Viele Lehrer fühlen sich überfordert. Aber ist wirklich immer das System schuld? / dpa

Schule - Warum Lehrer scheitern

Wenn Lehrkräfte aus dem Beruf aussteigen, legen sie neuerdings die Gründe offen, indem sie offene Briefe schreiben oder Videos ins Netz stellen. Viele geben dem „kaputten Schulsystem“ die Schuld, wo es doch angemessener wäre, ihren eigenen Anteil am Scheitern zu hinterfragen.

Autoreninfo

Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er verfasste das Buch „Fluch des Erfolgs. Wie das Gymnasium zur ,Gesamtschule light‘ mutiert“.

So erreichen Sie Rainer Werner:

Bei YouTube hat eine neue Sparte Konjunktur: Aussteigervideos von Lehrern. Schon die Überschriften lassen erahnen, wie groß die Frustration gewesen sein muss, die die Lehrkräfte aus dem Beruf getrieben hat: „Mir langt´s: Eine Lehrerin steigt aus“; „Kaputtes Bildungssystem“; „Ich wusste, ich würde das nicht bis 65 durchalten“; „Als Lehrkraft machtlos“. 

Dass enttäuschte Lehrer ihren Beruf wieder an den Nagel hängen, hat es zu allen Zeiten gegeben. Während sie sich früher heimlich-leise davonschlichen, um die vermeintliche Schmach zu kaschieren, marschieren die heutigen Aussteiger mit lautem Trompetensignal aus dem Lehrerzimmer. Mit Aplomb verwandeln sie ihr eigenes Versagen in eine Anklage des „Systems“. 68 lässt grüßen. Die rebellischen Studenten von einst führten auch alle gesellschaftlichen Missstände, gerne auch das eigene Versagen, auf das kapitalistische System zurück, das so beschaffen sei, dass es das Glück der Menschen verhindere. 

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Karl-Heinz Weiß | So., 23. Juni 2024 - 18:29

Ein eindrucksvolles Plädoyer für den Lehrerberuf. Pädagogik ist die Grundlage, und die lässt sich nicht durch Seiteneinsteiger mit Schnellbleiche "ersetzen".
Eine befreundete Schulleiterin nannte die Rangfolge der Probleme in der Schule:
1. Eltern
2.Unterschiedliche Motivation im Kollegium
3.Schülerschaft

Albert Schultheis | So., 23. Juni 2024 - 19:32

"... wo es doch angemessener wäre, ihren eigenen Anteil am Scheitern zu hinterfragen." - Was seid ihr bloß für Weicheier! Ihr seid einfach den Anforderungen an den neuen "Wir schaffen das!"-Schulen nicht gewachsen.
Seit ich vor 10 Jahren nach meinem späten Wiedereinstieg in den Schuldienst hingeschmissen hatte - nach 3 Jahren Frondienst - habe ich jedem abgeraten, Lehrer in diesem Schuldienst zu werden - und das war noch vor 2015! Schon damals hatte ich Schüler, die nur über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügten. In vielen Klassen war die Disziplin so am Boden, dass man manchmal sein eigenes Wort nicht verstand. Hinzu kamen in fast jeder Klasse unangepasste Schüler und Schüler mit ADS/ADHS, die einfach nicht ruhig sitzen bleiben konnten, permanent flog irgendein fettes Mäppchen zu Boden und 20 Stifte verteilten sich geräuschvoll auf dem Boden. Dazu in jeder Klasse eine Handvoll Schüler mit Lese-/Rechtschreibschwäche und Dyskalkulie. Ich kann mir nur vorstellen, was nach 2015 geschah.

Bert Dufaux | So., 23. Juni 2024 - 19:58

Herr Werner spricht viele richtige Dinge an, beispielsweise, dass viele junge Lehrer an ihrer eigenen Erwartungshaltung und an der Sicht auf eine berufliche Tätigkeit an sich scheitern. Allerdings ist Herr Werner, der 1977 als Lehrer startete, nicht mehr mit den Problemen befasst, die es mittlerweile an der Schulen gibt und auch sind die Schulen, an denen er unterrichtete teilweise Privatschulen, hier gibt es einige dieser Probleme nicht. Der Beruf hat sich in den letzten 15 Jahren rasant geändert, weil tatsächlich vieles an den Schulen kaputt gemacht wurde, nur weiß das Herr Werner einfach nicht, weil er da schon im Ruhestand war. Nur ein Beispiel "Konferenzen können bereichernd sein, wenn sie ein spannendes pädagogisches Thema in den Mittelpunkt rücken" - ja das kann sein, aber wenn sich in einem Schuljahr die Zahl Konferenzen vervielfacht, was passiert ist, dann ist eine Konferenz nur noch eine Belastung, weil sie einem die Zeit für das Wesentliche nimmt: Den Unterricht.

