- Buback und Rebmann mit NS-Vergangenheit
Die Generalbundesanwälte Siegfried Buback und Kurt Rebmann waren in jungen Jahren NSDAP-Mitglieder. Ihre Personalakten zeigen, wie beide Ermittler das verbargen
Als Stefan Wisniewski im März vergangenen Jahres als Zeuge vor das Oberlandesgericht Stuttgart trat, verweigerte er jegliche Aussage. Eine Botschaft jedoch wollte das einstige Mitglied der Roten Armee Fraktion übermitteln, auch wenn er sie ziemlich kryptisch formulierte. Auf der Rückseite seines dunklen Kapuzenpullovers stand der polnische Satz: „Scigajcie ten slad“, – „verfolgt diese Spur“ –, und die Zahl 8179469.
Wisniewskis Vater war Pole und wurde von Deutschen bei der Zwangsarbeit und im Konzentrationslager derart misshandelt, dass er bald nach dem Krieg starb. Generalbundesanwalt Siegfried Buback trug als junger Mann die Mitgliedsnummer 8179469 der NSDAP.
Um die Ermordung von Buback und seiner beiden Begleiter im April 1977 aufzuklären, war Wisniewski in Stuttgart als Zeuge vorgeladen; gegen den 59-Jährigen selbst ermittelt die Bundesanwaltschaft bis heute wegen des Attentats auf den Generalbundesanwalt.
[gallery:Nazis vor Gericht]
Der Versuch des einstigen Terroristen, den Mord der RAF zu legitimieren, ist absurd und zynisch, doch die Fakten stimmen. Buback war Mitglied der Nazi-Partei. Und nicht nur er, auch sein Nachfolger, Generalbundesanwalt Kurt Rebmann, war als junger Mann der NSDAP beigetreten. Die braunen Flecken in der Vergangenheit der beiden obersten Strafverfolger der Republik waren zu ihren Lebzeiten nicht bekannt. Sie zogen es vor, sie zu beschweigen.
Jetzt lassen sich, dank des seit 2006 geltenden Informationsfreiheitsgesetzes, die Personalakten der beiden einsehen. Aus ihnen geht hervor, dass sie gegenüber ihren Dienstherren mit ihrer NS-Vergangenheit unterschiedlich umgingen.
Buback, der als Student zur Wehrmacht eingezogen worden war und es bis zum Leutnant gebracht hatte, spielte zunächst mit offenen Karten. Einem Gesuch, mit dem er sich beim Oberlandesgerichtspräsidenten in Celle um die Übernahme in den Justizdienst bewarb, legte er im Juni 1947 einen Lebenslauf bei. Handschriftlich führte er darin aus: „Im April 1934 trat ich in die Hitler-Jugend ein. Am 1. 1. 1937 erfolgte meine Ernennung zum Rottenführer.“ Im November 1938 sei er Mitglied des NSDStB geworden, des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds. „1943 erhielt ich in Frankreich die Mitteilung, dass ich seit dem 1. 7. 1940 in die NSDAP übernommen worden sei.“
Seite 2: Flucht vor der NS-Vergangenheit
Die Übernahme in die Partei ohne eigenes Zutun ist allerdings äußerst fraglich. Laut den Parteistatuten war ein eigenhändig unterschriebener Antrag für die Aufnahme in die NSDAP erforderlich.
Buback hatte, nach zwei Jahren aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, erlebt, dass sein Vorleben als Parteigenosse seiner Karriere nicht mehr förderlich war. „Nur aufgrund der Tatsache, dass ich automatisch aus der HJ 1940 in die ehemalige NSDAP übernommen wurde“, klagte er im Juni 1948, könne er in seiner sächsischen Heimat, die nun in der sowjetischen Besatzungszone lag, seine Juristenausbildung nicht fortsetzen. Deshalb habe er sich entschlossen, „mich mit meiner Familie später in Niedersachsen anzusiedeln“. Die britischen Besatzer gingen bei der „Denazification“ weniger streng vor als die Russen.
Bubacks Nachfolger Rebmann musste im Mai 1950 als junger Gerichtsassessor beim Landgericht Heilbronn einen Personalbogen ausfüllen. Der promovierte Jurist listete penibel sämtliche Stationen seines Referendariats auf, vom Amtsgericht Öhringen bis zur Landesstrafanstalt Hohenasperg. Auch was seinen Militärdienst betraf, ging der spätere Generalbundesanwalt ins Detail: „Stammkompanie II, Gebirgsjäger-Ersatz-Bataillon 98, Garmisch; Frankreich, Kroatien, Bulgarien, Albanien. Am 12. 9. 1943 Oberschenkelschussbruch.“
Was Rebmann allerdings seinem Dienstherrn lieber nicht mitteilte: Er hatte am 30. März 1942, kurz vor dem Abschluss der Oberschule, in Heilbronn die Aufnahme in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei beantragt. So lässt es sich in der Mitgliedskartei der NSDAP nachlesen, über die das Bundesarchiv verfügt. Die Ortsgruppe Heilbronn, Gau Württemberg-Hohenzollern, nahm ihn am 1. September 1942 auf.
In Rebmanns Personalakte ist das nicht zu finden. Unter dem Stichwort „Ergebnis der politischen Prüfung“ ist nur vermerkt, das Verfahren sei entsprechend der „Jugendamnestieverordnung vom 6. 8. 1946“ eingestellt worden. Diese Verordnung sah vor, dass nach dem 1. Januar 1919 geborene Personen nur mit „Sühnemaßnahmen“ bestraft werden können, „wenn sie Hauptbeschuldigte, Belastete oder Minderbelastete sind“.
