- Die falsche Ikone
Seit zehn Tagen bereits inszeniert sich Sahra Wagenknecht als „Opfer“ von Markus Lanz. Doch dieser Titel passt nicht zu ihr. Ihr Europabild ist widersprüchlich und fragwürdig. Ihre Methode ist simpel
Sahra Wagenknecht hat es als Ikone der Linken schon weit gebracht. Sie ist schön, sie ist klug und sie ist fernsehtauglich. Dazu trägt sie mittlerweile den stolzen Titel: Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke. Im Bundestag gehört sie angesichts der Großen Koalition zu den führenden Oppositionspolitikern. Und es besteht kein Zweifel, Sahra Wagenknecht will ganz nach oben. Sie will Fraktionsvorsitzende werden, Nachfolgerin von Gregor Gysi. Gerne inszeniert sie sich als moderne Wiedergängerin von Rosa Luxemburg oder Frida Kahlo. Ihren Ehrgeiz verleugnet sie nicht.
Seit zehn Tagen ist Wagenknecht ihrem Ziel wieder einen großen Schritt näher gekommen. Seit sie am 16. Januar in der Talkshow bei Markus Lanz zu Gast war und der Moderator daran scheiterte, mit der Politikerin ein Gespräch zu führen, inszeniert sich die 44-Jährige als Opfer eines „wild gewordenen Kleinbürgers“ und eines „undemokratischen“ Fernsehsenders (Spiegel Online). Mittlerweile haben rund 220.000 Menschen die Online-Petition unterzeichnet, die die Ablösung des Fernsehmoderators fordert. Und Sahra Wagenknecht? Sie und ihre Partei gefallen sich einmal mehr in der Rolle als aufrechte Linke gegen die bösen bürgerlichen Medien, als unermüdliche Kämpfer gegen ein Europa der Banken und Konzerne sowie als Bollwerk gegen Demokratieabbau in Berlin und in Brüssel.
Linker Nationalismus
Über Wagenknechts widersprüchliches Europabild, über ihren fragwürdigen linken Nationalismus und ihren naiven Pazifismus, der in dem Gespräch mit Lanz (und nicht nur dort) deutlich wird, redet hingegen kaum jemand. Dabei lohnt es sich schon, noch einmal genau hinzuschauen, was Wagenknecht in dem Gespräch mit Lanz eigentlich gesagt hat und was sie nicht gesagt hat. Es ist schon interessant, wie sie sich windet und wie sie kritischen Fragen ausweicht.
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Ist die EU für Sahra Wagenknecht „eine neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“, wie es in einem Entwurf zum Europaprogramm der Linken heißt? „Man kann immer alles eleganter formulieren“, sagt Sahra Wagenknecht, also lautet ihre Antwort in Wirklichkeit: „Ja“.
Ist die EU militaristisch? Natürlich weiß auch Sarah Wagenknecht, dass das eher nach preußischem Tschingderassa klingt oder nach Nationalsozialismus. Aber irgendwie hängt sie das Etikett dann doch der EU an. „Ich kritisiere die EU dafür, dass sie immer mehr Aufrüstung betreibt“, sagt sie, „dass sie sich Interventionstruppen geben will.“ Doch ihr Blick auf die Herausforderungen internationaler Politik scheint irgendwo im 20. Jahrhundert stecken geblieben zu sein. Die Ohne-uns-Mentalität angesichts der blutigen Bürgerkriege in Syrien, Mali oder Zentralafrika ist ziemlich bequem. Schon ein deutscher Militärtransport und ein paar Bundeswehr-Ausbilder gelten da als gefährlicher Sündenfall.
„Euro ja oder nein?“, will Lanz von Wagenknecht wissen. Die Frage werde „zur Religionsfrage aufgeblasen“, antwortet sie. Also muss man den Euro nach Ansicht von Sahra Wagenknecht nicht um jeden Preis retten. „Ob man ihn auflösen sollte, ist aktuell nicht das Problem“, sagt sie, also könnte sich irgendwann die Frage doch stellen.
Mehr Kompetenzen für Europa? Mehr EU bedeute „Demokratieabbau“, deshalb müssten die Rechte der nationalen Parlamente verteidigt werden. „Zum heutigen Europa mit seinen 19 Millionen Arbeitslosen, zu was soll ich mich da bekennen“, sagt die Linken-Politikerin, als gäbe es dafür nicht viele gute Gründe, vor allem historische. Natürlich kann sich Sahra Wagenknecht für die europäische Kultur begeistern, so allgemein, so gut. Aber die EU sei „ein Minderheitenprojekt, dass die oberen 10.000 reicher macht“. Mehr nicht.
Markus Lanz war völlig überfordert
Zehn Tage ist das Gespräch zwischen Markus Lanz und Sahra Wagenknecht inzwischen alt. Auch online ist es zu sehen. Ohne Zweifel war Markus Lanz völlig überfordert bei dem Versuch, Sahra Wagenknecht zu entzaubern. Auch der als Sekundant engagierte Journalist Uli Jörges vom Stern konnte dem Moderator nicht helfen. Aber es ist schon erstaunlich, wie gut Sahra Wagenknecht nun in der Öffentlichkeit dasteht.
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Wann immer sie kann, malt sie die aktuelle Politik in den düstersten Farben, sieht mal in Berlin und mal in Brüssel Kriegstreiber, Demokratiefeinde oder finstere Kapitalisten am Werk. Und an den vielen Selbstmorden in Griechenland ist Kanzlerin Merkel mitverantwortlich. Zwischentöne gibt es nicht, Differenzierung ist nicht Wagenknechts stärke. Und Rettung für Europa gibt es nur eine: Die Reichen müssen endlich zu Kasse gebeten werden. Alle anderen Probleme lösen sich anschließend wie von selbst. Populismus pur.
Dabei ist Sahra Wagenknechts Methode recht simpel, ihr Weltbild dichotomisch. Zur linken Ikone taugt sie nicht.
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Die große Gefahr in Gefahrenstufen eingeteilt:
1. Links
2. links denkend
3. der IS
Krieg
Das Blöde an der ganzen Sache ist nur, dass sie mit Leuten diskutieren muss, die völlig im Märchen von Hans Christian Andersen "des Kaisers neue Kleider"
ihre Rolle als brave Hofzöglinge spielen müssen und völlig in ihrer Rolle aufgehen.
Und das Schlimmste: sie hat meiner Meinung in allen Belangen recht. Nein, ich gehöre nicht der linken Partei an und bin parteilos. Dafür aber Sozialarbeiter in sozialen Brennpunkten gewesen.