Alena Buyx / dpa

Wie abhängig war der Ethikrat? - Moralischer Beistand

Eine durch die Tageszeitung „Die Welt“ veröffentlichte E-Mail zwischen Jens Spahn und Alena Buyx lässt Zweifel an der Unabhängigkeit des Ethikrats während der Pandemie aufkommen. Ein weiterer Skandal, der die wissenschaftliche Politikberatung weiter in Verruf bringt.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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„Jedes praktische Können und jede wissenschaftliche Untersuchung, ebenso alles Handeln und Wählen, strebt nach einem Gut, wie allgemein angenommen wird“, so heißt es, für heutige Ohren vielleicht etwas holperig, am Beginn der berühmten „Nikomachischen Ethik“ des Aristoteles – „Besonders aber freue ich mich darauf […] noch genauer zu erfahren, welche Wünsche und Ideen Sie für unsere Arbeit haben“, so steht es wiederum am Beginn eines Austauschs der einstigen Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats Alena Buyx mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aus dem Juni 2020. 

Beides also sind Aussagen über das richtige Handeln – das Kerngeschäft aller Ethik. Während der alte Grieche Aristoteles aber noch davon ausging, dass es als Grundlage jeglichen Tuns ein höchstes Gut geben müsse, das es zu erkennen und zu erreichen gelte – für ihn war dieses die Glückseligkeit –, scheint in der Ethik der Alena Buyx ein anderes höchstes Ziel im Fokus zu stehen: die Erfüllung der Wünsche der Mächtigen.

Diesen Eindruck zumindest kann man nicht von der Hand weisen, liest man den eingangs zitierten kleinen Auszug aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen Ethikrat und Bundesministerium für Gesundheit (BMG) während der zurückliegenden Corona-Krise, wie ihn die Tageszeitung Die Welt auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes herausgeklagt und am gestrigen Mittwoch in einem Auszug veröffentlicht hat. So weit, so gut, könnte man meinen. Es gibt schließlich viele Antworten auf die alte Kantische Frage „Was soll ich tun?“. 

Der eine mag es da eher utilitaristisch, andere wiederum legitimieren ihre Moral egoistisch. Und wieder andere wollen halt einfach nur antichambrieren. Glückseligkeit, in der Antike noch etwas hochtrabend Eudaimonie genannt, kommt für letztere Spezies dann eben auf anderem Wege ins Leben; zum Beispiel durch etwas mehr Sonnenschein: „Ihnen ein schönes Wochenende mit hoffentlich erholsamen und sonnigen Stunden“, lautet dementsprechend die Schlussformel aus Buyx‘ kleinem E-Mail-Verkehr mit Deutschlands oberstem Seuchenbekämpfer a.D. Mehr Glück also durch Vitamin-D-Zufuhr.

Offenes Ende

Was hier so locker geschildert wird, ist ein Skandal. Ein weiterer in der Geschichte der Aufarbeitung der deutschen Pandemiepolitik. Man weiß schon längst nicht mehr, wo man anfangen soll: bei der „Welle des politischen Drucks“ von der bereits im September 2021 der damalige Stiko-Chef Thomas Mertens sprach, als er über die Einflussnahme der Politik auf die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission Auskunft gab? Oder doch vielleicht erst bei den später geleakten RKI-Protokollen, die die medizinische Leitforschungseinrichtung der Bundesregierung heute längst wie einen willfährigen Befehlsempfänger von Jens Spahn und dessen Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) aussehen lässt? 

Könnte man nicht auch schon bei den bis heute gut gehüteten Impfverträgen der Ursula von der Leyen beginnen? Oder doch eben erst beim Deutschen Ethikrat, der nun ebenfalls dasteht wie ein abhängig Beschäftigter der Exekutive? Der Anfang ist beliebig, das Ende ist noch unbekannt. Doch ist die Büchse der Pandora erst mal offen, purzelt von überall das Unheil raus. Sollten eines Tages auch noch die staatlichen Daten zu Impfnebenwirkungen vorliegen, wie sie derzeit ebenfalls auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes beim Paul-Ehrlich-Institut herausgeklagt werden, man hätte noch ganz andere Start- und Landungspunkte vor Augen.

Doch zurück zu Alena Buyx und ihrer Mail an den Minister: In der wollte die approbierte Ärztin und heutige Professorin für Medizinethik an der TU München laut Welt nämlich nicht nur von den „Wünschen und Ideen“ der Regierung erfahren, sie teilte zugleich auch schon einmal ihre Vorfreude auf den „intensiven Austausch“ mit. Das Ganze klingt im Ton derart liebreizend und arglos, dass man bei der Lektüre glatt vergessen könnte, worum es beim Ethikrat eigentlich gehen sollte.

