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Wer ist der Bund? / picture alliance

Steuermillionen für Maut-Pleite - „Der Bund“ sind wir alle

Immer wieder taucht in Berichten zum Maut-Untersuchungsausschuss gegen Andreas Scheuer ein ominöser Begriff auf – „der Bund“. Medien bemühen dieses Wort, das vielbedeutend und zugleich nichtssagend ist. Zeit, den sprachlichen Schleier zu lüften

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Der deutsche Philologe und Politiker Victor Klemperer notierte einst einen klugen Satz: „Was jemand willentlich verbergen will, sei es vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt: die Sprache bringt es an den Tag.“ Wer also Sprache zu analysieren in der Lage ist, der verbessert zumindest seine Chancen, der sogenannten Wahrheit auf die Schliche zu kommen.

Womöglich haben Sie sich in den vergangenen Tagen dabei ertappt, wie egal Ihnen das Maut-Desaster aus dem Verkehrsministerium ist, oder wie gernervt Sie einfach weghörten, weil es ja eh immer das gleiche sei mit dieser Politik. Vielleicht ist es Ihnen ja wirklich egal und vielleicht wiederholt sich da wirklich etwas sehr ärgerliches im politischen Betrieb. Aber vielleicht ist es Ihnen gar nicht egal, Sie haben nur vergessen, dass Sie höchst selbst dafür bezahlen, dass die CSU ihr Vorhaben trotz Warnungen des wissenschaftlichen Dienstes einfach durchgepeitscht hat. Und dass Sie es vergessen haben, könnte auch an einem in der medialen Berichterstattung viel zu oft verwendeten Wort liegen:

So meldete etwa tagesschau.de: „Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte die Maut Mitte Juni für rechtswidrig. Direkt nach dem Urteil kündigte der Bund die Verträge.“. Der Deutschlandfunk schrieb: „Erwartet wird außerdem, dass die gekündigten Maut-Betreiber millionenschwere Forderungen an den Bund stellen.“

Ein Wort, das Handelnde und Betroffene gleichsetzt

Sachlich erscheinen beide Sätze richtig. Nur wer ist dieser „Bund“? Klar, weder ist es die Bundeswehr, noch der Umweltverband BUND, noch der Bund irgendeiner Ehe. „Der Bund“, so macht das Wort dem Zuschauer, Hörer oder Leser schnell klar, das sind irgendwie die da oben. Die in der Bundeshauptstadt, die Regierenden, irgendwie dieser Staat eben. Aber klar ist auch, man selbst hat damit eigentlich nichts zu tun. Es sind die Fehler des Bundes. Es sind die Fehler der anderen. „Der Bund“ kündigte unterschriebene Verträge. „Der Bund“ wird nun in Regress genommen.

Doch der erste „Bund“, das sind im Grunde die handelnden Regierenden. Das ist der Bund, der die Verträge gemacht hat und der sie auch gerichtlich erzwungen wieder gekündigt hat. Man könnte auch sagen: Es war Verkehrsminister Andreas Scheuer. Oder die Regierung. Oder die Gesamtheit aller dem Maut-Gesetz zugestimmt habenden Abgeordneten im Bundestags und Politikern im Bundesrat.

Der zweite „Bund“ aber, jener, der nun die Entschädigungen in Millionenhöhe zahlen soll, dieser Bund sind wir alle. „Der Bund“ – es ist ein Wort, mit dem Politiker und Journalisten Handelnde und Betroffene unzulässig vermischen. Es ist im Grunde das Gleiche, wenn Andreas Scheuer unentwegt von „Brüssel“ spricht und damit zu verschleiern sucht, dass in „Brüssel“ auch CSU-Politiker aus Deutschland Entscheidungen von Tragweite treffen. Dass Politiker dem Versuch zum Verschleiern erliegen, gehört zum Geschäft.

Mit klarer Sprache aufklären

Was aber sollte Journalisten daran hindern, es klar und deutlich auszusprechen. Medien müssen Victor Klemperers Satz ins Gegenteil verkehren, heißt: Schreiben, was ist! Journalisten wissen, dass etwa Personifizierung Anschaulichkeit erzeugt. Das führt bisweilen zu mitunter berechtigter Kritik, man solle weniger emotionalisieren und lieber versachlichen. Ein Nicht-Verwenden des Wortes „der Bund“ aber wäre geradezu eine Versachlichung, auch wenn dadurch Emotionen geweckt würden. Es sind womöglich solche, die einigen Politikern nicht gefallen würden.

