- Norbert Frei soll NS-Vergangenheit des Bundespräsidialamts untersuchen
Norbert Frei soll untersuchen, inwieweit NS-Netzwerke die Arbeit des Bundespräsidialamts beeinflusst haben. Der renommierte Historiker brachte vor einigen Jahren die NS-Verstrickungen des Auswärtigen Amtes ans Licht.
Viele Ministerien haben in den letzten Jahren ihre nationalsozialistische Geschichte aus den Jahren 1933 bis 1945 aufarbeiten lassen. Eine solche Aufarbeitung scheint nicht naheliegend bei jenen obersten Bundesbehörden, die erst nach Gründung der Bundesrepublik entstanden, beispielsweise dem Bundespräsidialamt. Es stellte sich jedoch heraus, dass unter dessen Spitzenpersonal mutmaßlich schwer belastete Nationalsozialisten waren (Cicero berichtete unlängst). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entschloss sich zu handeln und schrieb ein Forschungsprojekt zur Geschichte des Bundespräsidialamts aus. Er sagte dem Cicero: „Es darf kein Ende der Erinnerung geben, und unsere Verantwortung kennt keinen Schlussstrich. Aus diesem Gedanken heraus habe ich mich für eine Aufarbeitung der Geschichte des Bundespräsidialamts entschieden.“ Heute wurde bekannt, dass nach Abschluss des Auswahlverfahrens Norbert Frei (65) vom Bundespräsidialamt mit der Studie beauftragt wird. Der Historiker soll die Amtsgeschichte der ersten Jahrzehnte des Bundespräsidialamtes untersuchen.
Frei gilt unter Fachleuten gleich auf mehreren Ebenen als gute Wahl für diese Aufgabe: Neben dem Studium der Geschichtswissenschaft hat Frei auch die Redakteursausbildung der Deutschen Journalistenschule abgeschlossen. Er gehört zu jenen Wissenschaftlern, die nicht nur für eine Fachöffentlichkeit schreiben, sondern historische Erkenntnisse auch einem breiteren Publikum vermitteln. So verbindet Frei in seinen regelmäßigen Kolumnen in der Süddeutschen Zeitung Erkenntnisse aus seinen Forschungsfeldern mit tagesaktuellen Überlegungen.
Frei ist Historiker und Journalist
Während er sich in seiner Dissertation mit dem Nationalsozialismus befasste, setzte sich seine anschließende Habilitationsschrift mit der Vergangenheitsbewältigung der jungen Bundesrepublik auseinander. Nachdem Frei 1997 an der Ruhr-Universität Bochum dem bekannten Historiker Hans Mommsen als Professor für neuere und neueste Geschichte nachfolgte, befasste er sich auch dort nicht nur mit dem Nationalsozialismus. Gleich zu Anfang gab er ein viel beachtetes Hauptseminar zur Studentenbewegung 1968. In verschiedenen seiner zahlreichen Publikationen setzte er sich mit dem Umgang der jungen Bundesrepublik mit der NS-Vergangenheit auseinander, aber auch mit NS-Eliten und deren Nachkriegskarrieren: Frei forschte zur Geschichte des Flick-Konzerns vor und nach 1945.
Kollegen schildern ihn als Teamplayer, der aufgrund seiner guten Vernetzung oftmals gezielt Spezialisten zuzieht. Er wird von ihnen für seinen kollegialen Arbeitsstil und sein verbindliches Auftreten geschätzt. Im Jahre 2005 berief der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer Frei in die „Unabhängige Historikerkommission – Auswärtiges Amt“. Deren Forschungsergebnisse erschienen 2010 in Buchform unter dem Titel „Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“. Zwischenzeitlich sind zahlreiche weitere Untersuchungen zur Geschichte verschiedener Behörden publiziert worden. Dabei wurde deutlich, dass die zentrale Qualifikation für diese Art von Studien zwei Kompetenzen sind: präzise Archivarbeit und Begabung für Quellenkritik. Insofern darf man von Norbert Frei eine fundierte und unabhängige Untersuchung erwarten.
Diese wird sich unter anderem mit den möglichen NS-Verstrickungen der Beamten des frühen Bundespräsidialamtes beschäftigen. Bei Amtsantritt von Bundespräsident Theodor Heuss verfügte das Amt über zwölf Beamte, davon fünf im höheren Dienst; in der zweiten Amtszeit von Bundespräsident Heinrich Lübke waren es 29, davon zwölf im höheren Dienst. Die diesbezüglichen Archivrecherchen dürften sich für einen erfahrenen Historiker wie Frei vergleichsweise einfach gestalten. Darüber hinaus geht es aber um viel mehr, beispielsweise die Praxis der Ordensverleihungen. Unter anderem wurden Kriegsverbrecher, darunter der in den Nürnberger Prozessen verurteilte Friedrich Flick, mit hohen Orden geehrt.