Als Rebmanns Vorgänger Buback 1959 zur Bundesanwaltschaft abgeordnet wurde, fanden die neuen Dienstherren seine NS‑Vergangenheit in der Personalakte dokumentiert. Auch das Bundesjustizministerium erwähnte sie 1974 in seinem Vorschlag für die Ernennung Bubacks zum Generalbundesanwalt. Doch dann wurde wohl auch intern wieder geschwiegen.
Seite 3: Auch die Familie tappt im Dunkeln
Der Sozialdemokrat Hans-Jochen Vogel wurde kurz darauf Bundesjustizminister und damit Bubacks Vorgesetzter. Heute kann er sich nicht erinnern, jemals von der NSDAP-Mitgliedschaft seines obersten Strafverfolgers gehört zu haben. Auch Michael Buback, das einzige Kind des Generalbundesanwalts, wollte es zunächst nicht glauben, als er vor zehn Jahren im Spiegel las, dass sein Vater Mitglied der Nazi-Partei war. Der Generalbundesanwalt hatte auch zu Hause in der Familie über diesen Punkt in seiner Vergangenheit kein Wort verloren.
Mit ihrem Vorleben fallen Buback und Rebmann bei der Bundesanwaltschaft allerdings nicht aus dem Rahmen, im Gegenteil. Der erste Oberbundesanwalt Carl Wiechmann hatte in den Nazi-Jahren am Berliner Kammergericht NS‑Recht gesprochen. Sein Nachfolger Max Güde war ein vormaliges NSDAP-Mitglied.
Ihm folgte Wolfgang Fränkel, der abtreten musste, weil Beweise für seine Beteiligung an Todesurteilen als Reichsanwalt veröffentlicht wurden. Sein Nachfolger und Bubacks direkter Vorgänger im Amt, Ludwig Martin, hatte der Reichsanwaltschaft vor 1945 als wissenschaftlicher Mitarbeiter gedient und blieb nach dem Ende der NS‑Zeit ein Anhänger der Todesstrafe.
„Die Suche nach einem Nachfolger für Buback im Sommer 1977 war quälend“, erinnert sich Hans-Jochen Vogel. Als Ressortchef gelang es ihm nach der Ermordung des Generalbundesanwalts nur schwer, Interessenten für den lebensgefährlichen Job zu finden.
Kurt Rebmann war dazu bereit und mit dem Hauptfeind der Bundesanwaltschaft vertraut. Als Ministerialdirektor im Justizministerium Baden-Württembergs war er für die RAF‑Gefangenen in Stammheim zuständig.
Er habe erst jetzt erfahren, sagt Hans-Jochen Vogel, dass der neue oberste Ankläger NSDAP-Mitglied gewesen sei. Gerhart Baum war damals Bundesinnenminister von der FDP und somit Vogels Kabinettskollege in der sozialliberalen Koalition. Er wusste zu jener Zeit auch nichts von der NS‑Vergangenheit Rebmanns. „Mich wundert allerdings gar nichts mehr in dieser Beziehung“, sagt Baum heute. Regierungschef Konrad Adenauer habe mit Hans Globke einen Kommentator der Nürnberger Rassegesetze zum Chef seines Kanzleramts ernannt. Der Bundeskanzler und CDU-Bundesvorsitzende Kurt Georg Kiesinger sei schon 1933 in die NSDAP eingetreten.
Seite 4: Schweigen als beste Option
War deshalb die Ernennung einstiger Nationalsozialisten als führende Vertreter des demokratischen Rechtsstaats folgerichtig oder gar zwangsläufig? Wenn er von der NSDAP-Mitgliedschaft von Rebmann gewusst hätte, sagt Gerhart Baum, hätte er seiner Ernennung nicht zugestimmt. „Der Vertrauensverlust der Strafverfolger, besonders bei der jungen Generation, wäre zu groß gewesen“, sagt er.
Hans-Jochen Vogel dagegen sieht als entscheidendes Kriterium, ob Buback und Rebmann nur einfache Parteimitglieder waren, oder ob sie in der NSDAP oder anderen NS-Organisationen Ämter innehatten. Davon aber ist in den Akten nichts zu finden: Buback brachte es in der Hitler-Jugend nur zum „Rottenführer“, dem zweitniedrigsten Rang in der Organisation; Rebmann war 18, als er in die Nazi-Partei eintrat, und 21, als sie 1945 zugrunde ging.
Schweigen erschien den beiden Generalbundesanwälten offenbar als beste Option – für die obersten Ermittler, deren wichtigste Aufgabe das Finden der Wahrheit ist, eine moralisch zweifelhafte Entscheidung. Pragmatisch betrachtet hat ihr Schweigen die von ihnen beabsichtigte Wirkung erzielt und ihnen Ärger erspart.
Wenn zu ihrer Zeit in Amt und Würden bekannt gewesen wäre, dass sie als junge Männer Nazis waren, hätte die DDR einmal mehr die personelle Kontinuität vom „Dritten Reich“ zur Bundesrepublik anprangern und propagandistisch nutzen können; jüdische Organisationen hätten möglicherweise protestiert. Solches Ungemach ersparten die beiden Juristen lieber sich und den ihnen vorgesetzten Politikern. Sie bekamen beide ein Bundesverdienstkreuz mit Stern.
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