ku-damm-dritte-staffel-berlin-zdf-emotionslos-kritik-kultur-fernsehen
Die Protagonisten der dritten Staffel der Serie „Ku’damm“. / dpa

Meistgelesene Artikel 2021: März - Es ergreift nicht

Die dritte Staffel „Ku’damm“ ist im ZDF gestartet. Sie funktioniert nicht. Zu vieles bleibt Behauptung und das Drama zündet nicht. Diese frühen 60er Jahre wirken wie aus einem steifen westdeutschen Film der frühen 60er Jahre.

Autoreninfo

Jens Nordalm leitete bis August 2020 die Ressorts Salon und Literaturen bei Cicero.

So erreichen Sie Jens Nordalm:

Die nächste Staffel „Ku’damm“ – jetzt „1963“. Natürlich will man das sehen. Zu gern sieht man ja eigentlich die Schauspieler, die Gesichter, das Setting der Nachkriegszeit, auch die Geschichte in ihrer Grundanlage, die Schöllack-Frauen um die Tanzschule „Galant“ am Kurfürstendamm, die Mutter und die drei Töchter in ihren unglücklichen Beziehungen. Die ersten zwei Staffeln „56“ und „59“, geschrieben von Annette Hess, haben die meisten als gelungen in Erinnerung.

Völlig emotionslos 

Aber was war da jetzt los? In drei neuen Lang-Teilen (nun Hauptautor: Marc Terjung, Regie: Sabine Bernardi) gibt es kaum etwas, das berührt. Dabei könnte einiges von dem berühren, was da erzählt wird. Oder besser: was da gezeigt wird. Denn das ist wahrscheinlich der Punkt: Wenn es denn erzählt würde, könnte es berühren.

Da wird der „Beatschuppen“ des Holocaust-Überlebenden Freddy (Trystan Pütter) verwüstet und ein Hakenkreuz auf den Boden geschmiert. Und es lässt einen kalt. Da wird Mutter Schöllack (Claudia Michelsen) vom Bus überfahren, überlebt im Stahlkorsett, aber die Intensität dieser Momente ist nicht größer als die Intensität der Minuten, in denen sie mit ihrer alten Liebe Assmann (Uwe Ochsenknecht) Kaffee trinkt. Es ist alles irgendwie gleich gesprochen, dargestellt, aufgeführt, aber es ergreift nichts.

Da bringt sich Joachim (Sabin Tambrea) um – und der stärkste Hinweis darauf, was man da empfinden könnte, findet sich in dem todesbleich-leeren Gesicht und den hysterischen Ausbrüchen seiner Frau Monika (Sonja Gerhardt); aber ohne dass diese dargestellten Gefühle irgendeine Beglaubigung durch einen eindringlichen Dialog fänden. Sie bleiben eine Behauptung.

Irreführendes Emanzipationsgeschehen 

Ebenso bloß behauptet ist manches Verhalten der Schwestern, das man als Emanzipationsgeschehen verstehen könnte, wenn es sich nicht so erratisch und sprunghaft ansähe. Innerhalb von Minuten werden aus sich unterordnenden Ehefrauen wilde freie Mädchen und zurück. Am Ende ist der schwule Staatsanwalts-Ehemann auf Nimmerwiedersehen in Ostberlin und Helga (Maria Ehrich) ist übergangslos so entspannt und unbeschwert, dass man glaubt, da müsse was fehlen im Drehbuch.

Eine einzige Szene gibt es, bei der man auf einmal intensiver zuhört. Die aus dem kalifornischen Exil nach Deutschland zurückgekehrte Chansonniere Hannelore Lay („Ich wollte nicht für Goebbels singen müssen“) liefert sich einen Schlagabtausch mit Mutter Schöllack, die es für ehrenwerter hält, in den schlimmen Jahren im Land geblieben zu sein. Aber selbst hier kann man nicht zuhören, ohne sich ständig zu fragen, warum um Himmels willen die Lay so einen heftigen amerikanischen Akzent spricht? Sie ist doch deutsche Muttersprachlerin.