Was taten die Leiter des Bundespräsidialamtes zwischen 1933 und 1945?
In diesen Prozessen wurde auch der vormalige Wehrwirtschaftsführer Heinrich Bütefisch verurteilt, der als Vorstand des I.G. Farben-Konzerns eine Fabrik neben dem Konzentrationslager Auschwitz-Monowitz mit tausenden zu Tode geschundenen Häftlingssklaven verantwortete. Das Mitglied im Freundeskreis Reichsführer-SS und SS-Ehrenführer Bütefisch bekam anschließend gleich ein eigenes KZ für seine Produktion. Eben dieser Bütefisch erhielt im März 1964 von Bundespräsident Heinrich Lübke das Große Bundesverdienstkreuz für die Tätigkeit im Aufsichtsrat der Ruhrchemie AG. Kurze Zeit später wurde ihm die Auszeichnung wieder aberkannt.
Der erste Chef des Bundespräsidialamtes, Manfred Klaiber, war möglicherweise in deutsche Kriegsverbrechen auf dem Balkan verstrickt, einer seiner Nachfolger, Hans-Heinrich Herwarth v. Bittenfeld, hatte als Offizier möglicherweise Mitschuld an Massakern an der Zivilbevölkerung in der Sowjetunion. Kanzleramtschef Hans Globke hatte durch seine Mitarbeit an den Nürnberger Gesetzen der Ermordung unzähliger Menschen den Weg geebnet. Allen beispielhaft genannten Männern ist gemein, dass sie sehr hohe Stufen des Bundesverdienstkreuzes erhielten.
Der jüdische Jurist und Politikwissenschaftler Ossip Flechtheim war der Mordmaschinerie der Nationalsozialisten durch Emigration in die USA entkommen, wo der den Begriff der Futurologie prägte. Jedoch schaute er in die Vergangenheit, als er 1979 in einem Brief an Bundespräsident Walter Scheel die Annahme des Großen Bundesverdienstkreuzes mit der Begründung ablehnte, dass dieser hohe Orden bereits an zu viele Nazis verliehen worden sei. Mit dieser Haltung war Flechtheim nicht allein.
Es gibt also viele gute Gründe zu untersuchen, inwieweit mögliche Netzwerke aus der Zeit vor 1945 die Ordensverleihungen im Bundespräsidialamt beeinflussten oder ob die Verantwortlichen auf dem rechten Auge blind waren. Zu den spannendsten Fragen, die Norbert Frei in diesem Forschungsbereich beantworten wird, gehören die Prüfverfahren vor der Verleihung von Orden. Es ist zwar bekannt, dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt Regelanfragen beim Berlin Document Center gab. Dort waren unter anderem die Personalakten der SS und die Mitgliederkartei der NSDAP archiviert. Seit 1996 wurden dessen Unterlagen ins Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde überführt. Doch in welchem Kontext wurde diese Regelanfrage eingeführt? War es politischer Druck, moralische Notwendigkeit oder schlicht eine sich in verschiedenen Staaten Europas einbürgernde Praxis zu prüfen, was zu Ehrende im Krieg genau getan hatten? Zwar liegt nahe, dass diese Regelanfragen im Zusammenhang mit den vom hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer initiierten Frankfurter Auschwitzprozesse eingeführt wurden. Allerdings wäre es wertvoll zu wissen, von wem die Initiative dazu ausging und wie die Entscheidung letztlich begründet wurde.
Schnelle Begnadigung von Kriegsverbrechern
Ein anderes Forschungsfeld für Norbert Frei dürfte die Begnadigungspraxis sein. Zahlreiche verurteilte Kriegsverbrecher wurden nach teilweise erstaunlich kurzer Inhaftierung begnadigt. Ebenso dürfte interessant sein zu erfahren, nach welchen Kriterien auch in den nachfolgenden Jahrzehnten Begnadigungen ausgesprochen wurden. Gerade weil im Gegensatz zu anderen Delikten bei Staatsschutzdelikten wie der Bildung einer terroristischen Vereinigung dem Bund das Begnadigungsrecht zusteht und dieses gemäß Artikel 60 Absatz 2 des Grundgesetzes vom Bundespräsidenten ausgeübt wird, lohnt sich gewiss eine Dokumentation der Begnadigungspraxis seit 1949.
