- Ermutigende Signale
Die Parlamentswahlen in Griechenland gewannen klar die Konservativen. Dabei war der Wahlkampf eher ein laues Lüftchen als ein politischer Schlagabtausch. Wie ist also die Wechselstimmung der Wähler zu erklären?
Die um vier Monate vorgezogenen Neuwahlen in Griechenland fanden unter besonderen Vorzeichen statt. Mitten in den Sommerschulferien und bei 40 Grad Celsius in Athen wurden die Klassenräume wieder aufgeschlossen, damit Griechen ihre Wählerstimmen abgeben konnten. Aber im Unterschied zu den klimatischen Bedingungen, war der zweiwöchige Wahlkampf eher ein laues Lüftchen. Kaum politische Kontroversen auf den Straßen, keine TV-Debatte der Spitzenkandidaten, wenig Wahlwerbung.
Für Wahlbürger ergab sich zudem die Qual der Wahl. Am Strand einen kalten Frappé trinken und das kühle Nass am Meer genießen, oder den verschwitzten Gang in die Wahlkabine antreten? Noch nie hatte eine Parlamentswahl im überhitzten Monat Juli stattgefunden. Es kam deshalb einem Akt politischen Durchhaltevermögens gleich, dass trotzdem 58 Prozent der Wahlbeteiligten ihr Stimme abgaben. Gleichwohl ist dieser Wert ein historischer Tiefstand bei Wahlen in Griechenland. Und dies, obwohl das Wahlrecht herabgesenkt wurde. Erstmals durften 17-Jährige an der Wahl teilnehmen.
Besonderheit des griechischen Wahlsystems
Der Ausgang des Urnengangs stellt keine Überraschung dar. Seit der Europawahl vor sechs Wochen, als die Regierungspartei Syriza von Premierminister Alexis Tsipras eine klare Niederlage einstecken musste, war erkennbar, dass sich Wechselstimmung im Land ausgebreitet hatte. Die größte Oppositionspartei, die konservative Nea Dimokratia (ND) unter dem Vorsitz von Konstantinos Mytsotakis führte seit Monaten in allen Meinungsumfragen. Nun ist ihm sogar an seinem griechischen Namenstag ein politischer Triumph gelungen. So hatte er doppelten Grund zum Feiern, denn der Namenstag spielt in Griechenland eine wichtige Rolle.
Die Besonderheit des griechischen Wahlrechts bringt es mit sich, dass der designierte neue Ministerpräsident mit lediglich 39,8 Prozent der Stimmen im Parlament über eine absolute Mehrheit der Sitze (158) verfügen wird. Als stärkste Partei erhält die ND einen Sitz-Bonus von 50 Angeordneten im 300-köpfigen griechischen Parlament. Dieses Privileg kam bei der gestrigen Wahl zum letzten Mal zur Anwendung.
Ab dem nächsten Urnengang gilt das reine Verhältniswahlrecht. Damit werden die Karten in der griechischen Politik neu gemischt, und künftige Alleinregierungen erschwert. Hierin ist aber auch absehbar, dass mit dem respektablen Abschneiden von Syriza – 31,5 Prozent der Wählerstimmen – mit einer starken Oppositionspartei zu rechnen ist, die sich für zukünftige Koalitionsoptionen in Stellung bringen wird.
Wechselstimmung bei den Wählern
Warum wurde die Regierung vom Premierminister Tsipras nach viereinhalb Jahren bei diesen Wahlen abgestraft? In dem Wahlergebnis spiegeln sich eine Mischung aus verlorener Hoffnung vieler Griechinnen und Griechen sowie die Sehnsucht nach Normalität in unsicheren Zeiten. Syriza, dem Parteinamen nach eine sogenannte „Koalition der radikalen Linken“ übernahm im Januar 2015 die Regierungsverantwortung und den Anspruch, alles anders machen zu wollen. In der Praxis sah das dann so aus, als ob in Deutschland der Frankfurter Asta nunmehr das Büro des Premierministers besetzte.
Statt Politikwechsel wurde ein drittes Rettungsprogramm im August 2015 vereinbart, die Sparpolitik fortgesetzt und der Klientelismus von Syriza unterschied sich kaum von dem der Vorgängerregierungen. Premierminister Tsipras hat das Ausmaß der Enttäuschungen und Verbitterung im Wahlvolk viel zu lange unterschätzt. Zahlreiche Bürger und Bürgerinnen, die sich noch bereit erklärten, wählen zu gehen, betonten in den vergangenen Wochen, dass sie sich eigentlich politisch links verorten, aber diesmal – erstmals in ihrem Leben – einer konservativen Partei die Stimme geben würden.
Neue Regierung, neues Glück?
Was ist nun von der neuen Regierung zu erwarten? Angesichts der ökonomischen Situation des Landes ist Vorsicht geboten und sollten Wahlversprechen möglichst konkret und umsetzbar dargestellt werden. Der designierte Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat noch in der Wahlnacht ein Plädoyer für mehr Wachstum und weniger Sparen hervorgehoben. Der finanzielle Spielraum der neuen Regierung in Athen ist allerdings begrenzt. Zunächst muss Kassensturz gemacht werden.
