- „Amerikaner sind gefährlich und profitgierig“
Die USA sind kapitalistisch, kriegstreiberisch und nehmen es mit der Demokratie nicht sehr genau. Das Bild, dass in Europa von Amerika gezeichnet wird, ist nicht selten voller Klischees. Tobias Jaecker hat in einem neuen Buch den Antiamerikanismus in deutschen Medien untersucht. Ein Interview
Herr Jaecker, Amerika-Bashing geht immer. Treffen sich die unterschiedlichsten Menschen in einem Raum, kann man davon ausgehen, dass sie sich mindestens über zwei Themen verständigen: Fußball und USA-Verriss.
In der Tat kann sich auf eine überspitzte, verschärfte Amerikakritik bis hin zum Antiamerikanismus eine große Mehrheit einigen. Es ist immer einfach, gegen die Großen zu schimpfen. Viele merken gar nicht, was da für Ressentiments im Spiel sind. Wenn es gegen Minderheiten oder auch gegen kleinere Nationalstaaten geht, dann ist mehr Leuten bewusst, wie sehr beispielsweise Nationalismus in die Argumentation mit einfließt. Bei einer überspitzen Kritik an den USA ist das offensichtlich nicht der Fall.
Spricht man von „Amerikanisierung“ oder „amerikanischen Verhältnissen“, hat das immer auch einen negativen Beigeschmack.
Bei derartigen Formulierungen werden gesellschaftliche Entwicklungen, die in der kapitalistischen Welt vor sich gehen und die alle kapitalistischen Staaten auch selbst zu verantworten haben, einseitig auf Amerika projiziert. Die Globalisierung wird dann eben als „Amerikanisierung“ beschrieben. Auch die Finanzkrise wird oft als Krise eines „amerikanischen Kapitalismus“ beschrieben, statt sie als Krise des Kapitalismus auszuweisen. Umfragen zeigen, dass antiamerikanische Einstellungen sehr weit verbreitet sind.
Was sind die gängigsten Stereotype?
Die Amerikaner sind gefährlich, eigennützig, profitgierig, es ist alles irgendwie künstlich dort, oberflächlich, dekadent. Mein Punkt ist allerdings, dass ich die einzelnen Stereotype noch gar nicht unbedingt für so problematisch halte. Viel problematischer ist das dahinterstehende Weltbild. Oft werden spiegelbildlich zur Kritik an den USA die Verhältnissen hierzulande überaus positiv dargestellt. Die Amerikaner erscheinen dann beispielsweise als eigennützig und die Deutschen oder Europäer werden im Gegenzug als uneigennützig oder friedliebend gesehen. Oder als kulturvoll und tiefgründig statt künstlich und oberflächlich.
Inwieweit lässt sich mit Hilfe eines solchen Antiamerikanismus auch Nationalismus wiederbeleben? Inwiefern ist Antiamerikanismus identitätsstiftend? In Deutschland beispielsweise spricht man gemeinhin vom guten Unternehmer. Das amerikanische Äquivalent jedoch ist der negativ besetzte Kapitalist.
Der Antiamerikanismus dient ganz außerordentlich dazu, eine positive nationale Identität zu erzeugen. Nicht zuletzt auch mit den hiesigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Da werden dann einzelne wirtschaftliche „Auswüchse“ gegeißelt, die angeblich von außen über uns hereinbrechen und für die wir eigentlich gar nichts können. Es wird von Heuschrecken gesprochen, die unsere gute deutsche Industrie kaputt machen würden. Das heißt, die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse, also letztlich der Kapitalismus, der tatsächlich vielen Unbehagen bereitet, wird eigentlich gar nicht in Frage gestellt, sondern als etwas uns Wesensfremdes gegeißelt. So dass man sich als Opfer dieser Zustände fühlen und bequem auf einen Schuldigen zeigen kann.
Kann Antiamerikanismus aber nicht auch als Kampfbegriff missbraucht werden, um gänzlich Kritik an den USA zu verhindern? Wo verläuft die Grenze zwischen Kritik und Antiamerikanismus?
Die Grenze lässt sich relativ klar dort ziehen, wo nicht nur einzelne Punkte, wo nicht die amerikanische Politik kritisiert wird, sondern wo ein projektives dualistisches Bild gezeichnet wird. Immer dann also, wenn das amerikanische „Wesen“ in Gänze abgelehnt wird bei gleichzeitiger positiver Überzeichnung des eigenen Kollektivs.
Was ist ursächlich für eine solch überspitze Form der Kritik? Ist es eine Reaktion auf amerikanische Hegemonie oder doch mehr – eine dahinterstehende Ideologie?
Es ist mehr. Natürlich befeuert eine bestimmte Machtpolitik auch den Antiamerikanismus, das will ich überhaupt nicht abstreiten. Gerade die Bush-Politik mit dem Irakkrieg oder jetzt der NSA-Skandal und Obamas Drohnenkrieg befeuern den Antiamerikanismus. Da spielt natürlich auch ganz viel legitime Kritik mit rein. Das Problem ist nur, dass die USA sehr oft dafür herhalten müssen, um ein generelles Unwohlsein mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu rationalisieren, in dem die negativen Erscheinungen ganz einfach auf die USA projiziert werden. Und das wird dann oberflächlich mit der amerikanischen Politik begründet. So muss man sich nicht mehr die Mühe machen, an den Verhältnissen im eigenen Land selbst etwas zu ändern.
