Sie beklagt den systematischen Sarkasmus von „Sex and the city“. Sie propagiert Konsumverzicht und entzieht sich spekulativen Marketingkonzepten. Judith Holofernes, Sängerin und Texterin von „Wir sind Helden“, probt den Spagat zwischen Erfolg und Verweigerung.
Sie sind achtundzwanzig Jahre alt und gerade im Begriff, einen Generationswechsel in der deutschen Popmusik zu vollziehen. Und das in einer Zeit, in der auch politisch die Dämmerung jener Aufbruchsgeneration der 68er anzubrechen scheint, die unter dem Etikett Rot-Grün regiert…
Ich fühle mich dieser Generation sehr verbunden und finde es sehr schwierig, wenn sich Leute in meinem Alter so leicht von den Errungenschaften der zwei Generationen vor uns distanzieren. Das ist keine simple Lifestylefrage. Nehmen wir die Emanzipation. Es ist doch eine Selbstlüge für Frauen in meinem Alter zu behaupten, die Rechte der Frauen seien längst verwirklicht. Solchen Frauen empfehle ich, sich mal eine Viertelstunde vor einen Kiosk zu stellen und die Titelblätter zu studieren. Wo sind sie denn, die nicht so Hübschen und Charmanten? Machen wirklich alle Frauen Karriere, die das wollen?
Sie klingen sehr idealistisch, das hat heutzutage etwas beinahe Altmodisches…
Ich glaube, dass es Veränderungen ohne Ideale nicht geben kann. Das Ideal ist allerdings keine Gebrauchsanweisung, es ist eher ein Leuchtturm, an dem man sich orientieren sollte – es können Ideen oder auch Träume sein. Heute spricht man zu schnell vom Ende der Utopien, doch gerade meine Generation braucht Utopien. Man darf beispielsweise die Hippiebewegung nicht einfach ad acta legen, weil sie irgendwann ins Stocken geriet. Es gibt einen Song von Elvis Costello: „What’s so funny about love, peace and understanding? – Was ist so komisch an Liebe, Frieden und gegenseitigem Verstehen?“ Heute wird alles gleich ironisiert oder als historische Sentimentalität abgetan, das ist voreilig und zynisch.
Ihre Texte sind trotzig, traurig, schräg, aber alles andere als ironisch. Ist es das, was Sie so erfolgreich macht?
Ich kann den Leuten bei den Konzerten nicht in den Kopf sehen, aber ich weiß, sie haben die Nase voll von dem allgegenwärtigen Sarkasmus, von der Mutlosigkeit und dem bitteren Humor, der nur dazu da ist, die Resignation zu kaschieren. Ironie bedeutet Distanzierung.
Meist sind Ihre Texte sehr poetisch…
Vielleicht ist die Popmusik heute eine Nische für die Poesie, eine Nische, in die die Dichtkunst geflohen ist. Die Dichter, die mich am meisten beeinflusst haben, sind Christian Morgenstern und Robert Gernhardt. Ich habe immer schon geschrieben, aber am meisten begeistert mich das geschriebene Wort in Verbindung mit Musik.
Studiert haben Sie Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin, wo sich die besten Werbe-agenturen ihren Nachwuchs rekrutieren. Wie passt das zusammen – Kommunikation und Marketing und dann Ihr Plädoyer für Verweigerung und Konsumkritik?
Ich wollte dort schreiben und Filmchen drehen und wurde schnell enttäuscht. Aber immerhin habe ich gelernt, was ich nicht möchte: den Markenkult, die Tricks der Auftragskommunikation, die Strategien der Manipulation. Ich habe mich immer stark mit Medientheorie beschäftigt und durch das Studium einen kritischen Blickwinkel eingenommen. Auf der anderen Seite: Weil ich die Mechanismen dieser ganzen Steuerungen kenne, machte mich das auch viel sicherer gegenüber diesen professionellen Marketingleuten, die uns in bestimmte Richtungen schieben und „positionieren“ wollten.
Judith ist eine biblische Heldin, die Nebukadnezars Feldherrn Holofernes enthauptete, um ihr Volk zu retten. Sind Sie die „Helden“ einer neuen konsumkritischen Generation?
Wir wollten niemandes Helden sein und meinen das in der Tat ironisch. Helden sind statuarisch und unwirklich. Für uns sind die Antihelden die besseren Helden.
Und haben in einem Lied auch nach dem Vorschlaghammer verlangt, um ein Denkmal zu zertrümmern.
Ein Denkmal, das bedeutet Versteinerung. Ich habe mich immer mit dem Thema Identität beschäftigt, besonders hat mich „Stiller“ von Max Frisch fasziniert, ein Buch, das sehr genau zeigt, wie Menschen versteinern: Ein Mann behauptet eines Tages, nicht Stiller zu sein, obwohl er so heißt, er will sich nicht mehr auf das Konstrukt einer Person Stiller festlegen lassen. Auch wir wollen uns nicht definieren lassen.
Verweigerung und Erfolg – kann das auf die Dauer gut gehen?
Ich glaube, dass Eigensinn und Erfolg sehr gut zusammengehen. „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“ Der Text ist eine Reaktion auf den ungeheuren Erfolgsdruck, den wir plötzlich hatten. Am Anfang haben uns alle zu unserem Erfolg gratuliert, aber dann passierte etwas Symptomatisches für die allgemeine Stimmung momentan: Man kondolierte uns gewissermaßen, alle sahen uns besorgt an und fragten, „wie geht es euch denn mit eurem Erfolg, ist es sehr schlimm? Seid ihr blockiert, habt ihr Angst, dass ihr abstürzen könntet?“ Wir sind gekommen, um zu bleiben: Wir sind keine Eintagsfliege, wir gehören dazu, als eine Band unter anderen Bands.
Viele haben das als eine Ermutigung gerade junger Leute in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verstanden.
Meinetwegen auch das. Aber wir wollen nicht den Soundtrack zur Rezession liefern.
Das Gespräch führte Christine Eichel
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