Hin und wieder liest man in Berichten immerhin vom „Steuerzahler“. Doch auch dieser klingt abständig und kaum anschaulich. Ganz ähnlich wie „der Bürger“, „der Wähler“ oder „der Verbraucher“. Wer hört da hin oder fühlt sich angesprochen?

Recherche ist anstrengend und kostet Geld und Zeit

Journalisten sollten mehr experimentieren. Weniger sprachliche Stanzen, die sich so bequem schreiben lassen, weil sie eben weder falsch, noch richtig und somit auch schwer angreifbar sind. Es würde ihrem Auftrag, die Menschen dieses Landes aufzuklären, gerecht, wenn sie etwa schrieben:

„Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte die Maut Mitte Juni für rechtswidrig. Direkt nach dem Urteil musste der dafür verantwortliche Bundesminister Andreas Scheuer die Verträge kündigen.“ Oder: „Erwartet wird außerdem, dass die gekündigten Maut-Betreiber millionenschwere Forderungen stellen werden, die wir nun alle mit unseren monatlich ans Finanzamt abgeführten Steuern bezahlen müssen.“

Fragen wie ein Kind, ist mit mit das Schönste an diesem für die Demokratie wichtigen Beruf: „Wer unterschreibt eigentlich so einen Vertrag?“, „Wer kündigt eigentlich so einen Vertrag?“, „Wie viel kostet die Maut-Verschwendung eigentlich den Einzelnen?“ Hier aber finge dann Recherche an. Für die ist zu selten Zeit und auch zu wenig Geld vorhanden. Manchmal aber fehlt vielleicht auch der Wille, zum Telefonhörer zu greifen.

Warten auf das Schwarzbuch

Sicher, Sprache dient auch der Vereinfachung und der Verdichtung. Und irgendwie klängen die Sätze auf diese umständliche Weise auch lächerlich notorisch. Aber Wörter dürfen auch nicht derart dicht zu einem Text gewoben sein, dass sie am Ende verschleiern – sei es nun gewollt oder nicht. „Der Bund“, das ist kein abstraktes Wesen, das sich von verstaubten Akten ernährt und das man deshalb besser gelangweilt ignoriert.

„Der Bund“, das sind am Ende immer Menschen. Es sind solche, die endlich die Verantwortung für ihre Fehler übernehmen sollten. Und es sind solche, die sich oft genug darüber ärgern, wie wenig Netto vom Brutto jeden Monat aufs Neue übrig bleibt. Das gilt für ein Bahnprojekt in Stuttgart, ein Flughafenprojekt in Berlin, aber auch für Steuerschlupflöcher für jene, die es sich leisten können oder auch für die skandalösen Cum-Ex-Geschäfte – aber es gilt eben auch für die Maut.

Zum Glück gibt es aber noch einen weiteren „Bund“ in Deutschland. Es ist der Bund der Steuerzahler e.V.. Ende Oktober ist es wieder soweit, und er veröffentlicht sein „Schwarzbuch – Die öffentliche Ver­schwen­dung 2019/2020“. Seien wir alle gespannt, denn nicht nur Sprache, auch Zahlen bringen es an Tag.

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Barbara Ebert | Do., 17. Oktober 2019 - 07:45

Voraussetzung für derzeitige Politiker ist wenig Hirn

helmut armbruster | Do., 17. Oktober 2019 - 07:46

Da liegt das eigentliche Übel.
Minister können zig-millionenschwere Verträge unterschreiben ohne im geringsten persönlich dafür haften zu müssen, wenn etwas schief geht.
Da es sich ja nicht um die eigenen Millionen handelt und da es keine persönliche Haftung gibt, unterschreibt es sich mit leichter Hand.
Ich bin vollkommen überzeugt, dass vieles weniger leichtfertig unterschrieben werden würde, wenn für den Unterschreiber wenigstens ein gewisses Risiko bestünde, dass er einen persönlichen Schaden erleiden könnte.

Der amtierende Bundesverkehrsminister Scheuer nimmt sein Verhalten offenbar auf die leichte Schulter. Sein Risiko, für voreilige Unterschriften selbst zur finanziellen Rechenschaft gezogen zu werden, dürfte äußerst gering sein.
Warum überhaupt diese überstürzte Aktion? Waren dadurch wirtschaftliche Vorteile für Herrn Scheuer verbunden?
Hoffentlich kommt ein Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages ihm alsbald auf die Schliche.
Bei erwiesenem Fehlverhalten sollte er die Bundesregierung schnellstens verlassen, auch wenn dadurch die politische Statik stark beschädigt werden könnte.
Genug ist genug, Herr Scheuer, aber vermutlich werden Sie weich fallen und mit einem gut dotierten Job in der Privatwirtschaft für ihre überstürzten Aktivitäten auch noch "belohnt" werden. Eine zunehmende Politikerverdrossenheit läßt grüßen.

