Ukrainische Flugabwehr
Ukrainische Soldaten feuern am frühen Mittwochmorgen aus einer Flugabwehrkanone auf russische Stellungen in der ukrainischen Region Charkiw / picture alliance

Sechs Monate Ukrainekrieg - Warum Russland eine neue Strategie verfolgt

Vor einem halben Jahr ist Russland in die Ukraine eingefallen, doch die militärischen Ziele wurden nicht erreicht – auch wegen westlicher Waffenlieferungen. Deswegen hat der Kreml seine Strategie neu justiert. Die Russen befinden sich in einem klassischen geopolitischen Dilemma, und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sie ihre Bemühungen um eine Verhandlungslösung verstärken.

Autoreninfo

Ridvan Bari Urcosta ist Research Fellow am Institut für internationale Beziehungen der Universität Warschau und Analyst bei Geopolitical Futures.

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Wie ein militärisches Sprichwort besagt, überlebt kein Plan den Kontakt mit dem Feind. Niemand ist sich dieser Tatsache derzeit besser bewusst als Russland, das bei seiner Offensive gegen die Ukraine mehrere Rückschläge hinnehmen musste. Seit sechs Monaten ändert sich die Lage vor Ort ständig, oft in einer Weise, die der Kreml weder erwartet noch beabsichtigt hat.

Russland ist in die Ukraine mit dem Ziel eingedrungen, die aus seiner Sicht dringend benötigte strategische Tiefe an seinen westlichen Grenzen wiederherzustellen. Mit dem Fortschreiten der Kämpfe zwingen neue Herausforderungen Moskau jedoch dazu, sich auf die Sicherung einer ausreichenden Verteidigungsstärke um Kernregionen und Engpässe zu beschränken, anstatt die gesamte Ukraine einzunehmen.

Russlands Ziele in der Ukraine sind mit seinen sicherheitspolitischen und militärischen Anliegen verwoben, die ihrerseits Teil einer umfassenderen „großen Strategie“ sind. Zu Russlands großer Strategie gehört es, entlang verwundbarer Grenzen strategische Tiefe zu erreichen. In diesem Fall soll die Ukraine dazu dienen, das russische Bedürfnis zu erfüllen, eine größere Pufferzone zwischen sich und dem Westen, insbesondere den Nato-Staaten, zu schaffen. Im Jahr 2014 unternahm Moskau einen ersten Versuch, ukrainisches Territorium zu erobern, und es gelang den Russen, die Krim zu halten und eine starke Präsenz im Donbas aufzubauen. Diesmal glaubte Moskau, dass jene Ukrainer, die jahrzehntelang für prorussische Parteien gestimmt hatten, die russische Initiative unterstützen würden. Dies ist jedoch nicht geschehen.

Strategische Ziele überdenken

Seit Ende Februar zwingen die Realitäten auf dem Schlachtfeld Russland dazu, seine unmittelbaren strategischen Ziele zu überdenken. Die Kämpfe haben länger gedauert als erwartet, und die Ukraine hat gezeigt, dass sie weiter kämpfen will und noch nicht an einem Friedensabkommen interessiert ist. Mit der Zeit wird die Ukraine ihre Ausbildung an den vom Westen zur Verfügung gestellten Waffen und Ausrüstungen abschließen. 

Die größte Sorge Russlands in diesem Zusammenhang sind Kurz- und Mittelstreckenraketen, über die die Ukraine verfügt oder in naher Zukunft verfügen wird. In den vergangenen Wochen haben die Ukrainer bewiesen, dass sie mit diesen Raketen in der Lage sind, tief in den Rücken der russischen Offensivkräfte vorzudringen und dabei auch Waffendepots und Luftabwehrsysteme zu treffen. Dies zwingt die Russen dazu, ihrerseits tiefer in das ukrainische Territorium vorzustoßen, um die nötige Distanz zu ihren eigenen Luftabwehrsystemen zu erreichen.

Darüber hinaus werden sich die Herausforderungen für Russland mit der Zeit vervielfachen und verschärfen. Da ist zum einen die wirtschaftliche und militärische Unterstützung des Westens für die Ukraine, die Kiew dabei hilft, die Kämpfe in die Länge zu ziehen, und zwar mit immer moderneren Waffen. Die asymmetrischen Angriffe der Ukraine etwa mit dem „High Mobility Artillery Rocket System“, besser bekannt als Himars, haben sich für Russland als besonders problematisch erwiesen. 

