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(picture alliance) Darunter angeblich auch Panscherei: Aceto-Balsamico-Flaschen

Verbraucherschutz - Stiftung Warentest stößt sauer auf

Der Botschafter Italiens, das Kaufhaus Manufactum und die Stiftung Warentest streiten um die Qualität von Aceto Balsamico – ein Lehrstück über vermeintlichen Verbraucherschutz.
 

Das muss man erst einmal wissen: dass ein guter Essig tiefbraun, klar und leuchtend auszusehen hat, zumal ein ausgewachsener Aceto Balsamico di Modena, ein Balsamessig von besonderer Qualität. Fruchtig soll er riechen, zart und leicht, am besten mit leicht holziger Note. Vor allem aber muss er schmecken: süßsauer, ausgewogen, aromatisch – auf keinen Fall nach angebranntem Karamell. Oder noch schlimmer: muffig. Dann taugt er nicht als gutes Dressing für den Salat, verdirbt das beste Omelett und macht die Erdbeeren zu einem einzigen Igittigitt.

Von der Stiftung Warentest können eben auch Feinschmecker lernen. 22 Aceto Balsamico di Modena hat die Stiftung kürzlich in einem ihrer Test-Hefte unter die Lupe genommen, nur sechs erhielten die Note „gut“. Besonders heftig ins Gericht gingen Deutschlands angesehene Verbraucherschützer mit einem Essig von Giuseppe Giusti, einem Balsamicohersteller mit großer Tradition. „Er schmeckte einwandfrei, entpuppte sich im Labor aber als ärgerliche Mogelpackung“, schrieben die Prüfer über diesen Essig. Also ein „sehr gut“ im Geschmack als einziger Testteilnehmer, aber insgesamt ein „mangelhaft“ wegen „Panscherei“, wie die Bild-Zeitung sofort bereitwillig schrieb. Das Test-Urteil war harter Tobak – der der Stiftung aber so gut gefiel, dass sie ihn gleich auch noch für das Cover der ganzen Ausgabe nutzte: „Der große Bluff  – Balsamico im Test“ stand dann auf dem Titelblatt. Könnte man einen Krimi besser unter die Leute bringen? Oder die stolzen Italiener in und um Modena schneller auf die Palme?

Dabei ist die Essiggeschichte nur ein weiterer Beweis dafür, wie groß die Macht der Stiftung Warentest ist. Geht ihr Daumen bei einem Produkt nach oben, brüsten sich die Hersteller damit und zieren Milchtüten, Waschmaschinen und Versicherungspolicen mit dem weiß-roten Logo, dem „t“. Geht der Daumen aber herunter, lautet das Urteil gar „mangelhaft“, dann verschwindet die Ware oft über Nacht aus den Regalen. Hans Raffée, Marketingprofessor und über viele Jahre Mitglied im Verwaltungsrat der Stiftung, sagt es so: „Nur Unternehmen mit schwachen Leistungen müssen die Stiftung fürchten.“ Und nicht nur die: Öko-Test, die große, ungleiche Konkurrentin, bringt gar Beamte auf Trab. Das Verbraucherschutzministerium verbot im März den Verkauf von Babyfläschchen, bei deren Herstellung der Schadstoff Bisphenol A verwendet wurde. Öko-Test hatte gezeigt, dass sich das Gift aus den Flaschen herauslösen kann.

Manches Urteil ist wie ein Fallbeil. „Als wir die Ergebnisse der Stiftung erfuhren, waren wir natürlich sehr erschrocken“, berichtet Manfred Ritter, der Geschäftsführer von Manufactum, jenem anspruchsvollen Warenhaus, in dem der angeblich so miese Essig von Giusti für schlappe 49 Euro zu haben ist. Ritter reagierte: Er nahm die Ware zunächst aus dem Regal, um die Kunden zu schützen. Ob er von Giusti vielleicht tatsächlich übers Ohr gehauen worden war?

