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Deutsch-russische Konfrontation - Entspannung heißt auch Abschreckung

Kolumne: Leicht gesagt. Frieden mit Putin ist möglich. Die Ukraine muss nur auf dem Weg Richtung Nato umkehren und möglichst auch freiwillig die Krim ziehen lassen. Das hält mancher deutsche Politiker für eine Lösung ganz im Sinne der guten, alten Entspannungspolitik. Doch daraus könnte weit mehr werden: der Anfang vom Ende der Nato

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich so leicht, dass Entspannung mit Russland bei etwas gutem Willen doch hinzubekommen sein muss. Haben wir Deutschen das nicht mitten im Kalten Krieg bewiesen?

Kanzler Willy Brandt und KPdSU-Chef Leonid Breschnew gemeinsam auf einer Bootstour – diese Bilder wärmten viele Herzen einer Generation, die den Zweiten Weltkrieg noch miterlebt hat. Entstanden waren diese Aufnahmen vor 43 Jahren ausgerechnet auf der Krim.

Vor allem wegen der Krim wird die Ostpolitik dieser Tage von neuer Kälte beherrscht. Die SPD hatte das so nicht erwartet. Als die Große Koalition ihre Arbeit zu Jahresbeginn gerade begonnen hatte, schien Außenminister Frank-Walter Steinmeier an seine vorherige Russlandpolitik anknüpfen zu wollen. Weiter so, wie er schon in der großen Koalition von 2005 bis 2009 die Gegenhaltung Merkels zu Präsident Putin bezogen hatte. Er warnte vor rigorosem Auftreten, um die Russen nicht als mögliche Partner bei anderen Konflikten auf der Erde zu verprellen.

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Mit der faktischen Annexion der Krim durch Russland änderte sich diese Haltung seitens Steinmeier. Vehemente Anhänger von Brandts Ostpolitik erinnerten einander daran, dass schon die damalige Entspannungspolitik nur eine Seite derselben Medaille gewesen sei, deren Kehrseite immer geheißen habe: Abschreckung! Realpolitiker der SPD wie Schmidt stritten bis über das Ende ihrer Regierungszeit dafür, dass Deutschland buchstäblich gerüstet war gegen die Kreml-Herrscher.

Platzecks Krim-Vorstoß war undiplomatisch


Insofern stimmt es nicht mehr, dass Steinmeier und Merkel grundsätzlich unterschiedliche Standpunkte in der Russlandpolitik bezögen. Deutschland stellt sich offenbar auf eine sehr lange politische Eiszeit ein. Steinmeier sagte dem ZDF, bei diesem „wirklich schwerwiegenden Konflikt“ könne Entspannung auch nach über einem Jahrzehnt nicht sichtbar sein.

Andere haben schnelle Zugeständnisse gefordert. Der frühere SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck, der etwa zeitgleich mit Beginn der Krim-Krise Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums geworden ist, wollte die Annexion der Krim nachträglich völkerrechtlich geregelt sehen. Sein Ziel mag einzig die schnelle Entspannung gewesen sein.

Damit hatte Platzeck allerdings bewiesen, dass er politische Führungskunst nicht beherrscht. In der Politik gilt es, eine Tür erst zu öffnen, wenn die anderen direkt davor stehen. In der Krim-Frage schleicht die Diplomatie noch auf den Fluren. Platzecks panischer Ruf nach Anerkennung hat vorerst alle verjagt: „moralisch indiskutabel“ – „Appeasement“ – „seltsam und deplatziert“ jaulten Medien wie Politik laut auf und rannten davon.

Platzecks tumbes Handeln zeigt noch etwas anderes: In der Politik kommt es nicht immer darauf an, was gefordert wird, sondern, wer es wie vorschlägt. Denn Platzeck war nicht der erste, der die Krim für verhandelbar hielt.

Anfang Oktober hatte sich in Wien das Deutsch-Ukrainische Forum getroffen. Bereits dort ist eine im Kern sehr ähnliche Idee entstanden, wie die Krim-Krise zu lösen sei. In der achten von 15 Thesen zur Lösung des ukrainisch-russischen Streits steht geschrieben: „Der völkerrechtswidrige Zustand der Besetzung der Krim kann nur durch eine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland überwunden werden, die international bestätigt und garantiert werden soll.“ Was auch nichts anderes bedeutet als: die Sache nachträglich regeln und für alle hinnehmbar machen. Hier jedoch blieb ein Aufschrei aus.