Laut des Gesetzes zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats vom 16.07.2007 soll selbiger nicht nur die Diskussion in der Öffentlichkeit mittels Information fördern sowie Empfehlungen für politisches und gesetzgeberisches Handeln erarbeiten. Aus Paragraph 3, der die Stellung des Ethikrats definiert, geht auch klar die Autonomie des Gremiums hervor: „Der Deutsche Ethikrat ist in seiner Tätigkeit unabhängig und nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden. Die Mitglieder des Deutschen Ethikrats üben ihr Amt persönlich und unabhängig aus.“

Ethik à la Buyx

Von Wünschen der Regierung also kein Wort. Doch da Rechtstext und Rechtspraxis zuweilen zwei verschiedene Dinge sind, ist in der Vergangenheit schon mal der eine oder andere Zweifel an der Unabhängigkeit des Gremiums aufgetaucht. Gab es bei den Tugendwächtern etwa Moral auf Bestellung? Wie sonst schließlich wäre es zu erklären, dass sich die Argumentationslinien von Regierung und Ethikrat besonders unter der Leitung von Alena Buyx („Jede Dosis muss in einen Arm“) auf oft so merkwürdige Weise zu reimen schienen? 

Nahezu zeitgleich kam man hier wie dort zu gleichen Überzeugungen. Zwar bestreitet Alena Buyx, die 2021 zudem auch in den Expertenrat des Bundeskanzleramts berufen wurde, bis heute, dass der Ethikrat der Politik während der Gesundheitskrise hinterhergelaufen sei. Kritiker indes – in der Wissenschaft wie in der Politik – sehen das ganz anders. Und die jetzt veröffentlichte Mail dürfte deren Argumentation sicherlich stützen. 

Doch man sollte vielleicht auch nicht zu hart über die Ethik à la Buyx urteilen. Am Ende führt nämlich auch die, wenn nicht zur Glückseligkeit, so doch immerhin zu einer kleinen persönlichen Beseligung. Die 47-jährige Medizinethikerin nämlich, die mit dem österreichischen Politikberater und Lobbyisten Josef Lentsch verheiratet ist, hat nach ihrem turnusmäßigen Ausscheiden aus Deutschlands oberster Moralkommission längst neue Lenkungsaufgaben übernommen. 

Seit letztem Sommer ist die frisch gebackene Bundesverdienstkreuzträgerin Kuratorin der im politischen Berlin höchst einflussreichen Bertelsmann-Stiftung. Und glaubt man Table Media, dann wird Buyx ab 2025 auch noch Mitglied des Wissenschaftsrates werden. Alles Handeln und Wählen strebt eben nach einem Gut. Und sei es auch nur das Gut des eigenen Wohlergehens. Was auf der Strecke bleibt, das ist der ehemals gute Ruf der wissenschaftlichen Politikberatung.

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Raymon Schneider | Fr., 29. November 2024 - 08:45

Frau Buyx verfolgt sicher zielstrebig ihre Karriere und das erfolgreich. Welche Ziele mit den ihr anvertrauten Positionen eigentlich zu anzustreben wären, ist ihr recht gleich, da sie, wird ein Posten einmal durch ihre Person ausgefüllt, über die Zielrichtung der ihr anvertrauten Position selbst glaubt entscheiden zu können. So jemanden nennt man wohl eine Opportunistin, oder eher: Karrieristin. Sie ist damit aber nur Ausdruck der Mentalität unserer Gesellschaft. Ob letztere durch Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit Schaden nimmt, ist ihr vollkommen gleich. Mittlerun versteht sie es gar nicht.

Claudia Martin | Fr., 29. November 2024 - 08:56

Der unmoralische Ethikrat arbeitet doch hoffentlich ehrenamtlich. Aber wer braucht solche Leute ? Und dann gibt es doch auch noch die linken Wirtschaftsweisen. Diese "Elite" kann weg.

Maria Arenz | Fr., 29. November 2024 - 09:14

das ist ja nun wahrlich wieder ein Artikel aus der Schublade "Hund beißt Mann". Niemand, der dieser "ätherethischen" Schönheit bei einem ihrer weiß Gott zu zahlreichen Auftritte erlebt hat, konnte glauben, daß die ihren Job in der "Ethik-Kommission" irgendenwelchen streng wissenschaftlichen oder charakterlichen Qulitäten verdankt. Schon allein die Idee, "Ethik" an ein besonders Gremium sozusagen outzusourcen war doch einfach irre. Und dann noch besetzt mit so einem typischen Gewächs aus dem Treibhaus namens Quote. Was sollte denn da anderes herauskommen als den Auftraggebern Gefälliges?

