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Blatter-Rücktritt - Der Ball liegt jetzt bei Uefa und DFB

Sepp Blatter ist überraschend von seinem Amt als Fifa-Präsident zurückgetreten – und das kurz nach seiner Wiederwahl. Ein guter Tag für den Weltfußball ist das deswegen noch längst nicht. Ein Kommentar

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Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Vor vier Tagen ließ er sich noch feiern. In der größten Krise seines Verbandes ließ sich Sepp Blatter erneut zum Präsidenten krönen und hatte für seine Kritiker nur ein altväterliches Grinsen übrig. Es schien, als könnten ihm, dem Chef der Fifa, weder geballte Kritik noch ermittelnde Staatsanwälte etwas anhaben. Als bliebe nichts haften. Als könne er es aussitzen, zur Tagesordnung übergehen. So, wie er es die letzten 17 Jahre gemacht hat. Als würde qua Naturgesetz am Ende einer Fifa-typischen Krisenkonjunkturwelle vor allem einer stehen: Blatter.

Und dann das. Als alle dachten, Joseph Blatter trete in Zürich ans Pult, um den Generalsekretär Jerome Valcke, der jüngst ins Visier der Ermittler geraten war, der Öffentlichkeit als Bauernopfer zu präsentieren, da gibt der Unbeirrbare seinen Rücktritt bekannt.

Blatter tritt ab. Die Krise aber bleibt. Und mit ihr die Hoffnung, dass das System Blatter nun einen Riss bekommt. Dass Luft eindringt. Eine gesunde Portion Sauerstoff, die dem anaeroben Käfig Fifa die Fäulnis austreibt. Dass die „Familie“ Fifa, wie Blatter sie nannte, ohne den Paten, den Vater an der Spitze, bereit sein wird, Grundsätzliches in Frage zu stellen.

Von einem guten Tag für den Fußball zu sprechen, wäre aber verfrüht. Der Kopf ist ab, ja. Aber das System bleibt. Entscheidend wird sein, einen Nachfolger zu finden, der gewillt ist, Struktur und Fundament der Fifa auch glaubhaft zu hinterfragen.

Der Druck auf die Fifa wurde größer


Auch über den Zeitpunkt des Rücktritts wird zu reden sein. Warum gerade jetzt? Die Antwort kennt nur Blatter selbst. Er habe, so Blatter in Zürich, über seine Präsidentschaft „ernsthaft nachgedacht“. Kein Scherz. Ernsthaft nachgedacht. Zeit war schließlich genug. Dass er diesen Schritt jetzt geht, weil es ihm eventuell doch um die Fifa, oder gar den Fußball gehen könnte, ihm, der bis zum Schluss die Verantwortung nicht tragen, sondern allen Ernstes „teilen“ wollte, ist aber so unglaubwürdig, wie das System, dem er vorsteht. Wahrscheinlicher sind äußere Faktoren, die Blatter zum Nachdenken angeregt haben könnten. Denn klar ist auch: Der Druck auf die Fifa, auf Blatter, ist in den letzten Tagen nicht weniger geworden. Die amerikanische Justiz sagt, sie stünde mit ihren Ermittlungen erst am Anfang. Die Verhaftung der Fifa-Funktionäre seien nur ein erster Schritt.

Wie aber geht es weiter? Es wird einen außerordentlichen Kongress zwischen Dezember und März 2016 geben. Die 209 Fifafunktionäre, die gerade erst ihren Fifa-Flieger verlassen, werden erneut um den Globus reisen müssen, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Bis dahin wird Blatter die Geschäfte zusammen mit Domenico Scala führen. Jenem Scala, den Blatter einen „idealen Nachfolger“ nennt, „um die Reformen voranzutreiben“. Einen besseren Start hätte sich Scala nicht wünschen können. Zeugnis und Empfehlung vom Zurückgetretenen.

Kommen wir zur guten Nachricht: Es gibt nun keine Ausreden mehr. Gerade die großen Verbände, Uefa, DFB etc., können sich jetzt nicht mehr hinter Joseph Blatter verstecken. Der Ball liegt jetzt bei Platini, Niersbach und Co. Eine gute Nachricht. Fürs Erste. Hoffentlich auch für den Fußball.

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