In jeglicher Hinsicht eine Enttäuschung

Was sonst gar nicht funktioniert in dieser Staffel, ist das Hineinspielen des zeitgenössischen politischen Hintergrunds. Der Berlin-Besuch Kennedys interessiert niemanden hier, schon den Zuschauer nicht, und dann auch nicht Monika und Joachim, die ihre gerade gekauften Amerikafähnchen wegwerfen und lieber an die Ostsee fahren – es sieht aus wie der Märchenwald bei Heiligendamm, aber ging das 1963? –, wo sich Joachim dann umbringt. Peinlich die Szene, in der in diesen Stunden Schöllack-Michelsen und Assmann-Ochsenknecht mit der gemeinsamen Enkelin eng und steif auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen und im Moment des „Ich bin ein Berliner“ pseudo-gerührt auflachen: Och, wie putzig doch, der Präsident!

Und dann ist alles, selbst die Dialoge, immer wieder übergossen mit einer soßigen Orchestermusik, die einem ständig vorgibt, wie man zu fühlen hat. Es ist eben ZDF – und auf ZDF-Publikum, wie man es sich offenbar noch immer vorstellt, zugeschnitten.
Eine Enttäuschung leider auch die Schauspieler. Sie sagen hölzerne Texte auf, sie stellen wacker Drama und Ernst dar. Aber nichts wirkt dramatisch und ernst, nichts macht einem einen Kloß im Hals, nichts entwickelt einen emotionalen Sog.

Es zündet nicht

Trystan Pütters Freddy, immer irgendwie fingerschnippend und mit irgendwelchen halb-rasanten Gesten und Bewegungen, ist von seiner lässigen Unwiderstehlichkeit stets überzeugt – allerdings ohne jedes für den Zuschauer fühlbare Recht. Man fühlt sich an seine Jugend-Fernseherlebnisse mit Peter Kraus erinnert, dessen Elvis-Behauptungen man auch nie glaubte.

Ein latinokitschiger Tango-Lehrer bei den Schöllacks (Giovanni Funiati) verführt Helga aus dem Tanz heraus – und man weiß nicht, wie das zugegangen sein soll, weil auch diese Tanz-Erotik eine peinliche Behauptung bleibt. Zumal auch der „Tango“ wieder in der Gestalt soßiger Orchestermusik erklingt.

Claudia Michelsen spielt die Schöllack, wie man sich eine Schöllack-Schauspielerin in den frühen 60er Jahren vorstellen würde. Mit spitzem Mund, oft pikiert, entrüstet, steif, mit altmodisch-komödiantischer Mimik. Nun kommt man kurz auf die Idee, ob das also, bei ihr wie bei den anderen, Absicht sein könnte? Eben 60er-Jahre-Stil? Aber das hieße wohl, mittelmäßige 60er-Jahre-Schauspielerei mit den 60er Jahren zu verwechseln. Es hilft nichts: Es zündet nicht.

Das Auge bleibt trocken

Sabin Tambreas Joachim guckt ernst und betreten; aber auch seine Suche, seinen Kampf mit der Schriftstellerei und mit dem Erbe seines Rüstungsindustriellenvaters nimmt man zur Kenntnis, aber nicht ernst. Er wirft halt mal sein Manuskript in den Papierkorb und sagt: „Ich bin kein Musil.“

Auch August Wittgensteins Wolfgang guckt die allermeiste Zeit ernst und leidend – woran genau (ja, man weiß es, die Homosexualität), das würde man trotzdem immer wieder gern verstehen. Nichts fühlt man auch bei seiner kurzen misslingenden Begegnung mit seinem früheren Geliebten in Ost-Berlin. Es hätte einem das Herz zerreißen können. Aber nichts zerriss.

Das Beste kommt zum Schluss

Und ist es wenigstens sonst schön anzusehen? Ja, das ist es erst einmal (Kostüm- und Szenenbild Maria Schicker und Axel Nocker): Die Villen, die Wohnungen, die Inneneinrichtung, selbst die Gefängniszelle, in der Tochter Eva Schöllack (Emilia Schüle) vorerst endet, sieht sehr schön pastellig und lichtdurchflutet aus. Wunderbare Sixties-Sachen haben alle an. Allerdings sieht wirklich alles so aus wie gleichzeitig gestern gekauft und dann hergezeigt. Und die Autos! Aber man ist es bald auch leid: In viel zu vielen Einstellungen stehen sie schön rum und fahren schön langsam vorbei. Man bemerkt vor allem die Absicht – und ist verstimmt.

