- Das Ende von Chinas langem Aufschwung steht bevor
Die schlechten Nachrichten aus Chinas Wirtschaft reißen nicht ab. Ein Vergleich mit der Wirtschaftsgeschichte anderer Großmächte legt nahe, dass Chinas lange Boom-Phase allmählich endet.
Seit geraumer Zeit schon gilt China als Wirtschaftswunder; als ein Land, dessen Aufstieg es letztendlich an die Spitze der globalen Wirtschaft führen würde. Die Begründung für diese Erwartung beruhte auf den Wachstumsraten, die China seit Deng Xiaopings Übernahme des Vorsitzes der Kommunistischen Partei Chinas verzeichnet hat und seinem Aufruf an das chinesische Volk, sich selbst zu bereichern. Dies markierte das Ende des Maoismus und leitete einen wirtschaftlichen Aufschwung ein. Es war und musste sozusagen ein sogenannter „dead cat bounce“ sein: Wenn eine tote Katze tief genug fällt, macht auch sie nach dem Aufprall einen Sprung nach oben.
China ist natürlich weit davon entfernt, eine tote Katze zu sein. Aber 1978, als Deng die Macht übernahm, lag die Wirtschaft ziemlich darnieder. Chinas Aufschwung in den darauffolgenden Jahrzehnten war schlichtweg die Reaktion der Wirtschaft darauf, befreit worden zu sein, zusammen mit der Marginalisierung des Marxismus-Leninismus.
Parallelen in der amerikanischen und japanischen Geschichte
Das Wachstum war beachtlich, aber nicht beispiellos. Ähnliche Geschichten ereigneten sich in den Vereinigten Staaten und in Japan. Dies ist ein Zyklus, über den ich bereits zuvor geschrieben habe, aber er ist relevant, um das heutige China zu verstehen. Im Jahr 1890 lag der Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten 25 Jahre zurück. In diesen zweieinhalb Dekaden herrschte wirtschaftliche und finanzielle Instabilität. Die USA konnten zwar produzieren, der inländische Markt war jedoch begrenzt, weshalb die Amerikaner gezwungen waren, sich nach ausländischen Märkten umzusehen. Die Exporte stiegen, bis die Vereinigten Staaten in den frühen 1900er Jahren fast die Hälfte aller hergestellten Güter weltweit produzierten.
Diese Exporte förderten die amerikanische Industrie, die auch vom Ersten Weltkrieg profitierte. Dies setzte sich fort, bis in den 1920er Jahren der Krieg beendet war und Europas Fähigkeit, importierte Waren zu bezahlen, sank. Die USA standen vor der Realität, der alle exportierenden Länder gegenüberstehen: Sie waren abhängig von der Kaufkraft ihrer Kunden. Dies führte zur Großen Depression, und die Erholung kam erst, als der Zweite Weltkrieg endete und die inländische Nachfrage wieder zunahm.
Japan durchlief einen ähnlichen Zyklus. Seine Wirtschaft wurde durch den Krieg verwüstet, und das Land begann seine Erholung um 1950. Auch hier basierte sie auf der Kombination von Fertigungsqualitäten und Exporten, zunächst von geringwertigen Produkten. („Made in Japan“ deutete meist auf geringe Qualität hin.) Der Hauptmarkt waren die Vereinigten Staaten. Im Laufe der Zeit stiegen die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der japanischen Exporte. Japanische Automobile schädigten die amerikanische Autoindustrie in den 1970er Jahren erheblich. In den USA wuchsen der politische und wirtschaftliche Widerstand gegen japanische Importe. Die Reaktion darauf und ein in Japan fehlendes Kontrollsystem im Bankwesen führten zum „verlorenen Jahrzehnt“, das nach einem 40-jährigen Boom ein neues Modell erzwang – ungefähr die gleiche Zeitspanne wie die Boom-Dekaden Amerikas. Warum ausgerechnet 40 Jahre die Zeitspanne zu sein scheinen, weiß ich nicht.
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Chinas Wirtschaftswunder begann um 1980 nach der Kulturrevolution, die genauso brutal war wie ein Krieg. China, das auf Wiederaufbau angewiesen war, folgte den amerikanischen und japanischen Modellen und verließ sich auf Exporte, zuerst basierend auf dem Preis und später auf technischer Raffinesse. Chinas Bruttoinlandsprodukt explodierte, und es wurde zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Aber es gab einen Fehler in dieser Sichtweise, weil das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weltweit nur auf dem 76. Platz lag. Aufgrund seiner großen Bevölkerung kann China relativ unproduktiv sein und dennoch erstaunliche Zahlen generieren. Dies unterscheidet Chinas Aufstieg von dem der USA und Japans, wo das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts eine hohe Produktivität widerspiegelte.