Romuald Veselic | Do., 17. Oktober 2019 - 07:50

„Der Bund“, das sind am Ende immer Menschen.
Frage ist: Welche Menschen? Die im Telefonbuch oder die auf den Wählerlisten? Man könnte es spezifischer zur Geltung bringen: Die Individuen. Nichts hasse ich mehr als diese relativierende Aussage: "Von Menschen verursachter Klimawandel".
Ist's im Plural/Singular gemeint? Welche Menschen sind das, die Klimawandel verursachen? XY1 oder XY2? Oder beide? Die Schuld ist individuell, und muss bewiesen werden. Gerichtlich. Ende der Fahnenstange der Schuld und des Klimawandels. Klingt fast schon wie ein Gebet.
Und dieser supranationale EuGH wird durch wessen Mandat legalisiert? Durch EU Politiker, die im Sinne von wem handeln? Ist richtig, das Länder wie Russland, China o. USA auf diese Institution pfeifen. Wenn ich in der Lage wäre, würde ich niemals EuGH akzeptieren u. sich dem widersetzen. Ich glaube Polen u. Ungarn werden genau das tun. EuGH besitz keine Vollstreckungskompetenzen, womit alles geklärt wäre.

Ernst-Günther Konrad | Do., 17. Oktober 2019 - 08:24

Das sagen hier schon seit inzwischen Jahren viele Kommentatoren. Eine sachliche, differenzierte, Vor- und Nachteile klar benennde inhaltliche Auseinandersetzung braucht das Land. Der Staat, der Bund, das Land, alles letztlich ein umschiffen der inhaltlichen Wahrheit. Wieder solche Begriffe. Sie stehen für uns alle, für den Bürger, alle Menschen die hier leben. Es gilt, wenn es um das Bezahlen geht für all diejenigen, die hier Steuern bezahlen und diesen Staat finanziell am Laufen halten. Es wäre gerade Aufgabe der ör Medien, die von uns allen zwangsfinanziert werden, eine solche inhaltlich differenzierte Aufarbeitung der Maut, der Migration, der Wohnungsnot, Klima usw. ohne ideologische Verblendung, neutral und einfach,klar in der Sprache aufzuarbeiten und uns allen in deutscher Sprache, ohne Anglizismen oder verschwurbelten kaum verständlich neu geprägten Begriffen oder in Anleihe an irgendwelche lateinischen Wortstamm die Themen darzustellen. Streit mit Respekt und Information fehlt.

Ingrid Dietz | Do., 17. Oktober 2019 - 10:00

wann wird die Staatsanwaltschaft wegen Steuerverschwendung, etc. eingeschaltet ?

helmut armbruster | Do., 17. Oktober 2019 - 11:28

Antwort auf von Ingrid Dietz

Der Bund der Steuerzahlung fordert es schon lange. Vergeblich. Nicht einmal die Beamten, denen man nachweisen kann, dass sie nachlässig mit Steuergeldern umgegangen sind, haben etwas zu befürchten.
Stellt man dieser Großzügigkeit ggü den Verschwendern die gnadenlose Härte ggü, die auch kleinste Steuersünder zu erwarten haben, dann kann man sich nur wundern.

helmut armbruster | Do., 17. Oktober 2019 - 11:29

Antwort auf von Ingrid Dietz

Der Bund der Steuerzahlung fordert es schon lange. Vergeblich. Nicht einmal die Beamten, denen man nachweisen kann, dass sie nachlässig mit Steuergeldern umgegangen sind, haben etwas zu befürchten.
Stellt man dieser Großzügigkeit ggü den Verschwendern die gnadenlose Härte ggü, die auch kleinste Steuersünder zu erwarten haben, dann kann man sich nur wundern.

Stefan Jurisch | Do., 17. Oktober 2019 - 12:17

Antwort auf von Ingrid Dietz

Theoretisch kann jeder Bürger gegen verschiedene Dinge klagen, nur kann sich das nicht jeder leisten. Es wird sogar seit längerem (2012, glaube ich) vom Steuerzahlerbund gefordert, dass Steuergeldverschwendung zu einer Straftat werden soll, aber wie weit das gediehen ist, weiß ich nicht. Zumal ein solches Gesetz mit ziemlicher Sicherheit so viele verschwurbelte Hintertürchen hätte, dass es dann eh wieder nichts taugt. Wir haben ja auch ein Antikorruptionsgesetz, das nie greift.