Selbst Kiew würde über die Krim verhandeln


Denn neben hochmögenden deutschen Politikern wie Peer Steinbrück und Elmar Brok haben dieses Memorandum auch Ukrainer unterzeichnet, die keineswegs als Putin-Versteher gelten: Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, der Ex-Präsident aus Zeiten der orangenen Revolution Viktor Juschtschenko und sogar eine Beraterin des jetzigen Präsidenten Poroschenko.

Dieser „Runde Tisch“ zu Wien war auch nur einer von vielen Politiker-Zirkeln, der Schlichtungsmöglichkeiten auslotet. Er zeigt jedoch exemplarisch, wie die Krim längst hineingelegt worden war in mögliche Verhandlungspakete; und zwar so tief, dass öffentlich über sie kaum mehr gesprochen wurde.

Nun aber, nachdem Platzeck das heikle Thema mit Wucht hervorgezerrt hat, muss sich Deutschland äußern. Steinmeier machte das im ZDF: „Es ist uns schlicht nicht erlaubt, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, die stattgefunden hat, zu ignorieren, zu vergessen oder jetzt schlicht und einfach zu übergehen.“

Der Westen will Sanktionen, aber keinen Krieg


Aber mit keinem dieser Worte ist eine spätere Anerkennung ausgeschlossen. Selbst wenn sie ausgeschlossen würde: Westdeutsche Entspannungspolitiker haben bewiesen, dass sich auch ohne rechtliche Anerkennung der DDR friedlich Seite an Seite leben ließ. Insofern ist hier noch vieles möglich.

Vorerst wählt Deutschland jedoch den harten Weg, sprich: die Kehrseite der Entspannungspolitik. Das, was damals Abschreckung, sind heute Sanktionen. Die Androhung, sie zu verschärfen, entspricht der Nachrüstung. Anders allerdings als Putin lehnt der Westen Krieg als Druckmittel in diesem Konflikt kategorisch ab.

Gleichwohl hat die Bundesregierung auch Russlands Interessen im Blick, und zwar auf Kosten einer souveränen Ukraine. Deutschland warnt Kiew öffentlich davor, sich auf den Weg in die Nato aufzumachen. Denn damit würde nur „Öl ins Feuer“ gegossen, hier müsse Vernunft höher stehen als die durchaus verständlichen Sorgen der Ukrainer um ihre Sicherheit, sagt Steinmeier frei heraus.

Zugleich betont die Kanzlerin: „Das Ziel unseres Handelns ist eine souveräne und territorial unversehrte Ukraine, die über ihre Zukunft, nicht mehr und nicht weniger, selbst entscheiden kann.“ Doch die Nato-Mitgliedschaft, das sagen auch ihre Leute, ist damit nicht gemeint.

Putin könnte die Nato im Baltikum testen


Der deutschen Regierung wäre also am liebsten, die Ukraine würde wie in den letzten 20 Jahren auch von sich aus darauf verzichten, in die Nato zu wollen. Als hilfreich würde sicher auch empfunden, wenn die Regierung in Kiew selbst eine eher russische Zukunft für die ethnisch russische Krim anböte. So ließe sich friedlich leben in Europa.

Eine Gefahr allerdings bliebe: Russland, das damit sowohl die Krim wie eine neutrale Ukraine gewonnen hätte, könnte es noch weiter treiben. Mancher Außenpolitiker hält für denkbar, dass Putin sich am Baltikum versuchen könnte. Und das gar nicht mit dem Ziel, es annektieren zu wollen. Sondern nur um zu testen, wie die Nato reagiert.

Es ist keineswegs ausgemacht, dass Amerika und Europa dann wirklich Krieg ausriefen und Artikel 5 des Nato-Vertrags gelten ließen. Sterben für Tallin, Riga oder Vilnius? Keine Regierung des alten Westens hätte dafür eine Mehrheit. Da ließen sich doch dann besser irgendwelche föderativen Lösungen finden für Balten und Russen, Minderheitenrechte stärken, Zollbarrieren abbauen und so etwas.

Auch Putin will wahrscheinlich keinen Krieg. Aber er will die Nato los sein. Genau das hätte er dann erreicht – das transatlantische Verteidigungsbündnis wäre am Ende.

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