Dennoch wuchs China, bis es an eine Grenze bei den Kapitalrenditen in der Immobilienbranche und natürlich während der Corona-Pandemie stieß. In dieser Woche nun erreichte China einen weiteren kritischen Punkt: Deflation. Wir alle hassen Inflation (außer wenn wir versuchen, unser Haus zu verkaufen). Aber Deflation verringert den Wert aller Produkte und bedeutet, dass der nominale Wert von Vermögenswerten und Einkommen sinkt, während die Schulden gleich bleiben. Dies beeinträchtigt die Möglichkeit, ein Geschäft zu hebeln, insbesondere bei Immobilien, die in China eine Form des Sparens darstellen. Anstatt ihr Geld bei Banken zu hinterlegen, kaufen Chinesen Wohnungen und Häuser. Bei Deflation nimmt der Wert ihrer Immobilien ab, während ihre Schulden stabil bleiben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass derzeit ein weiteres führendes chinesisches Immobilienunternehmen anscheinend ins Wanken gerät.
Schwachstellen des chinesischen Regimes
Die Deflation in China ist noch nicht signifikant, aber sie prägt die Erwartungen an das Kommende. Die Exporte sinken angesichts einer globalen Konjunkturabschwächung, die Exporteure wirklich trifft, wie wir gesehen haben. Die auffälligste Zahl ist, dass die Arbeitslosigkeit unter chinesischen Jugendlichen im Alter von 16 bis 24 Jahren bei 22 Prozent liegt. Dies ist ein explosiver Teil der Bevölkerung, der keine Arbeit hat, und es unterstreicht die Stagnation der Geschäftstätigkeit.
Ein weiterer kritischer Punkt: Obwohl die lokalen Regierungen im chinesischen Landesinneren weniger als die Hälfte der Schulden haben, sind sie die Regionen mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für Zahlungsausfälle. Chinas Inneres ist weitläufig und arm, und als Mao die Regierung stürzen wollte, begab er sich auf den Langen Marsch ins Landesinnere, um eine Armee aus den dort lebenden Menschen zu rekrutieren. Sie haben am wenigsten von dem Boom profitiert, und die Verbitterung in dieser Region ist für Peking am gefährlichsten. Wie die chinesische Verschuldung verteilt ist, spielt eine große Rolle. Die USA hatten ihren Bürgerkrieg vor einem wirtschaftlichen Aufschwung, und Japan hatte den Zweiten Weltkrieg. China hatte auch einen Bürgerkrieg, aber es ist nicht klar, ob damit grundlegende politische Angelegenheiten geklärt wurden.
Die schlechten Nachrichten aus Chinas Wirtschaft reißen nicht ab, und die USA tragen dazu bei, indem sie den Zugang Chinas zu Technologie und Investitionen blockieren. Die Richtung, in die China steuert, ähnelt der von Japan und den USA, jedoch ohne die stabile Basis und ohne die Ressourcen, die sie hatten. Es ist möglich, dass dies einfach ein zyklisches Ereignis ist, aber das politische Fundament in China ist sehr unterschiedlich. Außerdem befinden wir uns an dem merkwürdigen 40-Jahre-Punkt, was darauf hinweist, dass China in Zukunft immer noch eine Macht sein wird, aber dass der Aufschwung zu Ende geht.
Die Philippinen haben diese Woche mit durchaus groben Worten eine chinesische Forderung zurückgewiesen, sich von einem umstrittenen Atoll im Südchinesischen Meer zurückzuziehen. Die Unfreundlichkeit der Philippinen ist ein recht guter Indikator für den Niedergang Chinas.
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Nur ein Beispiel von vielen: Um möglichst vielen jungen Menschen einen Job zu verschaffen, setzte man in China auf Hochschulbildung. Heute ist eine immense Zahl frischer Diplom-Inhaber ohne Aussicht auf eine adäquate Stellung, während Arbeitskräfte im gewerblichen Bereich begehrt sind. Diese Vorstellung, ein Uni-Abschluss garantiere auch einen guten Job, war noch vor 40 Jahren aktuell, heute nicht mehr. Ich will damit sagen: Man versucht auch in China mit althergebrachten Methoden und Dogmen die Wirtschaft in Schwung zu halten, aber das funktioniert nicht mehr, wir leben in einer anderen Welt, und der China-Boom ging zu rasch über die Bühne, ohne Nachhaltigkeit zu sichern. Eine Tatsache, die der Autor zu Recht betont: Man darf sich nicht von den reichen Glitzerzentren der Ostküste täuschen lassen, im Landesinneren sieht es ganz anders aus.