Albert Schultheis | Fr., 29. November 2024 - 09:47

"höchstes Ziel im Fokus ...: Die Erfüllung der Wünsche der Mächtigen." - In diesem Fall der "Mächtige" gelernte Sparkassen-Filialleiter "Wo-gehobelt-wird-..." und der drittklassige Medizinprofessor Klabautermann. Sie haben sie alle gedeckelt! Die Wissenschaftler des vormals renomierten RKI, des PEI, der STIKO, gleichermaßen wie den "Ethikrat" unter der Buyxe der Pandora, so wie die großen Industriekapitäne der Republik. Sie alle standen einmal unter der Ägide großer Deutscher: Robert Koch, Paul Ehrlich, Immanuel Kant, Werner von Siemens, ... Heute haben diese Instititionen nur noch Schrottwert, so wie unsere Kraftwerke, der Dieselmotor, VW und BASF - ehemalige Vorzeigeinstanzen deutscher Wissenschaft, Wirtschaft und Ingenieurskunst. Innerhalb des RKI gab es ja wenigstens noch den Versuch eines Widerspruchs - während überall sonst die Arschkriecher:Innen instinktiv ihrer fäkalen Witterung folgten! Ekelhafte Charakterlosigkeit und das absolute Gegenteil zu jeglicher Kantischen Ethik!

Albert Schultheis | Fr., 29. November 2024 - 10:08

Danke, werter Hanselle für die in jeder Beziehung treffenden Worte!
Man wünschte sich in Deutschland einen argentinischen Herkules mit Kettensäge, der diese alles umschlingenden, tausendfachen mit Saugnäpfen bestückten kopffüßlerischen Tentakel einfach absägte! All diese nichtsnutzigen, Blut saugenden "Ethikräte", die sich einschleimenden NGOs, die out-ge-sourceten Blockwarts-Plattformen, einschließlich der Öffentlich-Rechtlichen Propaganda-Anstalten ... - Sie alle gehörten radikal abgesägt und verbrannt, wie die Metastasen eines Krebsgeschwürs, um den demokratischen Kern-Organismus zu befreien und wieder zu frischem Atem zu führen. Dieser Kern-Organismus ist einzig und allein das Deutsche Volk, so wie's im Grundgesetz steht! Es braucht weder "ethische" Betreuung, noch Benimm-Gängelung durch staatlich gestopfte Gänse bei den ÖRR oder NGOs! Alle Ethik, alle Wissenschaft und Erkenntnis erwächst allein aus dem fruchtbaren Boden eines tätigen, nach Glück und Gut strebenden Volkes.

Tomas Poth | Fr., 29. November 2024 - 10:36

... wohl in die Büx gegangen.
Auch hier das Problem der Geltungs- und Karrieresucht, die äußerliche Zurschaustellung, Omi guck mal was ich geworden bin.
Eine Frau die Freude an ihrer Stellung hat aber keine solide Leistung erbringen kann, außer die Fahne mit dem Wind wehen zu lassen.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 29. November 2024 - 10:45

Wurde das zu Beginn der Coronalüge behauptet, galt man sofort als Leugner usw. Dabei waren bereits die öffentliche Auftritte vieler sog. "Experten", ob Drosten/Wieler oder eben Buyx zumindest in höchstem Maße verdächtig. Dennoch wurden sie von jedem Verdacht freigesprochen und selbst die offensichtlichsten "Absprachen" als angebliche Verschwörung abgetan. Und nun lesen wir ständig, wie stark die Politik eingegriffen hat. In der BILD wird Lauterbach mit Email der politischen Einflussnahme überführt und jetzt hier im Cicero Frau Buyx. Und was passiert? Alles, aber auch alles was die "Corona Leugner" behauptet, sicher manchmal auch nur gemutmaßt haben, alles hat sich inzwischen bestätigt. Und was Herr Hanselle bedeutet denn heute noch ein guter Ruf? Sie wissen doch, Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich völlig ungeniert. Auf eine echte Aufklärung und persönliche Konsequenzen für die Täter von Lüge, Betrug und Grundrechtseingriffen wie Spahn, Lauterbach & Co. werden wir lange warten.

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