- Der Star der Steuerfahnder
Norbert Walter-Borjans ist angekommen. Im Job des NRW-Finanzministers hat er Wolfgang Schäuble die Stirn geboten und das Steuerabkommen mit der Schweiz verhindert. Dabei bleibt er bescheiden. Ein Porträt
Als der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen kürzlich in der Zeitung die Todesanzeigen las, geriet er ins Grübeln. Norbert Walter war gestorben, der langjährige Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Ein komisches Gefühl ist das“, erzählt der SPD-Politiker, „schließlich hieß ich einmal genau so: Norbert Walter.“ Als 1986 seine Tochter Hannah geboren wurde, hat er sich auch den Nachnamen seiner Frau zugelegt. Seitdem heißt er Norbert Walter-Borjans. Aber die meisten denken, Walter sei sein zweiter Vorname, und wenn „Nowabo“, wie sie ihn in Düsseldorf nennen, sich auf Parteitagen anmeldet, findet er sein Namensschild selten am Schalter mit dem Buchstaben „W“, sondern fast immer beim „B“.
[gallery:Wahlen in NRW – Rheinländischer Übermut trifft westfälische Vernunft]
Inzwischen hat sich vor allem in Bankerkreisen herumgesprochen, wie er richtig heißt und dass man ihn nicht unterschätzen darf. In der Schweiz gibt es Politiker, die Walter-Borjans am liebsten wegen Anstiftung zum Bruch des Bankgeheimnisses in Handschellen abführen lassen würden. Auch in Deutschland wünschen ihn alle Zumwinkels zum Teufel, die unversteuertes Schwarzgeld im Ausland deponiert haben und wegen seiner Hartnäckigkeit immer noch fürchten müssen, entdeckt zu werden.
Denn das sogenannte Steuerabkommen mit der Schweiz, das den Ankauf von CDs mit illegal gesammelten Steuerdaten unmöglich gemacht hätte, ist tot. Walter-Borjans hat es geschafft, alle Ressortkollegen aus den Bundesländern, in denen die SPD mitregiert, davon zu überzeugen, dass es politisch und strategisch falsch wäre, der Vereinbarung ein Jahr vor der Bundestagswahl im Bundesrat zuzustimmen.
Aus seiner Sicht ist dieser Vertrag nämlich ein Freifahrtschein zum Steuerbetrug großen Stils. „Wenn Sie heute eine Million unversteuert in die Schweiz schaffen“, rechnet er vor, „dann sparen Sie 420 000 Euro, die Sie dem Fiskus entziehen. Aber Sie müssen immer noch fürchten, entdeckt zu werden. Wenn aber der Vertrag unterzeichnet ist, gehören die 420 000 endgültig Ihnen. Sie müssen dann zwar möglicherweise noch einen kleinen Teil der Beute wieder abgeben. Aber der Rest gehört Ihnen, und kein Steuerfahnder könnte daran etwas ändern.“
Walter-Borjans kann gut und anschaulich erklären. Aber bis er wieder aufhört zu reden, kann es dauern – und dauern. Immerhin hat er es auf diese Weise geschafft, das Steuerabkommen noch zu blockieren, als es Wolfgang Schäuble bereits unterschrieben hatte. Einen Plan des Bundesfinanzministers zu vereiteln, das gelingt derzeit wenigen in der Politik.
Eigentlich ist der am Niederrhein geborene Sozialdemokrat Walter-Borjans, der gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, ein Nobody. Er kann unerkannt durch Köln gehen, wo er seit Urzeiten wohnt, nichts deutet darauf hin, dass der freundliche Herr mit dem runden Kopf und der riesigen Brille die Finanzwelt aufgemischt hat. Aber was er tut, ist populär. 70 Prozent der Bundesbürger finden sein Vorgehen laut Umfragen richtig. In seinem Veedel in Köln-Sülz kennen ihn die Leute inzwischen. Wenn sie ihn sehen, wie neulich auf einem Straßenfest, klopfen sie ihm auf die Schulter: „Machen Sie bloß weiter!“, sagen sie und: „Nicht unterkriegen lassen.“ Nowabo gefällt das.
Auf der folgenden Seite: Der bescheidene Finanzminister
Seine Karriere war kurvenreich. Nach dem Wirtschaftsstudium, einer Zeit beim Henkel-Konzern und der Promotion fing er als Hilfsreferent in der Düsseldorfer Staatskanzlei an. 1991 koordinierte er im Auftrag der Landesregierung den Kampf gegen den Hauptstadtumzug, die Sache ging schief. Später wurde er Regierungssprecher von Johannes Rau. Dann tauchte er als Staatssekretär in Saarbrücken und schließlich wieder in Düsseldorf auf, doch jede SPD-Regierung, der er diente, dankte kurze Zeit später ab. Zwischendurch war er auch mal Wirtschaftsdezernent und Kämmerer in Köln, bis ihn Hannelore Kraft 2010 in ihre Minderheitsregierung holte, wieder so ein Posten, der äußerst wackelig war. Nun aber ist Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen bestätigt – und Walter-Borjans hat seinen Platz und sein Thema gefunden: „Die Leute verstehen, was ich meine. Und sie finden es gerecht.“
Den Erfolg genießt der Minister auf seine unspektakuläre Weise, in Köln-Ehrenfeld, in der trostlosesten Ecke der Stadt. Früher bot die Gegend noch eine Mercedes-Vertretung, jetzt gibt es nur noch das Straßenverkehrsamt, einen Puff – und das Finanzamt für Steuerstrafsachen. Die Behörde liegt an der Straße „Am Gleisdreieck“, die genauso aussieht, wie sie heißt. Das graue Bürohaus betritt der Minister nur mit einer Referentin, er hat keine Kameraleute herbestellt und auch keine lokalen Würdenträger. Hier warten lauter Steuerfahnder auf ihn. Für sie ist Nowabo Robin Hood. Und Schäuble der Sheriff von Nottingham.
„Seit Diether Posser ist er der erste Minister, der uns hier besucht“, sagt Max Rau, der Finanzamtsvorsteher. Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre war das. Die Beamten klopfen Beifall, als die kleine Konferenz zu Ende ist, bei der man über alle anhängigen größeren Steuerstrafsachen geredet hat, aber auch darüber, was die Politik tun könnte, damit Steuerfahnder bei unangemeldeten Hausbesuchen vorsorglich auch Geld konfiszieren können. Norbert Walter-Borjans wird sich darum kümmern: beharrlich, wie es seine Art ist, und wenn nötig auch nervtötend.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.