Auf wirtschaftlicher Ebene wiederum haben die westlichen Sanktionen gegen Russland den Kreml dazu veranlasst, seine Handels- und Wirtschaftsbeziehungen einzuschränken. Sie überforderten auch die russische Wirtschaft und führten zu der politischen Entscheidung, die Unruhen im Land zu unterdrücken. Ohnehin scheint Russland seine logistischen Probleme noch nicht überwunden zu haben und hat nach wie vor Schwierigkeiten bei der Lieferung von Militärgütern und der Verteidigung seines Hinterlands. All diese Faktoren zusammengenommen machen die Einnahme der gesamten Ukraine zu einem extrem schwierigen und kostspieligen Unterfangen.

Moskau hat die Hilfsbereitschaft des Westens unterschätzt

Russland hat daher seine militärische Strategie gegenüber der Ukraine neu justiert. Erstens musste die neue Strategie den westlichen Verbündeten der Ukraine Rechnung tragen. Russland wusste, dass der Westen sich auf die Seite der Ukraine stellen würde, verschätzte sich jedoch in Bezug auf das Ausmaß der militärischen und finanziellen Unterstützung durch den Westen und dessen Fähigkeit, gemeinsam einen Wirtschaftskrieg zu führen. Vor allem die Beiträge der USA und Großbritanniens zu den Kriegsanstrengungen in der Ukraine, insbesondere die Lieferung modernster militärischer Ausrüstung, werden von Moskau weiterhin aufmerksam verfolgt.

 

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Gleichzeitig hat die kollektive Reaktion des Westens Moskau dazu veranlasst, vorsichtiger zu sein, wenn es darum geht, seine Streitkräfte bis an die Grenzen der Nato heranzuführen. Russland will sich nicht direkt mit dem Verteidigungsbündnis anlegen, und Bemühungen, die gesamte Ukraine zu besetzen, würden das Land gefährlich nahe an die Nato-Grenze heranbringen und wenig Spielraum für Fehler lassen. Schließlich versucht Moskau, die Lehren aus dem Krieg im Donbas zwischen 2014 und 2015 zu ziehen, um der militärischen Fähigkeit der Ukraine (insbesondere im Hinblick auf Raketen) Rechnung zu tragen, russische Militäreinrichtungen anzugreifen, indem es sich an strategisch wichtigen Engpässen stärker festsetzt.

Russlands neue Strategie beinhaltet eine neue Liste von militärischen Zielen in der Ukraine. Erstens muss Russland die separatistischen Donbas-Republiken aus der Reichweite ukrainischer Artillerie und Raketen heraushalten, und zwar bis zu einer Entfernung von 150 bis 200 Kilometern. Dies erfordert die vollständige Kontrolle des Gebiets von Donezk bis zur Stadt Pawlograd in der Nähe des Flusses Dnepr. Weiter südlich muss Russland das nördliche Wasserkanalsystem der Krim in der Region Cherson gegen ukrainische Artillerie sichern und die Rückeroberung dieser Gebiete durch die ukrainische Armee verhindern. Russlands Entfernungsberechnungen basieren hier auf der Raketenreichweite ukrainischer und westlicher Waffen und werden daher an die ukrainischen Fähigkeiten angepasst.

Eine fast unlösbare Aufgabe

Um diese Ziele zu erreichen, muss Russland erneut eine offensive Operation durchführen und die Linie von Kryvyi Rih und Nova Odesa erreichen sowie die Stadt Mykolajiw einnehmen. Dies ist für Russland derzeit eine fast unlösbare Aufgabe. In diesem Zusammenhang müssen die russischen Streitkräfte die Krim-Brücke kontrollieren, da sie als wirtschaftlicher und militärischer Nachschubweg für die Halbinsel und die russischen Streitkräfte in der Südukraine eine wichtige Rolle spielt. Dies bedeutet auch, dass die Sicherheit auf der gesamten Krim gewährleistet und von militärischen Zwischenfällen freigehalten werden muss. Derzeit sind die nächstgelegenen russischen Stützpunkte auf der Krim nicht weniger als 200 Kilometer von den unter ukrainischer Kontrolle stehenden Gebieten entfernt. 

Und schließlich wird Russland das längerfristige Ziel verfolgen, eine größere Pufferzone entlang der ukrainischen Nordregionen Sumy und Tschernihiw zu sichern, die nur 450 Kilometer von Moskau entfernt sind. Diese Regionen liegen in der Nähe vieler Städte, die zum russischen ethnischen Kernland gehören – wie Kursk, Belgorod, Orjol und Woronesch – und in denen Moskau keinen Einfluss verlieren möchte. Das Problem bei diesem Ziel ist, dass Moskau, um eine Pufferzone von mehr als 100 Kilometern zu gewinnen, fast bis an den Stadtrand von Kiew am linken Dnjepr-Ufer vordringen müsste, was, wie die Anfangsphase des Krieges gezeigt hat, mit hohen Kosten verbunden wäre.