Das Bundespräsidialamt ist mit heute 126 Beamten und 85 Tarifbeschäftigten ein vergleichsweise überschaubares Amt – aber dennoch ein sehr besonderes. Auch und gerade weil die Bundespräsidenten nicht nur aufgrund der Befugnisse des Grundgesetzes ihr Amt ausüben, sondern es mit moralischem Anspruch und Vorbildfunktion füllen, ist diese Untersuchung durch Norbert Frei wichtig und richtig. Dies jedoch erfordert eine größere Tiefe der Bearbeitung, sowie stärkeres Präzisieren und Abwägen, als es bei anderen Studien dieser Art üblich ist. Deshalb ist das Ziel, dass die Studie zum Ende von Steinmeiers Amtszeit im März 2022 vorliegen soll, trotz der überschaubaren Amtsgröße ambitioniert. Da Norbert Frei, der seit 2007 als Professor für neuere und neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena lehrt, Ende März 2021 in den Ruhestand geht, kann er sich dieser wichtigen Aufgabe voll widmen. Die Betonung des Bundespräsidialamtes, dass der Wissenschaftler in der Gestaltung seiner Forschungen unabhängig sein wird, lässt auf ein Ergebnis hoffen, das fachlich fundiert und ebenso für ein breites Publikum interessant sein wird - so wie die regelmäßigen Zeitungskolumnen von Norbert Frei.
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Ich halte von diesem Vorhaben nicht viel, die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern. Ich vermute in allen Bereichen waren mehr oder weniger ehemalige Nazis, Parteimitglieder und Offiziere am Aufbau der Bundesrepublik beteiligt. Man muss sich nur die Geschichte der Familie Weizsäcker anschauen, Richard v. W.war trotzdem bis jetzt Deutschlands bester Präsident.
Aktuell wäre es zielführender unsere Institutionen auf sozialistische Umtriebe zu untersuchen. Die sind meiner Meinung akuter als Dinge die 70 Jahre zurückliegen.
untersucht man Institutionen auf das, was sie "sozialistische Umtriebe" nennen?
Wie würden Sie diese "Umtriebe" definieren?
Warum soll man sich mit "sozialistischen Gefahren" befassen - wo doch angeblich keiner mehr den Marxismus will, nicht mal die Linke?
Warum sich nicht mit der eigenen Vergangenheit befassen - man macht das doch sonst auch, verweist gerne auf vergangene Größe, auf Staatsmänner wie Bismarck usw.?
Soll man Vergangenheit also nur selektiv kennen und beurteilen, Negatives ausblenden?
Lieber Herr Lenz,
die Linke möchte den Marxismus nicht mehr? Bitte werfen Sie ein Blick in das aktuelle Parteiprogramm. Unter sozialistischen Untrieben verstehe ich, dass es 30 Jahre nach dem Ende der weltweiten kommunistischen Diktaturen wieder möglich ist offen darüber zu debatieren ob man die "Oberen 10000" erschießt oder doch "nur" zur Zwangsarbeit schickt. Dass wieder ganz offen über Überenteignung geredet wird, dass eine Verfassungsrichterin die Mauertoten verharmlost, dass linksextreme Gruppen durch ihre politischen Vertreter (Meist Linke/SED) Geld von staatlichen Fördertöpfen abgreifen, dass alte SED/FDJ Seilschaften offenbar über Parteigrenzen hinweg funktionieren, dass Wahlen Rückgängig gemacht werden (Thüringen). Ich denke man könnte die Liste endlos weiterführen.
Vor diesem Hintergrund:Wem nützt der erneute Blick auf ein dieses mehr als gründlich aufgearbeitetes Thema? Erhellender wäre sicherlich eine Arbeit über die kommunistischen Hintergründe heute aktiver Politiker.
Vor gut einem Jahr hielt der amtierende Bundespräsident Steinmeier eine Rede in Kloster Dalheim. Herr Steinmeier äußerte dort u.a. :
'... Der KAMPF gegen Desinformation und Verschwörungstheorien ist eine der großen Herausforderungen für die liberalen Demokratien. Es ist ein KAMPF, DER UNS ALLE ANGEHT, der in FAMILIEN, SCHULEN, BÜROS und BETRIEBEN ebenso ausgetragen werden muss wie in Zeitungsredaktionen, sozialen Netzwerken und Parlamenten. Und er wird ja auch ÜBERALL AUSGETRAGEN, ... von Wissenschaftlern, Journalisten und Bloggern, von Abgeordneten in Untersuchungsausschüssen – und von Ausstellungsmachern wie Ihnen hier im Kloster ... '.