Noch irgendetwas Positives? Ja! Zwei sind großartig: die alten Haudegen – und noch nie haben sie so alt ausgesehen! – Uwe Ochsenknecht und Heino Ferch. Denen kann man auch beim Nichtssagen wunderbar zugucken. Und deren Sätze wirken seltsamerweise nicht aufgesagt. Es muss an ihnen liegen.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Rob Schuberth | Mo., 22. März 2021 - 19:22

Ist so eine lahme Serienstaffel nicht u. U. Absicht des ÖRR, der immer noch seiner versagten Beitragserhöhung nachweint?

Es gab dazu Äußerungen des Herrn Buhrow, dass man nun eben werde sparen müssen...und zwar am Programm.

Gefühlt gab es noch nie so häufig Wiederholungen wir jetzt.

Petra Führmann | Mo., 22. März 2021 - 20:03

wurden Autor und Regisseur ausgetauscht? Die ersten beiden Staffeln waren doch großartig. An den Schauspielern kann es dann doch nicht liegen, wenn es in den anderen Folgen funktioniert hat. Ich liebe diese Retrospektive, die Möbel, die Musik.. aber es ist wahr, so mitreißend wie die anderen Staffeln war es gestern nicht. Trotzdem sehe ich mir die anderen beiden Folgen auch noch an. Bitte wieder den vorigen Autor und Regisseur an die Arbeit!!!

Ernst- Günther Konrad | Di., 23. März 2021 - 09:35

Habe es mir angesehen. Kann der Kritik noch nicht vollends zustimmen, so lange ich nicht alle Teile gesehen habe. Wenigstens kam das Wort corona und Merkel nicht vor.

Auch ich war sehr froh, dass weder Merkel noch Corona vorkamen.Ich fand die Staffel gut, auch das steife der sechziger Jahre fand ich gut umgesetzt. Ich hab sie mir in der Mediathek zu Ende angeschaut. Außerdem ist so etwas immer Geschmackssache, egal, was der Kommentator zur Serie schreibt, jeder muss es selber sehen. Wie gesagt: mir hat’s gefallen.

Günter Johannsen | Di., 23. März 2021 - 11:27

schaue ich auch das ZDF (mit dem linken Zweiten sieht man schlechter) schon lange nicht mehr. Warum? Ob es Tatort ist, oder Schmalz-Serie: es ist durchtränkt von linker Propaganda und Volkserziehung. Das hatte ich schon damals (vor 1989) satt und hatte es mir erspart, weshalb bei mir nur Westfernsehen lief.
In den neu verzapften Tatorten erscheint bei "den Guten" auf PCs oder Schränkchen immer wieder ganz unscheinbar, aber doch aufdringlich ein Aufkleber FCK-AfD oder FCK-NZS. Warum nicht auch mal ein FCK-ANTIFA? Und fast immer kommen jetzt die bösen Nazis als die Kriminellen ins Spiel. Das ist für mich wirklich zum Ab ... schalten! Da kommt für mich wie von selbst zunehmend mehr die Frage auf, wer veranlasst solch dümmlich-durchschaubare AgitProp-Inszenierung? Ist es nur der Chef-Redakteur, oder der gesamte ÖRR, der okkupiert ist von alten rückwärtsgewandten Seilschaften nach deren Motto "Vorwärts nimmer, rückwärts immer"? Ja:"Man bemerkt vor allem die Absicht – und ist verstimmt."

Ja, werter Herr Johannsen, das ist leider so zu beobachten und nennt sich Framing.

Es gab zu diesem Aufkleber schon 1x einen Artikel hier. Ich meine mich zu erinnern, dass es seinerzeit um ein entsprechend bedrucktes T-Shirt eines der Kameraleute einer ÖRR-Sendung ging.

Der Aufschrei der Medien blieb nat. aus.
Alles was gegen "rächts" geht ist bei denen ja gut.
Und nat. beansprucht man dort auch die Hoheit zu bestimmen war oder was "rächts" ist.

Ich sehe noch ÖRR, aber eben sehr kritisch. Glauben schenke ich denen schon seit Jahren nicht.
Ach übrigens, die Tatorte stammen von der ARD. Nur so am Rande.

Günter Johannsen | Di., 23. März 2021 - 19:00

Antwort auf von Rob Schuberth

Ja, Herr Schuberth, das stimmt. Doch ist es in vielen anderen Filmchen (besonders beim ZDF) genau das Gleiche: ich fühle mich zurückversetzt in die Zeit der kommunistischen AgitProp-Berieselung von vor 1989! Und da bekomme ich jedes mal Brechreiz … und Zorn!