Ritter bat die Italiener jedenfalls um Erklärung. Es ging um Säuregehalt und -herkunft, um Rückstände aus Eisen, Zink und Blei, um das schön-altmodische Etikett und, kurz gesagt, darum, ob die Flasche vor oder nach 2009 abgefüllt worden war, jenem Jahr, in dem der Aceto Balsamico di Modena von der EU besonders geschützt wurde. Dann fasste Ritter einen ungewöhnlichen und mutigen Entschluss: „Bei genauerem Hinsehen haben wir festgestellt, dass die Stiftung Warentest in diesem Fall übers Ziel hinausgeschossen ist.“ Also nahm er den Essig wieder ins Sortiment auf.

Leicht ist es nicht, den Warentestern Paroli zu bieten. Auch wenn der ein oder andere das versucht: Immerhin rund zehn Prozesse werden jedes Jahr gegen die Stiftung geführt. In der Regel fallen die Kläger auf die Nase, wie Uschi Glas, die vergebens um den Ruf ihrer Hautcreme kämpfte. Franz Beckenbauer raunzte kaiserlich, als die Tester vor der Fußball-WM an Deutschlands Stadien herummäkelten. Und auch Manfred Ritter, der Manufactum-Chef, argwöhnt: „Gute Nachrichten allein verkaufen sich schlechter. Auch die Stiftung Warentest hat wirtschaftliche Interessen und ist nicht ausschließlich im Sinne der Aufklärung zugange.“

Doch er ist vorsichtig. Schließlich geht es um eine heilige Kuh der Deutschen: Das Umfrageinstitut Forsa ermittelte einmal, dass sage und schreibe 94 Prozent aller Bundesbürger die Stiftung dem Namen nach kannten. Und dass sie 78 Prozent für vertrauenswürdig hielten – Polizei, Deutsches Rotes Kreuz und Greenpeace lagen abgeschlagen dahinter; Kirchen und Wirtschaftsunternehmen sowieso. Dabei ist die Stiftung keine Behörde, auch wenn viele sie dafür halten: Sie wurde zwar 1964 vom Deutschen Bundestag errichtet, auf Initiative von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, der den Verbrauchern bei ihrem Gang durch die Supermärkte väterliche Orientierung geben wollte – das war noch vor der Globalisierung, der Waren­dschungel war längst noch nicht so dicht wie heute. Damals wurde die Stiftung vom Bund zu fast 100 Prozent finanziert und musste im Gegenzug auf Anzeigen in ihren Heften verzichten. Doch: Inzwischen belaufen sich die Zuschüsse nur noch auf rund vier Millionen Euro im Jahr, das sind rund 10 Prozent des Etats.

Zum Ausgleich erhöht der Bund langsam das Stiftungskapital. So wollen die Tester finanziell unabhängig werden – vom Bundeshaushalt und von den Wünschen des jeweiligen Verbraucherschutzministers. Mit Grausen erinnert man sich bei der Stiftung noch an die Zeit, als der zuständige Minister Werner Müller hieß. Der Mann, er war parteilos und saß unter Schröder im Kabinett, wollte den staatlichen Geldhahn einfach zudrehen. Renate Künast, grüne Verbraucherschutzministerin, soll den Prüfern später mit Umweltthemen auf die Nerven gegangen sein.

Mehr und mehr agiert die Stiftung wie ein richtiges Unternehmen, und das muss auch Geld verdienen. „Wir wollen nicht nur aufklären, es geht auch um unseren wirtschaftlichen Erfolg. Das ist doch legitim“, sagt Werner Brinkmann, der als Alleinvorstand die Geschäfte leitet. Er sitzt vor einer Bücherwand voller Gesetzestexte und juristischer Fachzeitschriften, in einem Raum der Stiftung am Berliner Lützowplatz. Mit seiner großen Brille und den kleinen, funkelnden Augen hat er wirklich etwas von einem Daniel Düsentrieb. Brinkmann ist ehrlich: Die Test-Hefte verlieren jedes Jahr mehr als 10000 Leser, die wichtigen Abonnement-Kunden werden immer älter. „Unsere Zielgruppen laufen auseinander. Die jüngeren Leser bedienen wir gezielt im Internet.“ Die Testergebnisse zu Autokindersitzen finden daher im Heft nur kurz Erwähnung. Im Internet bekommen sie den nötigen Platz – dort, wo die jungen Eltern hinschauen.

