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Dabiq Magazin/Al-Furqan Media Productions

IS-Magazin „Dabiq“ - Propaganda-Blatt lockt Deutsche in den Dschihad

In den Reihen des „Islamischen Staates“ kämpfen bereits mehr als 450 Deutsche. Die Terrormiliz will noch viele weitere rekrutieren. Das Propaganda-Blatt „Dabiq“ ruft im Internet weltweit zum Dschihad auf – auch auf Deutsch

Autoreninfo

Katharina Pfannkuch studierte Islamwissenschaft und Arabistik in Kiel, Leipzig, Dubai und Tunis. Sie veröffentlichte zwei Bücher über das islamische Finanzwesen und arbeitet seit 2012 als freie Journalistin. Neben Cicero Online schreibt sie u.a. auch für Die Welt, Deutsche Welle und Zeit Online.

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Befürchtet wurde es schon lange, seit Mitte Oktober ist es Gewissheit: Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) haben im Nord-Irak jesidische Frauen und Kinder versklavt und verkauft. Bestätigt hat dies die islamistische Gruppierung um den selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi höchstselbst – mit einer Wortwahl und Logik, die an Menschenverachtung kaum zu überbieten ist.

Die Jesiden seien eine „heidnische Minderheit“ von „Teufelsanbetern“. Eingehende Beratungen mit Gelehrten hätten zu dem Schluss geführt, dass die Versklavung und der Verkauf jesidischer Frauen und Kinder legitim seien. Zudem halte man sich ja an die geltenden Regeln, die etwa untersagen, Kleinkinder beim Verkauf von ihrer Mutter zu trennen. Doch damit nicht genug der Selbstgefälligkeit: „Viele der Frauen und Kinder haben bereitwillig den Islam angenommen und praktizieren die Religion nun eifrig, nachdem sie die Dunkelheit der Vielgötterei verlassen konnten.“

So steht es in der neuesten Ausgabe von „Dabiq“, dem offiziellen Magazin des sogenannten Islamischen Staates (IS). In IS-kontrollierten Teilen des Iraks und Syrien soll das propagandistische Machwerk an Kiosken erhältlich sein, sein Potenzial liegt aber vor allem im Online-Bereich: Ganz bequem lässt sich „Dabiq“ aus dem Netz herunterladen. Vier englischsprachige, um die fünfzig Seiten starke Ausgaben sind bereits erschienen. Die deutsche Ausgabe ist im August erschienen.

Gezielte Ansprache des westlichen Publikums


„Es handelt sich um eine Hochglanzproduktion, die sich an ein breites Publikum richtet: Potenzielle Rekruten in aller Welt erreicht das Magazin ebenso wie kritische Experten im Westen. Ganz bewusst werden dabei Kodizes verwendet, die auch das westliche Publikum versteht“, erklärt Asiem el-Difraoui. Der Politologe befasst sich seit Jahrzehnten mit den Mechanismen moderner islamistischer Propaganda. Mit der IS-eigenen Zeitschrift solle einerseits maximale Aufmerksamkeit generiert werden, andererseits diene „Dabiq“ auch der Kontrolle über die eigene Propaganda: „Der IS will, dass man über ihn spricht. Deshalb ist die massenhafte Multiplikation von einzelnen Kommunikatoren in sozialen Netzwerken durchaus erwünscht. Gleichzeitig soll die Kernkommunikation der zentralen Ideologie immer in der eigenen Hand bleiben.“

Das Spiel mit den modernen Kommunikationswegen beherrschen der IS und seine Anhänger gut: Soziale Netzwerke sind ein fruchtbarer Boden für Propaganda. Neben den von el-Difraoui beschrieben Einzelgängern, die die Ideologie mit Tweets und Postings verbreiten, spielen auch Filme eine wesentliche Rolle. Die vierteilige Reihe „The Clanging of the Swords“, der Film „Flames of War“ und ein erst kürzlich erschienenes Propagandavideo aus dem umkämpften Kobane, in dem die britische IS-Geisel John Cantlie erneut als „Reporter“ agieren muss, gehören zum Repertoire dieser dschihadistischen Medienoffensive. Die wird maßgeblich von eigens eingerichteten Medienzentren des IS gesteuert.

„Pseudo-religiöse Rechtfertigungen“


Neben den Al-Furqan Media Productions gilt dabei das im Mai gegründete Al-Hayat Media Center als federführend, das seit Juli „Dabiq“, das offizielle Propaganda-Organ des IS, produziert. Dabiq, so heißt auch ein Ort in der Nähe der syrischen Stadt Aleppo. Die islamische Frühgeschichte besagt, dass hier kurz vor dem Ende der Welt die entscheidende Schlacht zwischen den Muslimen und ihren Feinden geschlagen wird. Ganz in diesem Sinne enthält das Magazin nicht nur von siegessicherem Pathos und religiöser Überlegenheit durchtränkte Texte: Die Bilder im Heft leben von entschlossenen Posen, emporgereckten Waffen und blutüberströmten Körpern der Opfer.

