- Wer Flüchtlinge ablehnt, sollte Strafe zahlen
Der Brand in einer Asylbewerberwohnung in Tröglitz sollte eines lehren: In sozialem Einsatz liegt für strukturschwache Orte eine große Chance zur Eigenwerbung. Verweigern sich jedoch Bürger ihrer gemeinschaftlichen sozialen Verpflichtung, sollte ihre Gemeinde das finanziell zu spüren bekommen
Es sagt sich zu leicht, der Anschlag Tröglitz dürfe sich nicht wiederholen. Er ist bereits die Wiederholung: Hoyerswerda 1991, Mölln 1992, Rostock-Lichtenhagen 1992 und Solingen 1993 sowie Tröglitz selbst vor einigen Wochen. Da fühlte sich der Ortsbürgermeister zum Rücktritt genötigt, weil Ausländerfeinde androhten, auch vor seinem Haus zu demonstrieren.
Bei Anschlägen vor über 20 Jahren wurden Menschen getötet. In Tröglitz wurde jetzt mehrfach angekündigt, am Ende auch hier so zu handeln. Der Rückblick auf tödliche Gewalt scheint Herz- und Hirnlose keineswegs abzuschrecken. Sie wollen ebendiese Assoziation. Die Brandstiftung am leeren Dachstuhl ist ihr Warnschuss.
Es ist grundfalsch zu glauben, die Zeit heile Wunden und öffentliche Verurteilung ließe Täter innehalten. Es ist illusorisch zu hoffen, Hetzer würden aus Schaden klug. Sie werden noch dümmer und noch dreister. Sie schaden ihrem Ort, ihrer Stadt und ihrem Land weiter, sobald sie sich bedroht fühlen.
Zunächst nur weniger als zwölf Flüchtlinge in Tröglitz
Ja, die Flüchtlingszahlen sind wieder so hoch wie Anfang der neunziger Jahre. Es stimmt auch, dass strukturschwache Flecken wie dieser Ort Tröglitz mit seinen 2700 Einwohnern den Zuzug von 40 Flüchtlingen – beziehungsweise zunächst nur zehn bis zwölf – deutlicher spüren könnten als Berlin oder Hamburg von Zigtausenden.
Dennoch werden die meisten Tröglitzer wissen, dass ihr Leben sich nicht ändern wird wegen des Zuzugs und ihr demografisch schrumpfender Ort durch die neuen Bewohner in Not keinen Schaden nimmt. Wie auch in Hoyerswerda, Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Solingen die Mehrheit nicht radikal ist.
Wer gegen die Brandstifter aufsteht, gilt als mutig und couragiert. Wahrscheinlich zu Recht angesichts des sozialen Drucks, den lautstarke Rädelsführer auszulösen vermögen. Es braucht aber vor allem in jeder Gemeinde eines, und das ganz selbstverständlich für jeden Bürger: gemeinsame soziale Verantwortung.
Es gibt eine Pflicht zu sozialer Verantwortung
„Corporate Social Responsibility“ (CSR) heißt das bei Firmen. Seit der Nachkriegszeit gilt dieser Begriff Managementtheoretikern als unabdingbar für Unternehmen. CSR beschreibt die Rolle von Betrieben in der Gesellschaft: vom Betriebskindergarten über den fairen Handel bis hin zur Unterstützung von Sportvereinen. Eine genaue Definition gibt es nicht – doch die Verpflichtung zu sozialer Verantwortung.
Inzwischen ist dazu sogar eine EU-Richtlinie verabschiedet, was bedeutet, dass CSR binnen der kommenden zwei Jahre in nationales Recht umgesetzt werden muss. Es soll dann vor allem für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gelten. Sie müssen Zeugnis ablegen über ihren sozialen Einsatz.
Strukturschwache Orte wie Tröglitz leben auch von EU-Geld. Nicht nur die Arbeitslosen dort bekommen öffentliche Hilfe und Fördermittel. Gäbe es auch hier eine Art CSR-Verpflichtung, so müsste nun den Bewohnern verkündet werden: Nicht nur jedwede Unterstützung steht vor dem Aus, sondern es drohen der klammen Gemeindekasse Strafzahlungen.
Chance für positive öffentliche Wahrnehmung
Dies umso mehr, da die Flüchtlingsunterbringung nicht nur eine freiwillige, sondern eine gesetzliche Aufgabe ist. Bund und Länder stellen den Gemeinden dafür sogar Gelder zur Verfügung. Weigern diese sich jedoch, ihrem Auftrag nachzukommen, muss das Konsequenzen haben. Statt Strafzahlungen zu verhängen, könnten Bund und Länder notfalls auch an anderer Stelle Mittel kürzen.
In Betrieben, die sich sozialer Verantwortung verpflichtet fühlen, gibt es nicht einmal Proteste gegen das CSR-Engagement in Zeiten von Kurzarbeit. Zu bedrohlich scheint der Imageverlust als Ganzes, der in letzter Konsequenz auch den eigenen Arbeitsplatz bedroht. Als Chance für die Firma gilt hingegen die positive öffentliche Wahrnehmung durch Unterstützung sozialer Projekte.
Das Ziel dahinter ist simpel: Tue Gutes und rede darüber; um andere davon zu begeistern – und somit von dir. Dieser Umkehrschluss ist der Grund einer gesetzlichen Verordnung zu sozialem Einsatz.
Was für Unternehmen Pflicht wird, sollte für jeden Bürger längst Verpflichtung sein. Die Tröglitzer haben diese Chance noch immer – sofern die Flüchtlinge im Mai tatsächlich kommen.
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