China scheint abzurutschen. In letzter Zeit verstärkt in sehr guten Analysen zu lesen - so auch hier von G.Friedman.
Wirtschaftlich gibt es offensichtlich zunehmend Probleme in CN. Das hat sicher viele Gründe - einschließlich der Tatsache, daß so manche überaus positiven Vermeldungen aus der Diktatorenküche etwas zu sehr mit Schlagobers aufgepeppt waren.
Ein anderer Grund ist aber weithin auch klar:
Zugang zu High Tech ist für CN per Sanktionen halt nun mal deutlich erschwert. Nucht nur, aber auch der Zugang zum Chipmarkt.
Und wo genau sitzt einer der größten und stärksten Chiphersteller?
Genau... in Taiwan, der wunde Punkt in Chinas Weltmachtstreben!
Ich will ja immer sehr ungern spekulieren, hier mache ich eine Ausnahme:
In Taiwans Haut möchte ich nicht stecken - da kommt noch was richtig "Großes" auf Taiwan und die Welt zu!
Und unsere wichtigsten Themen: Gendern, Antirassismus. Und Morgenthauplan - auf Grund katastrophaler Wirtschaftspolitik.
Hauptsache wir sind die Guten.
Ein gut strukturierter Beitrag, der mit dem verbreiteten linearen Denken bei der Einschätzung Chinas bricht. Die abrupte Kehrtwende in der Corona-Politik und vor allem die anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit sind für die Ein-Mann-Herrschaft hochgefährlich.
überschuldet, wesentliche Teile der sind es Wirtschaft auch und es stehen ganze Neubaustädte herum, in denen kaum jemand lebt. Andererseits hat China auch viel in die Infrastruktur investiert und Kredite mit neuen Krediten bedient. Mit anderen Worten, China muss die Staatsquote senken in einer Zeit, in der allein die beiden größten Baukonzerne 450 Milliarden Schulden haben und die Zinsen nicht mehr zahlen können. Da können wir nur noch auf den europäischen und den amerikanischen Markt hoffen. Selbst die E-Autobranche liefert sich dort gerade einen ruinösen Preiswettbewerb. Das wird durchwachsen, aber keine Katastrophe. Neue Standorte brauchen neue Maschinen und die hochpreisigen Verbrennermodelle gehen nach wie vor wie geschnitten Brot im Export. Daran wird sich auch nichts ändern. Business as usual nur die Energie muss in Deutschland für alle billiger werden.
Ach, Mr. Friedman, das ist verordneter China-Pessimismus. Nicht viel mehr wert wie ein Orakel. Warten wir ab. Fakt ist, die USA samt ihre rüstungslastigen Wirtschaft wird in Kürze implodieren. Das wäre die richtige Botschaft gewesen. Wenn der Dollar als Weltwährung abstürzt - und das steht unmittelbar bevor - dann ist es Aus mit den USA. Dies wäre mal ´ne Aussage. Aber Mr. Friedman betätigt sich als Quacksalber, und immer noch gibt es ein paar Leute, die ihm glauben...
China hat längst den Kapitalismus, die zeigen es dem Westen, wie gewirtschaftet wird, mit Indien sind das die neuen Supermächte.
Die USA mit über 31 Bill Staatsschulden ist eigentlich längst Pleite, auch die EU- Länder haben über 10 Bill Schulden, viel mehr, als der ganze Ostblock hatte und dort flossen noch die Gewinne der Betriebe, Banken, Rohstoffe,... zurück in die Staatskasse
"Die Sonne geht im Osten auf", auch der Russe hat eine beachtliche Entwicklung mit kaum vorstellbaren Bodenschätzen, ebenso dem wohl wichtigsten PM Ackerland
... der Chefideologe des "Kalten Krieges" und letztendlich auch der Chefideologe des Stellvertreterkriegs USA/NATO gegen Russland in der Ukraine, von dem folgende Zitate stammen: "Russland bedroht nicht Amerikas globale Position, aber die bloße Möglichkeit, dass es mit Europa und insbesondere Deutschland zusammenarbeitet, eröffnet die größte Bedrohung in diesem Jahrzehnt, eine langfristige Bedrohung, die im Keim erstickt werden muss." und "Das Hauptinteresse der Vereinigten Staaten, wegen dem wir jahrhundertelang Kriege geführt haben – den Ersten, den Zweiten und den Kalten Krieg –, ist die Beziehung zwischen Deutschland und Russland, weil sie dort vereint die einzige Kraft sind, die uns bedrohen könnte. Und wir müssen sicherstellen, dass das nicht passiert." Eine ähnliche ideologische Haltung vertritt dieser neokonservative Scharfmacher wohl auch gegenüber China ...