dass Sie diese endlosen Laberkonferenzen ansprechen! Da wird stundenlang gelabert und es werden ellenlange Protokolle geschrieben, die keiner liest, ohne dass je konkrete Schritte folgten. Fazit: Ich als Wiedereinsteiger in meinen ehemaligen Beruf verlor an mehreren Nachmittagen in der Woche wertvolle Zeit, mich auf meinen Unterricht für morgen vorzubereiten. Nach 25 Jahren in der Industrie hat man keine Unterlagen mehr und nur wenige Kollegen helfen mal aus mit einem Arbeitsblatt!
Nachdem ich hingeschmissen hatte, kam eine verzweifelte Schulleiterin einer "Schmuddelschule" mit höchstem Migrantenanteil auf mich zu, sie suche dringend einen Physiklehrer, sie müsste sonst den Unterricht ausfallen lassen! Ich sagte zu unter der Bedingung, niemals in eine Konferenz gehen zu müssen - sie sagte zu! Es war traumhaft! Einfach nur Unterricht vorbereiten - am nächsten Tag Unterricht halten! Die ältere Dame war auch ansonsten eine wunderbare Schulleiterin: wenn es Probleme gab, war sie sofort da

Marianne Bernstein | So., 23. Juni 2024 - 23:18

Ich kenne eine davon. In Elternzeit hat sie einen Bachelor in Informatik gemacht und arbeitet nun erfolgreich als Programmiererin. Solche Menschen werden gesucht!
Es bringt doch nicht zu sagen, ihr Versager benehmt euch gefälligst. Natürlich ist das Problem die mangelnde Disziplin, die sich dann auch auf das weitere Leben der Schüler auswirkt und natürlich ist es ein Problem, wenn ein Lehrer nicht lernt seine Schüler zu erziehen. Aber lernt das ein angehender Lehrer? Ist das kein Systemversagen?

Walter Bühler | Mo., 24. Juni 2024 - 09:29

... zu Ihrem wichtigen Artikel nur zwei Fragen:

1.) Wie hoch ist der Prozentsatz derjenigen Lehrerinnen und Lehrer, die selbst Kinder erziehen oder erzogen haben?

Kann es sein, dass mancher Lehrer wird, der nie über eine längere Zeit eigene Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen sammeln konnte?

2.) Wieviele Schüler kommen aus Familien, in denen man sich wirklich um die Kinder kümmert?

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Gruppen, die in der Gesellschaft heftig gegen die "konventionelle" Familie agitieren, bewirken nicht nur eine sinkende Geburtenrate, sondern schaden auch den geborenen Kindern, weil sie nicht mehr sinnvoll betreut werden.

Feindschaft gegen die Institution Familie wirkt sich katastrophal auf die Kinder und damit auf die Schulen aus.

Staatliche Lehrer und Sozialpädagogen können das kaum ausgleichen. Zudem werden sie heute an den staatlichen Institutionen absolut wirklichkeitsfremd und unter falschen ideologischen Vorzeichen ausgebildet, idR unter dem queer-rot-grünen Banner des Zeitgeistes.

Sie haben vollkommen recht, lieber Herr Bühler: Wir sehen täglich, was rot-grün mit diesem Land anstellt, und es hätte mich gewundert, wenn dieses Versagen nicht auf die Schulen, auf das Bildungssystem durchschlagen würde. Nebenbei bemerkt: Schule/Bildung ist ja ländersache und bei uns in NRW war jahrzehntelang die SPD an der Regierung und somit ist auch jahrzehntelang an dem Bildungssystem herumgepfuscht worden. Und heute? - heute sind die Grünen mit in der Regierung...(!)

Kurt Janecek | Mo., 24. Juni 2024 - 14:58

1. Kulturwandel in DE
2. Paschaerziehung
3. Machtlose Lehrer und Schülerbegleiter
4. Leistungsniveauabsenkung
5. Nebensächliches wird Wichtiges vorgezogen
6. Schulpolitik ist gegen männlichen Schüler ausgerichtet

Nicht umsonst winkt die Welt-Wirtschaft ab wenn die Sprache auf Deutschland kommt.

Johannes | Mo., 24. Juni 2024 - 15:14

Arbeiten zu können.." so etwas gibt es für Junglehrer nicht. Die müssen Zickizacki funktionieren und nach 3 Monaten Unterricht gibt's Lehrprobe mit to be or Not to be.

Ein Gymnasiallehrer hat ein ganz anderen Schulaltag und Aufgaben als ein Lehrer der Sekundarschule. Etwa so wie der Apotheker und der Drogendealer, aber beide verdienen ihr Geld mit Medizin...

Ich glaube auch, dass Kinder aus "Bildungsfernen" Schichten Sachen verstehen bzw. spüren, die vor kurzem die ehemalige Familienministerin Schulze so zusammengefasst hat: Probleme der Migration, Renten- und Krankenversicherung, Infrastruktur und Digitalisierung werden seit Jahrzehnten von der Politik verschleppt und unseren Kindern vor die Füße gewarnt.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 25. Juni 2024 - 10:12

also frage ich.
Wie kann es sein, dass Lehrer* mangelnde Disziplin während des Unterrichts elterlicher Erziehung anempfehlen?
Zuhause ist nicht Schule.
Die besondere Fähigkeit, sich in Lerngruppen adäquat zu verhalten, sollten wohl Lehrer* in einer Klasse fördern.
Das Schulsystem sollte ausdifferenziert und ausbalanciert sein.
Interessante Lösungen für Disziplinlosigkeit.
Ein gutes Schulsystem sollte aber auch und da fehlte ich sicher in der Vergangenheit, die Eltern weitgehend aus der Schule heraushalten, bzw. klare Wege für Begegnungen/Auseinandersetzungen bauen.
Um eine gute Schulleitung kommt man nicht herum, die Lehrer und Schüler auch vor Eltern schützt?
An dieser Stelle Vertrauen aufzubauen hilft sicher.
Mea Culpa