Um Steuererleichterungen durchzusetzen, müsste der Haushaltsüberschuss reduziert werden, den Griechenland aufbringen muss. Die Zielmarge von 3,5 Prozent Primärüberschuss (vor der Schuldentilgung) ist bis 2022 zwischen der griechischen Regierung und seinen europäischen Kreditgebern vertraglich festgelegt. Ein Entgegenkommen der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist durchaus möglich. Dafür müsste aber die neue Regierung in anderen Politikfeldern selbst finanziellen Handlungsspielraum schaffen, zum Beispiel bei den steckengebliebenen Privatisierungen, der Erweiterung der Steuerbasis sowie der Bekämpfung der legalen Steuerbefreiung und der illegalen Steuerflucht.
Es wäre allerdings voreilig, angesichts des klaren Wahlausgangs und des reibungslosen Regierungswechsels davon zu sprechen, dass Griechenland nun wieder ein „normales Land“ ist und die Krisenjahre Geschichte sind. Von einer Rückkehr zur Normalität kann vorerst noch keine Rede sein. Dafür sind die Einschnitte im öffentlichen Leben zu tief und nachhaltig. Lebensentwürfe sind für viele Mitglieder der Generation der heute Vierzigjährigen zusammengebrochen. Für viele junge Menschen bleibt weiterhin eher die Option, mit den Füßen abzustimmen. Sie verlassen das Land oder kehren seit Jahren nicht mehr zurück. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass diese junge Generation einen anderen Blick auf die inszenierte Erfolgsgeschichte hat.
Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit
Eine Mischung aus eiskaltem Pragmatismus, Zynismus und Resignation kennzeichnet die Gemütslage vieler Bürger. Die Einbrüche in der Realwirtschaft und die Traumata in der Gesellschaft wirken nach. Es wird noch lange dauern, bis die Wunden verheilt sind. Das etablierte Parteiensystem ist weitgehend kollabiert. Das Verhältnis zu Deutschland ist noch belastet, wenn auch mit weniger aggressiver Rhetorik. Der Blick vieler Griechen auf Europa ist nicht mehr so positiv besetzt wie noch vor Ausbruch der Krise 2009.
Aber die Wahlen haben auch etwas aufgezeigt, was in seiner Außenwirkung nicht zu unterschätzen ist: Die neofaschistische Partei „Goldene Morgenröte“, seit Mai 2012 im griechischen Parlament vertreten, ist mit 2,93 Prozent knapp an der Drei-Prozent-Hürde gescheitert. Damit haben die Wähler in Griechenland ein klares Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, politische Hassrhetorik und Leugnung der Vergangenheit gesetzt. Von Griechenland gehen auch solche ermutigenden Signale aus!
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Tsipras und seine Syriza sind einst angetreten mit dem Versprechen den Griechen die drastischen Folgen des Beinahe-Staatsbankrotts zu ersparen. Dabei wussten sie wohl, dass es ohne Hilfe der EU und der EZB zu einem wirklicher Staatsbankrott gekommen wäre.
In typisch linker Manier gaben sie am finanziellen Beinahe-Zusammenbruch der EU und insbesondere D die Schuld. Griechenland war nur das unschuldige Opfer böser Machenschaften.
Aber die griechischen Wähler sind ja nicht dumm (Sie können besser mit Geld umgehen als ihre Regierungen, was man allein daran ablesen kann, dass sie nur die Steuern zahlen, die sie zahlen wollen und nicht diejenigen, welche die Regierung bezahlt haben möchte).
Sie haben die falschen Versprechung durchschaut und anders gewählt.
Die grosse Mehrheit der Bürger hatte immer eine skeptisch-antagonistische Haltung zum Staat, weil der immer ausbeuterisch war und auch teilweise noch ist. Die Demokratisierung nach 1974 hat nur eine kleine Linderung gebracht, weil das alte Klientel-System nur zeitweise die Farben gewechselt hat, strukturell aber in der Rechtsordnung und Verwaltung wesentlich unverändert und strukturell korrupt blieb. Mitsotakis wird sicher nicht alles falsch machen, aber er wird das System wahrscheinlich nicht ändern.
Sozialisten übrig, aber Tsipras Strategie fand ich die ganze Zeit über unklug.
Es wäre zu einfach, dies nur auf die Zusammenarbeit mit Merkel zu schieben, bzw. die Idee, er könne sich auf sie alleine beziehen, die sich m.E. eifrigst um ihn bemühte, nein, er erklärte nicht, sondern attackierte und polarisierte m.E. zu stark.
Er gab sich für die EU einfach zu wenig Mühe.
Gleichwohl hat er ja nicht soviele Stimmen verloren, aber Gewinne erzielen vor allem Private eher in einem wohlmeinenden Umfeld, während sich von "Klassenkampf" evtl. """nur Frau Merkel nicht "abgestossen" fühlt"""?
Die Linke, ich sage lieber die gesellschaftliche Gruppe muss Zukunft denken können und zwar für alle und nicht nur die in ihrem Sinne richtig Denkenden kombiniert mit "Zwangsmassnahmen" oder "Umerziehung" für Andersdenkende, sprich Ausgrenzung.
Gesellschaft sind nicht nur die Linken.
Ich schreibe Herrn Tsipras und auch Herrn Varoufakis nicht ab, weder für Griechenland selbst, noch für Europa, die EU.