Hat sich mit dem Wechsel von Bush zu Obama das Amerikabild geändert?
Barack Obama wurde geradezu als Heilsbringer gefeiert. Eigentlich vor allem deshalb, weil man in ihm eine Art Europäer gesehen hat. Man hat ihm vermeintlich europäische Eigenschaften zugeschrieben und gesagt, er sei eben nicht der typische Amerikaner und zeige jetzt hoffentlich den Amerikanern, wie man es besser macht. Die Enttäuschung war da natürlich absehbar. Und wie man heute sieht, sind viele Menschen von Obama bitter enttäuscht, weil er sich eben nicht als der totale Gegensatz zu Bush entpuppt hat. Sondern auch nur Politik macht, wie es ein Präsident einer Weltmacht eben tut.
Wenn aber die positiven Eigenschaften Obamas als europäisch gelten, hieße das, die übersteigerte Euphorie speise sich letztlich aus derselben Quelle wie der Antiamerikanismus? Nach dem Motto: Alles, was gut ist, ist Teil von uns und das Schlechte ist typisch amerikanisch?
Obama hat eigentlich eher das Bild vom typischen Amerikaner bestätigt. Das gleiche Phänomen erleben wir bei Amerikanern wie Michael Moore oder Edward Snowden. In diese Personen wird viel hineinprojiziert, sie werden geradezu in den Himmel gelobt. Und gleichzeitig wird damit das Bild vom typischen Amerika bestätigt, das im Gegensatz zu diesen Helden steht. Es sind amerikanische Kronzeugen, die die Bestätigung liefern sollen, wie schlimm es um Amerika tatsächlich bestellt ist.
Wie steht es um die Geschichte des Antiamerikanismus? Er gehört heute gerade in der Linken zwar zum guten Ton, aber die historischen Wurzel liegen doch eigentlich im Konservatismus. Der Antiamerikanismus war Ausdruck einer antimodernen, antiwestlichen Reaktion.
Der Antiamerikanismus hat sich in Teilen schon im 19. Jahrhundert ausgebildet. Es hieß, dass in Amerika alles gleich sei, dass der Pöbel dort herrsche. Die Kritik war stark antidemokratisch. Amerika wurde in einen Gegensatz zur deutschen Aristokratie gestellt und gesagt, dort sei alles heruntergekommen, alles gleich, es gebe keine Unterschiede mehr. Im 20. Jahrhundert wurde der Antiamerikanismus dann auch in der Linken stärker, weil viele den Kapitalismus mit Amerika identifizierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Argumentation dann quasi umgedreht: Seitdem wird nicht mehr die amerikanische Demokratie kritisiert, sondern Amerika wird heute im Gegenteil vorgehalten, undemokratisch zu sein. Wir sind sozusagen plötzlich die besseren Demokraten.
Steckt dahinter auch eine Art nationaler Entlastungsstrategie?
Es spielt ein sehr starker Impuls mit hinein, die NS-Vergangenheit hinter sich zu lassen, in dem das Wirken der USA mit NS-Methoden verglichen wird. Dass gesagt wird, das sind die neuen Nazis, wir sind die Guten, wir müssen uns von denen nichts mehr vorschreiben lassen.
Und diese Art der Kritik geht nicht selten Hand in Hand mit einem auf Israel bezogenen Antisemitismus.
Da gibt es in der Tat Überschneidungen. Stellenweise verbindet sich der Antiamerikanismus mit offenem Antisemitismus, wenn es um die vermeintliche Macht einer „jüdischen Lobby“ in den USA geht, die angeblich die Strippen der Weltpolitik zieht. Hinzu kommen strukturelle Parallelen, was das ideologische Denkmuster betrifft. Der Antisemitismus stellt nämlich auch ein ideologisches Welterklärungsmuster in der kapitalistischen Moderne dar, in dem alles Negative auf die Juden projiziert wird. Es gibt natürlich den elementaren Unterschied, dass sich der Antisemitismus auf eine Minderheit bezieht und eine mörderische Praxis hatte und zum Teil noch hat. Dass heißt, die Parallelen sind wirklich nur in der Denkweise auszumachen.
Herr Jaecker, vielen Dank für das Gespräch.
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Ob es an einer Enttäuschung liegt? In den Fünfziger- und Sechziger Jahren, also bis ca. Vietnam, liebten wir Amerika, als Retter vor den Nazis, als Entstauber unserer Gebrauchsmusik, Kleidersitten und Lebensformen:" Ja was, die Füsse auf dem Tisch? Bist doch kein Amerikaner!" Und Kino! Wie heisst es bei Franz Josef Degenhart dem Barden: "Und du rauchtest so wie Richard Widmark, stand`st wie Franky wiegend in den Knien.."
Den Hauptsympathieverlust allerdings erfuhren die Amerikaner erst nach dem Ende des kalten Krieges, nach dem zweifelhaften "Sieg" des Kapitalismus über den Sowjetkommunismus.Sie hatten zwar schon länger von den Briten die Rolle der „Weltpolizei“ übernommen, begann diese Rolle aber mehr und mehr ihren nationalen Interessen zu unterordnen, vor allem der Energiefrage.
Das Nationale Interesse und neue (verbrecherische) kapitalistische Finanzinstrumente werden den andern Völkern aufgezwungen, abgekürzt gesagt: mit einem weltweiten Drohnenkrieg, der an sich ein Kriegsve..