Kurz und Bündig - Rebecca Goldstein: Kurt Gödel. Jahrhundertmathematiker

Ein Mathematiker als Popstar für Laien? Ein verstiegener Denker als romantisches Idol? Ein rationalistischer Theo­retiker, der Wahnvorstellungen anheim fiel und sich zu Tode hungerte? Ein Wissenschaftler, der den Nachweis führte, die Zeit existiere nicht, dessen Theo­reme die Zeit aber besser überdauerten als diejenigen vieler anderer Gelehrter? Kurt Gödel (1906–1978) war all dies.

Ein Mathematiker als Popstar für Laien? Ein verstiegener Denker als romantisches Idol? Ein rationalistischer Theo­retiker, der Wahnvorstellungen anheim fiel und sich zu Tode hungerte? Ein Wissenschaftler, der den Nachweis führte, die Zeit existiere nicht, dessen Theo­reme die Zeit aber besser überdauerten als diejenigen vieler anderer Gelehrter? Kurt Gödel (1906–1978) war all dies. Er, der in Brünn geborene, in Wien ausgebildete und 1940 in die USA geflohene Logiker, war zu­rückhaltend, schwierig und obrigkeitshörig. Nur eines ist er nicht – auch wenn es die amerikanische Autorin Rebecca Goldstein behauptet –, nämlich «der berühmteste unbekannte Mathematiker». Seit Douglas Hofstadters Buch «Gödel, Escher, Bach», das seit 1979 ungezählte Auflagen erlebt hat, ist Kurt Gödel auch außerhalb mathematischer und wissenschaftshistorischer Fakultäten alles andere als ein Phantom. Einfühlsam skizziert Goldstein etwa die enge Freundschaft zwischen Albert Einstein und dem um eine Generation jüngeren Logiker. Von Einstein ist die Aussage kolportiert, er habe sein Büro im Institute for Advanced Study in Princeton nur noch auf­gesucht, «um das Privileg zu haben, mit Gödel zu Fuß nach Hause gehen zu dürfen». Zu Kurt Gödels bleibenden Entdeckungen gehören die Un­vollständigkeitssätze, die er seit 1930 formulierte. «Gödels erster Unvollständigkeitssatz», so Goldstein, «sagt uns, dass ein widerspruchsfreies formales System, in dem die Arithmetik ausgedrückt werden kann, einen Großteil der mathematischen Wirklichkeit aus­blenden muss, und sein zwei­ter Satz sagt uns, dass kein formales System mit eigenen Mitteln seine Widerspruchsfreiheit beweisen kann.» Diese Sätze haben nicht nur die (Meta-)Mathematik in ihren Grundfesten erschüttert. «Bedeutende Denker haben die Unvollständigkeitssätze ­so­gar auf die Kernfrage der Geis­teswissenschaften bezogen, nämlich, was unser Menschsein ausmacht», schreibt Goldstein. Der Schriftsteller David Foster Wallace bezeichnete Gödel einmal als «Teufel für die Mathematik». «Nach Gödel», so Foster Wallace, «lässt sich die Annahme, die Mathematik sei nicht bloß eine Sprache Gottes, sondern eine Sprache, die wir entschlüsseln können, um die Welt und überhaupt alles zu verstehen, nicht mehr aufrechterhalten. Sie ist Teil der großen postmodernen Ungewissheit, in der wir leben.» Gegen solche Adep­ten, die Gödels Aussagen als Nachweis einer alles relativieren­den Unsicherheit heranziehen, verteidigt Rebecca Goldstein ihren Helden vehement und schlüssig. Gewiss, es gibt gehalt­vollere Bücher zu dem Logiker. Das Verdienst dieser soliden Einführung ist aber, Gödel wieder als den Rationalisten und Platonisten zu positio­nieren, der er war. «In der Welt der Mathematik ist alles im Gleichgewicht und perfekt geordnet», formulierte Kurt Gödel 1971 in einem Briefentwurf. Und weiter: «Sollte man nicht dasselbe für die Welt der Realität annehmen, ent­gegen allem Anschein?»

 

Rebecca Goldstein
Kurt Gödel. Jahrhundert­mathe­matiker und großer Entdecker
Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt.
Piper, München 2006. 320 S., 19,90 €

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