Adenauer sprach davon dass er mit " schmutzigem Wasser kochen müsse, weil er kein sauberes hatte ". So war das mit dem übernommenen Beamtenapparat. Es waren nicht nur Globke oder Filbinger. Wenn jemand meint, dies für das Präsidialamt aufarbeiten zu müssen, dann soll es so sein. Es interessiert wahrscheinlich niemanden mehr. Die tatsächlichen Rücktrittsmotive von Horst Köhler wären interessanter.
Einen ähnlichen Artikel hatten wir doch schon vor einiger Zeit hier bei Cicero oder täusche ich mich da?
Egal. Wem immer es was nützen könnte 75 Jahre nach Kriegsende solche historischen Nachuntersuchungen anzustellen, wenn es gewünscht ist von mir aus.
Danach sollten aber ebenso Untersuchungen stattfinden, zu den nach 1990 in der Politik und der Wirtschaft untergebrachten SEDler zu tätigen, die trotz ihrer Funktionen im DDR-Staat und ihrer IM-Tätigkeiten in politischen Ämtern oder NGO's, sonstigen Lobbyverbänden sitzen. Diese Untersuchung sollte auch für die Grünen gelten, die nach ihrer Gründung bis heute RAF-Unterstützer und Befürworter in ihren Reihen bis in höchster Ämter gebracht hat. Da leben die "Täter" noch. Ich vermute mal, das traut sich keiner. Allein im Bundestag würden einige Plätze frei werden und nicht nur im Plenum, sondern auch bei den Vizeparlamentsvorsitzenden. Wie bei den "braunen" wird man auch bei "linken" wieder 75 Jahre warten müssen. Dann lebt keiner mehr.
„Es darf kein Ende der Erinnerung geben und unsere Verantwortung kennt keinen Schlussstrich“, sagt der Herr Präsident. Fragen: Wer will die Erinnerung beenden? Wer ist unser, und welche Verantwortung meint der Herr Präsident? Meine Erinnerung kann ich nicht beenden, es sei denn ich erkranke an Demenz. Nicht einmal die s.g. Neuen Rechten wollen das. So viel wie ich erfuhr, sind die der Meinung, dass es außer den bewussten, schrecklichen 12 Jahren noch ein paar Jahrhunderte mehr Deutschland gab, die auch einer Erinnerung wert wären. Einen Schlussstrich der Verantwortung? Bin ich verantwortlich für die Verbrechen der Nazis? Die meint ja wohl der Präsident, oder? Nein, bin ich nicht. Also wozu dann ein Schlussstrich. Wenn der Herr Präsident sich allerdings für diese Verbrechen verantwortlich fühlen sollte, dann … Darf man einen Präsidenten eigentlich raten, einen Psychologen zu konsultieren?
Ganz im Gegenteil, ich bin dafür, dass man sich viel mehr mit der deutschen Geschichte und den komplexen Zusammenhängen und Wechselwirkungen innenpolitisch als auch außenpolitisch auseinandersetzt. Die deutsche Geschichte besteht nicht nur aus 12 Jahren Hitlerdiktatur.
Ulbricht sagte auch, keiner will eine Mauer bauen....
Als Beispiel möchte ich Frau Barbara Borchhardt nennen neue Landesverfassungsrichterin, seit 1976 in der SED.
Wir haben in den vergangenen 50 Jahren nachhaltig gelernt, wie deutsche Bundes- und Landesbehörden während der Jahre des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders von alten NS-Seilschaften unterwandert worden waren. Mittlerweile sind alle braunen Unterwanderer längst tot und die Behörden haben sich längst emanzipiert. Nun ist es allerhöchste Zeit - wie man in Meck-Pomm, Thüringen, Berlin und fast flächendeckend anderswo beobachten kann - dass die derzeit massive Unterwanderung durch linke Bolschewisten und SED-Kader, die forciert und hemmungslos vorangetrieben wird, mit der gleichen Akribie und Rückhaltlosigkeit untersucht wird. Während die braunen Unterwanderer längst verfaulen, sind die roten Unterwanderer quicklebendig und werden von Grüns, von Sozzen und Christsozzen hofiert als wären sie Kuschelbären. Dabei haben die gestern noch den freiheitsliebenden fliehenden Menschen an der Mauer in den Rücken geschossen.