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Sexismus-Debatte - Und so verpufft der „Aufschrei“

Der „Aufschrei” der vergangenen Tage bedeutet die größte anzunehmende Niederlage für die Gender-Ideologie: Es ist das Geschlecht, das den Menschen definiert, nicht umgekehrt

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Was haben wir nicht alles gelernt in den letzten Tagen über das Verhältnis von Politikern zu Journalistinnen, abends an Hotelbars. Da hat also – wir wissen es bis zum Überdruss – eine Redakteurin einen Politiker angesprochen. Dieser revanchierte sich mit einigen locker gemeinten Sprüchen, die die Redakteurin als unangemessen empfand. Ein schlappes Jahr später ließ sie die Öffentlichkeit daran teilhaben. Seitdem ist der Teufel los, werden alle Machos und Feministinnen, die bei drei nicht auf den Bäumen waren, durch die Talkshows und Magazine gehetzt, als sei die Republik ein einziges Sodom.

Das Offensichtliche wird dabei übersehen: Wie auch immer man zu den ranzigen Witzeleien des Rainer Brüderle, zur vielleicht gar altersdiskriminierenden Anrede der Laura Himmelreich und den vielfachen Weiterungen bis hin zum in Arbeits- und Werbewelt tatsächlich grassierenden Sexismus stehen mag: ganz unstrittig trafen da an der Hotelbar ein Mann und eine Frau aufeinander, die sich dieser Tatsache sehr bewusst waren. Ganz unstrittig ereifern in der Debatte sich Frauen, weil sie Frauen, Männer, weil sie Männer sind. Ganz offensichtlich ist dieser „Aufschrei“ die größte anzunehmende Niederlage für die Gender-Ideologie.

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Mit Abermillionen Staats-, also Bürgergeld subventioniert der Westen seit Jahren ein Ensemble kruder Überzeugungen. Aus wahrlich gebotener Gleichberechtigung wurde eine Chimäre namens Gleichstellung, aus dem biologischen Geschlecht eine soziale Rolle, für die gelten soll, was manches Bürgerpärchen über die Konfession seines Nachwuchses sagt: „Das soll es später selbst entscheiden.“ Rosa Strampler für Knaben, blaue Overalls für Mädchen, Bauklötze auch für Jennifer, Puppen für Joey und gewiss bald schon „Elter 1“ und „Elter 2“ in der Geburtsurkunde statt „Mutter/Vater“ und natürlich öffentliche Toiletten für alle, ohne diskriminierenden Entscheidungszwang für das eine oder das andere oder das dritte Geschlecht: So sah es aus, das gelobte Gender-Land.

Seite 2: Wie Gender-Theoretikerinnen die Diktatur der Natur brechen wollen

Die steilen Thesen etwa einer Judith Butler besagen, dass das biologische Geschlecht keine „einfache Tatsache“ sei - als gäbe es etwas Einfacheres als die Tatsache, dass wir mit einem solchen Geschlecht geboren werden. Butler, die 2012 den Adorno-Preis der Stadt Frankfurt am Main erhielt, will die Geschlechtsidentität auf subversive Weise „verwirren und vervielfältigen“. Sie will die Diktatur der Natur brechen. Der Mensch soll sein, wozu er sich macht, als was er sich empfindet, heute so, morgen anders und nie derselbe, dieselbe, dasselbe.

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Kein Vorfall hätte triftiger illustrieren können, wie lebensfern, ja menschenfeindlich und illiberal eine solche Ideologie letztlich ist, nimmt man sie beim Nennwert und sieht in ihr mehr als ein US-amerikanisches Gedankenspiel. Das Bar-Gespräch zwischen FDP-Politiker und Zeitschriftenjournalistin und alles, was öffentlich daraus folgte, zeigt sonnenklar: Es ist im Guten wie im Widrigen das Geschlecht, das den Menschen definiert. Es sind das Mannsein des Mannes und das Frausein der Frau, worüber wir nicht hinaus können, nicht hinaus wollen.

Wir streiten so erbittert über diesen „Sexismus“, weil der „Sex“, das Geschlecht, uns lange schon als eine problematische Kategorie eingeredet worden ist. Die hohe Zeit der Verwirrung war tatsächlich angebrochen. Nun aber, nachdem die Erregungsspezialisten wieder abgetreten sind, könnte tatsächlich gedeihen, was nottut und was alle Natur transzendiert: mehr Kultur im feinen Beziehungsgeflecht von Mann und Frau, Frau und Mann. Der Rest war Getöse.

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