Nachrichten aus den IS-kontrollierten Gebieten werden mit Fotos von Hinrichtungen illustriert. Auch die angeblich wohltätige Seite des IS wird gezeigt: Altenheime und Kinderkliniken sollen die Terrororganisation in ein gutes Licht rücken. Wenige Seiten später jedoch sind unvorstellbar martialische Aufnahmen des ermordeten Journalisten Steven Sotloff zu sehen. Auch eine Art Presseschau ist in jeder Ausgabe zu finden: „Der Islamische Staat in den Worten der Kuffar“ heißt die Rubrik in der deutschen Ausgabe. Natürlich ist „Dabiq“ eine frauenfreie Zone – von den versklavten Jesidinnen einmal abgesehen.

Bei der Bildauswahl bleiben die Blattmacher jener Linie treu, die schon ihre Videos so erfolgreich machte: Tarnfleck, Tanklaster und Testosteron dominieren. In Verbindung mit den religiösen Texten erwecken die Redakteure den Eindruck einer ganz selbstverständlichen Einheit von Gewaltexzess und Religion. „Das Magazin liefert pseudo-religiöse Rechtfertigungen für die Verbrechen des IS“, erklärt Asiem El-Difraoui. Immer wieder werde auch das Motiv der weltumspannenden Konspiration gegen den Islam aufgegriffen.

Inspiriert vom Vorbild al-Qaida


El-Difraoui, der bereits 2008 mit seiner Dokumentation „Die Sprache von Al-Qaida“ Propagandastrategien von Dschihadisten eindrücklich nachzeichnete, sieht eine klare Orientierung der IS-Medienmacher an ihrem Vorbild: „Sie wollen die Geschichte der al-Qaida und Personen wie Bin Laden für ihre eigene Propaganda vereinnahmen.“ Auch die Namen von al-Qaida-Größen wie Abu Musab al-Zarkawi und Anwar al-Awlaki fallen immer wieder in dem Hochglanzmagazin, so el-Difraoui.

Al-Awlaki, ein 2011 vermutlich bei einem Drohnenangriff im Jemen umgekommener al-Qaida-Funktionär, gründete 2010 mit „Inspire“ das offizielle englischsprachige Magazin der al-Qaida, das sich bewusst an junge Leser in den USA und Großbritannien richtet. „Inspire“ erlangte bereits kurz nach seiner Gründung mit seinem Mix aus religiösen Texten, modernem Layout und graphisch aufwendig gestalteten Anleitungen zum Bombenbau große Aufmerksamkeit und zunächst auch spöttische Kommentare.

Neu ist die Idee eines islamistischen Propaganda-Blattes also keineswegs. Doch „Dabiq“ bewegt sich auf einem anderen Niveau und verfolgt einen umfassenderen Ansatz als sein Vorbild. Seine Macher wissen genau um die Macht der Worte und Bilder: „Wir befinden uns in einem gleichermaßen medialen und militärischen Krieg“, heißt es in der jüngsten Ausgabe des Hefts. Strategien, die sich bereits in den medialen Schlachten ihrer Vorgänger bewährt haben, reichern die IS-Propagandisten zudem mit neuen Symbolen an: „Sie arbeiten mit eingängigen Logos und Brandings“, so el-Difraoui. Ein Beispiel sei der ausgestreckte Zeigefinger, der die Einheit und Einzigkeit Gottes symbolisieren solle. Das Logo von Al-Jazeera, eine tropfenartige Kalligraphie, scheint als Inspiration für das Emblem des Al-Hayat Media Center gedient zu haben.

Dort soll übrigens auch Denis Cuspert arbeiten, der sich mittlerweile Abu Talha Al-Almani nennt. Der erfolglose Rapper aus Berlin kam erst mit seinen dschihadistischen Videobotschaften zu zweifelhaftem Ruhm. Sollte dies stimmen, hat sich al-Almani („der Deutsche“) bei der Redaktion der deutschen „Dabiq“-Ausgabe vornehm zurückgehalten: Übersetzungs- und Grammatikfehler machen so manchen Beitrag nahezu unleserlich. Das propagierte – naturgemäß einfache – Weltbild wird dennoch auch in der deutschen Ausgabe mehr als deutlich: „Die Welt wurde geteilt in zwei Lager. Das Lager des Islam und Glaubens und das Lager von Kufr und Heuchelei. Das Lager der Muslime allerorts und das Lager der Juden, Kreuzzügler, deren Alliierten und mit ihnen der Rest der Nationen und Religionen der Kufr, alle geführt von Amerika und Russland und mobilisiert von den Juden“.

So sieht man die Welt im deutschsprachigen „Dabiq“-Universum.

 

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