Gisela Fimiani | Do., 17. Oktober 2019 - 11:32

Es ist immer die Sprache, die als Instrument dient. Der Aufklärer bedient sich der klaren, verständlichen Sprache, weil er „aufklären“ will. Der Manipulator verrät den Geist der Aufklärung. Er bedient sich der „kunstvollen“ Sprache. Es ist die Sprache derer, die gelehrt, intellektuell überlegen und eindrucksvoll daherkommen wollen. Sie verschmutzen die Sprache, um zu verschleiern, zu verwirren und den Nachweis der Verantwortung und Verantwortlichkeit für ihr Handeln unmöglich machen soll. Die Aufklärung ist dem Manipulator das größte Gräuel.

Sehr richtig, Frau Fimiani,
"Der Manipulator verrät den Geist der Aufklärung. Er bedient sich der „kunstvollen“ Sprache. Es ist die Sprache derer, die gelehrt, intellektuell überlegen und eindrucksvoll daherkommen wollen. Sie verschmutzen die Sprache, um zu verschleiern, zu verwirren …"
"Sprachhygiene" und "political correctness" sind Erfindungen der gewissen Stiftung, deren Vorsitz eine frühere IM-Victoria inner hat! Mit künstlicher (kunstvoll eher nicht!) Sprache hat man schon viele Diktaturen verschleiern wollen: die "Sprache des III. Reiches - LTI" von Viktor Klemperer erklärt es für Zeit des Nationalsozialismus; "Sprache der Aktuellen Kamera" von Stephan Heym analysiert die Sprache des Realen Sozialismus der DDR, dem IV. Reich. Ein zweiter Aufguss des Letzteren wird uns offeriert in der "political correctnes".
Sprachverschmutzung ist der richtige Ausdruck dafür!

Günter Johannsen | Do., 17. Oktober 2019 - 11:47

"Eine sachliche, differenzierte, Vor- und Nachteile klar benennende inhaltliche Auseinandersetzung braucht das Land."
Sie sagen es, Herr Konrad. Die Anfeindung der linken "Politiker" gegen die CSU, die noch (!) als rechtskonservativ gilt, ist deutlich zu erkennen. Es geht nicht mehr um Inhalte, sondern Linke haben ein Vehikel gefunden, um die CSU als inkompetent und rückständig darzustellen. Herr Söder sollte nun endlich erkennen, dass es nichts bringt, wenn er sich an den links-grünen Mainstream heranschleimt. Damit verlieret er nur die Gunst der eigenen angestammten Wählerschaft! CSU-Wähler wollen eine Partei mit Rückgrat, die konservative Werte verteidigt - auch gegen und trotz der Anfeindung der Linkspopulisten!
Gefragt ist Werterhalt, aber nicht ein Einknicken vor einer selbsternannten linkspopulistischem Moral-Elite, die sich für unantastbar gottgleich darstellt!

Diese an und für sich gute Sache wurde von Anfang an massiv von Linksgrün und den Medien torpediert. Und dann haben sich die verantwortlichen CSU Politiker auch noch richtig dämlich angestellt. Ihre Empfehlung an Herrn Söder kann ich nur unterschreiben.

Heidemarie Heim | Do., 17. Oktober 2019 - 14:24

Schöner Begriff Herr Brauns! Bei der Überlegung ob diese einer bestimmten Funktionalität der betreffenden Schreiber geschuldet sind oder aber den Leser auf der gewünschten Distanz zum Geschehen halten sollen, kam mir unweigerlich eine Bezeichnung der PEGIDA für die Presse in den Sinn, die ebenso frei ist von jeglicher Differenzierung;-). Dumm nur, das man seitens solcher von den Journalisten verwandten Taktiken solche Ansichten unwillentlich? verstärkt. Und wieder andere Leser oder Konsumenten eigentlich dahingehend beleidigt, da man so selbstverständlich davon ausgeht, das diese nicht in der Lage seien für derlei geistig belastende Übersetzungen! Was dürfen wir auch schon an Klarheit und Wahrheit erwarten, sieht man sich Reden und Aussagen unserer so glasklar verständlichen Politiker an;-)? Wir sind Kummer gewöhnt lieber Herr Brauns! MfG