Es ist ein schmaler Grat: Hier die seriösen Tests, die oft zusammen mit Partnern in Belgien oder den Niederlanden gemacht werden, von renommierten Instituten, an geheimen Orten. Dort die verkaufsträchtige Schlagzeile. Doch Brinkmann wiegelt ab: „Es ist nicht so, dass bei der Testplanung die Sensation im Vordergrund steht.“ Die Test-Hefte als Skandalblatt? Lieber nicht, Glaubwürdigkeit ist ihr größtes Kapital. Oder nicht? Brinkmann muss balancieren: „Wir nehmen die Ergebnisse so, wie sie kommen, und wenn sie spannend sind, haben wir eine schöne Geschichte.“

Wie beim Aceto Balsamico di Modena. Michele Valensise, der italienische Botschafter, schrieb Brinkmann deswegen einen geharnischten Brief – die italienischen Behörden seien „seit jeher Vorkämpfer für die Qualitätssicherheit bei Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen“. Auch im Bundestag kennt man sich jetzt mit Essig aus. Michael Goldmann, Vorsitzender des Verbraucherschutzausschusses, hat zwar viel Lobendes zu sagen: Früher, als es im kleinen Laden seiner Ehefrau noch Waschmaschinen und Geschirrspüler zu kaufen gab, da seien die Leute immer mit dem letzten Test-Heft in der Hand zur Tür hereingekommen, erzählt der FDP-Politiker. Den Essig-Artikel fand er aber überhaupt nicht so toll. „Die Stiftung Warentest darf nicht draufhauen“, sagt er. Als Nutznießerin öffentlicher Gelder dürfe sie die Leser auch nicht verwirren. Goldmann kennt die Stelle in dem Artikel auswendig, an der es um erhöhte Kupfergehalte und Grenzwerte von Wein und Essig geht: „Da man mehr Wein zu sich nimmt als Balsamessig, halten wir gesundheitliche Folgen für unwahrscheinlich“, schrieben die Tester. Das sei wohl wahr, meint Goldmann. Und lacht.

Am Berliner Lützowplatz ist man trotzdem zufrieden. „Die Reaktionen auf unseren Essigtest zeigen: Bluff aus Modena, die Überschrift, hat gesessen“, sagt Vorstand Brinkmann. Doch: Ende Juli erlitt die Stiftung Warentest eine Niederlage vor Gericht. „Der Flasche von Giusti fehlte jedoch das passende EU-Siegel, sie hätte so gar nicht verkauft werden dürfen“ – dieser Satz im Text, immerhin, entsprach laut den Richtern nicht der Wahrheit. Die Stiftung musste ihn im Internet entfernen. 2002, als die Prüfer einmal Riester-Rentenverträge falsch berechnet hatten, musste sogar eine gesamte Test-Ausgabe zurückgerufen werden. Das war dann so richtig Essig.
 

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Karin Schmidt | Mo., 26. Juni 2017 - 15:02

Allerdings ist er der este auff dem Markt, und noch nicht mal der Teuerste. Freilich bin ich über die bedenklichen Rückstände erschrocken, während mir die EU-Vorgaben so egal sind wie die Gurkenkrümmung, aber die Erklärung des Herstellers beruhigt dann wieder, und immerhin wird ja eine Toleranzgrenze gewahrt. Trotzdem ziehe ich bei vielen Kaufentscheidungen die Stiftung Warentest zu Rat