarungen, von bestehenden Verträgen löst, würde sich natürlich die andere Vertragspartei daran auch nicht mehr gebunden sehen. Mit anderen Worten: Dann würde tatsächlich die Hilfe versiegen. Das würde zumindest bedeuten, dass Griechenland seine eigenen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen könnte, keine staatlichen Renten mehr bezahlen könnte, auch keine Gehälter mehr an Polizisten, an Krankenschwestern.“
Linksruck in Europa?
Finanzminister Schäuble hat den selben Inhalt als gut gemeintes Hilfsangebot an die Griechen verpackt. Aber natürlich sieht die Kanzlerinnenpartei nun ihre Chefin unter Druck an vielen Stellen Europas.
In Frankreich, Italien und Spanien sammeln sich die Gegner einer strikten Fiskalpolitik. Italiens Außenminister Gentiloni spricht von einer Kraftprobe zwischen Sparen und Flexibilität – und meint damit, dass Sparen auch weniger rigoros gelänge.
In Spanien wartet mit Pablo Iglesias bereits der nächste Tsipras auf das Regieren. Er ist Generalsekretär der spanischen Linkspartei Podemos („Wir können es“). Laut Umfragen könnte er den angeschlagenen Ministerpräsidenten Rajoy tatsächlich ablösen bei der Wahl Ende des Jahres. An diesem Samstag wollen seine Anhänger mit einer Großdemo in Madrid bereits ganz Spanien ihre Stärke zeigen.
Linken-Fraktionschef Gysi sieht bereits den Linksruck für ganz Europa, zu dem Merkels Sparpolitik geführt habe. „Und damit ist natürlich auch das Ansehen von Frau Merkel in Europa zumindest zurückgegangen“, freut sich Gysi.
Tsipras wird in Frankreich, Italien und Spanien salonfähig
In einem könnte Gysi Recht haben: Der Kreis der Unterstützer für die Bundesregierung in Europa wird kleiner. Schon das umstrittene EZB-Programm zum Kauf von Staatsanleihen im Billionen-großen Stil wird den Reformdruck auf Regierungen senken.
Tsipras vertritt Positionen, wie sie auch unter Europas Entscheidern bereits salonfähig sind. Er jedoch tritt extremer auf, lauter. Die Melodie aber ist ähnlich: Der scharfe Sparkurs würge die Wirtschaft ab, treibe die Arbeitslosigkeit in die Höhe und – wie Tsipras selbst beweist – stärke die Radikalen. Für die Regierung Merkel wird allzu deutlich, dass einige Euro-Länder auf Syriza-Wind für einen Kurswechsel hoffen.
Doch käme er tatsächlich, gäbe die Kanzlerin sichtlich diesen Wünschen nach, hätte sie ein Problem: Populisten würden stark und stärker – in Deutschland vor allem die rechts der Union.
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