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Höhere Löhne - Bundesbank mischt Tarifpolitik auf

Das hat es so noch nicht gegeben: Die Bundesbank fordert die Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu höheren Tarifabschlüssen auf. Diese Einmischung der Bundesbank in die Tarifpolitik ist überfällig. Ein Kommentar

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Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Unternehmer müssen immer flexibel sein, um auf neue Entwicklungen schnell reagieren zu können. Aber dass die Bundesbank die Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu höheren Tarifabschlüssen auffordert, das lag bisher außerhalb der Vorstellungskraft deutscher Arbeitgeber. Vielleicht hat es deswegen mehr als eine Woche gedauert, bis sich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer heute in die Debatte eingemischt hat: „Die Ratschläge der Bundesbank zur konkreten Höhe von Lohnzuwächsen sind überflüssig und wenig hilfreich. Tarifpolitik ist kein Instrument der Währungspolitik.“

Ausgelöst hat die Debatte eine Äußerung des Chefvolkswirts der Bundesbank Jens Ulbrich, der dem Spiegel gesagt hatte: „In der Summe ist die Lohnentwicklung in Deutschland vor dem Hintergrund der guten konjunkturellen Lage, der niedrigen Arbeitslosigkeit und der günstigen Perspektiven durchaus moderat.“ Übersetzt aus dem wie immer übervorsichtigen Notenbanker-Jargon in normales Deutsch heißt das: Es gibt bei den anstehenden Tarifabschlüssen deutlich Luft nach oben. Dies hat nun auch sein Chef, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, bekräftigt, der den Verteilungsspielraum mit rund 3 Prozent beziffert.

Währungshüter mischen mit
 

Diese Äußerungen der Bundesbanker kommen aber nur insofern überraschend, weil die Bundesbank jahrzehntelang als Mahnerin für moderate Lohnabschlüsse eingetreten ist, um eine zu hohe Inflation zu verhindern. Wenn die Tarifpartner in der Vergangenheit zu hohe Abschlüsse vereinbarten, ließ die Antwort aus Frankfurt daher in der Regel auch nicht allzu lange auf sich warten. Per Zinserhöhung bremste die Bundesbank die Konjunktur ab, um die Preise stabil zu halten. Den Verlust von Arbeitsplätzen nahm sie dabei billigend in Kauf.

So gesehen liegt Arbeitgeberpräsident Kramer falsch, weil die Währungshüter sich auf diese Weise immer schon in die Tarifpolitik eingemischt haben. Der einzige Unterschied zu früher besteht darin, dass sich die Vorzeichen umgedreht haben. Die Inflation ist nicht zu hoch, sondern zu niedrig. Bundesbank und Europäische Zentralbank sehen die Preisstabilität gewahrt, wenn die Inflationsrate knapp unter zwei Prozent liegt. Im Juni lag sie in Deutschland bei 1 Prozent, in der Euro-Zone bei nur 0,5 Prozent.

Einmischung  überfällig
 

Insofern ist die Forderung der Notenbanker nach höheren Löhnen in Deutschland konsequent. Aktuell fürchten sie sich nämlich nicht vor zu stark steigenden Preisen, sondern vielmehr vor einer Deflation mit dauerhaft sinkenden Preisen. Denn wenn Konsumenten und Unternehmer mit einem Preisverfall rechnen, fahren sie Konsum und Investitionen zurück, die Arbeitsplätze werden abgebaut, die Nachfrage sinkt weiter, wodurch noch mehr Jobs in Gefahr geraten.

Höhere Löhne würden diesem Teufelskreislauf entgegenwirken, weil sie den Konsum in Deutschland fördern und die höhere Nachfrage auch zu höheren Preisen führt. Einen leichten Verlust der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen durch hohe Tarifabschlüsse, der damit automatisch einhergeht, sollten diese verkraften können. Schließlich bleiben die Zinsen noch länger fast bei null, die Kredite sind billig wie nie und der Euro verhältnismäßig schwach. Die Mahnungen der Arbeitgeber, dass es die sinkende Wettbewerbsfähigkeit ist, die zahlreiche Arbeitsplätze hier gefährden würde, darf man daher getrost unter Vebändepropaganda verbuchen. Insofern liegt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer auch mit seiner ersten Aussagen daneben. Im Gegenteil: Die Einmischung der Bundesbank in die Tarifpolitik war überfällig und wird sich hoffentlich als hilfreich erweisen.

 

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