Russland befindet sich in einem klassischen geopolitischen Dilemma, in dem es aufgrund zunehmender Sachzwänge nicht in der Lage ist, sein eigentliches Ziel, die strategische Tiefe entlang seiner Westgrenze, wirksam zu verfolgen. Moskaus derzeitige Lösung besteht darin, geringfügig tiefer in ukrainisches Territorium vorzudringen, um sich gegen Raketen in strategisch besetzten Gebieten abzusichern, ohne dabei die gesamte Ukraine ins Visier zu nehmen. Ein solcher Ansatz lässt die Frage der Pufferzone offen. Aber es könnte Russland auch die Möglichkeit bieten, die in dieser Runde erzielten Fortschritte zu konsolidieren, Ressourcen freizusetzen, um sich auf die wachsenden wirtschaftlichen Probleme zu konzentrieren und die Kämpfe zu vertagen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Russland seine Bemühungen um eine Verhandlungslösung in diesem Konflikt verstärkt.

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Kai Hügle | Do., 25. August 2022 - 11:44

Mit Ihrer Analyse werden Sie sich hier nicht viele Freunde machen. Man bevorzugt YouTube Videos eines österreichischen Offiziers, in denen vom "langsamen aber stetigen Vordringen" russischer Streitkräfte die Rede ist - obwohl Schätzungen des ISW zufolge Russland seit Ende März rund 45.000 Quadratkilometer eroberten Gebietes wieder verloren hat, eine Fläche größer als Dänemark.

https://www.zeit.de/politik/ausland/karte-ukraine-krieg-russland-frontv…

Vor einer Mobilmachung scheint das Regime große Angst zu haben. Tote Soldaten (meist von ethnischen Minderheiten) aus entlegenen Gebieten kann man besser vertuschen als gefallene Ehemänner und Söhne aus den urbanen Zentren im Westen des Landes. Deshalb rekrutiert man offenbar lieber Strafgefangene.

https://www.nzz.ch/international/ukraine-krieg-rekrutierung-von-strafge…

Auch deshalb ist Ihre Prognose durchaus realistisch, dass Russland früher oder später verhandeln muss.

Holger Hoffmann | Do., 25. August 2022 - 15:02

Antwort auf von Kai Hügle

Herr Hügle, Meinungen und Einschätzungen entstehen aus universalen Quellen. So wie es nicht DIE Wissenschaft gibt, so gibt es auch nicht DIE (einzig selig machende) Meinung. Ein Militärexperte wird auf Basis seines Wissen durchaus berechtigt eine Einschätzung zur Sachlage geben können. Wenn Sie ebenfalls Experte mit profunder fachlicher (in diesem Fall militärischer) Expertise sind, dann informieren Sie doch bitte und verlinken nicht. Da ich kein Experte bin, aber eine Meinung habe, kommen mir Zweifel an Ihrer und des Autors Vermutung bezüglich möglicher Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts. Dazu gehören nämlich immer beide Parteien. Wenn die Ukraine gewinnt, warum sollte es Verhandlungen geben?

https://www.tagesspiegel.de/politik/muss-die-ukraine-den-krieg-gewinnen…

https://www.welt.de/politik/ausland/article238955919/EU-Kommissionsprae…

Kai Hügle | Do., 25. August 2022 - 17:24

Antwort auf von Holger Hoffmann

Ich bin kein Experte. Deshalb verlinke ich, statt zu informieren. Meine Einschätzungen basieren auf seriösen Quellen, und die NZZ z. B. wird normalerweise sogar von Ciceronen als solche anerkannt.
Ihr Einwand ist nicht unberechtigt. Es hängt aber davon ab, wie man "Sieg" definiert. Man kann Kriege gewinnen, indem man den Gegner militärisch eliminiert oder aber ihn abnutzt, bis er erkennt, dass seine Anstrengungen nutzlos und dauerhaft nicht aufrechtzuerhalten sind, weder finanziell noch militärisch noch politisch.
Aus meiner Sicht und der vieler Experten deutet vieles auf das zweite Szenario hin. Wie eine Verhandlungslösung aussehen könnte, darüber kann man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur spekulieren. Man wird dem Regime in Moskau etwas anbieten müssen, damit Putin zumindest halbwegs das Gesicht wahren kann - sofern er das sich anbahnende militärische Fiasko politisch überlebt. Aber bis dahin wird noch viel Zeit vergehen, fürchte ich...

Stawrogin | Do., 25. August 2022 - 17:50

Antwort auf von Kai Hügle

Die Berechnungen nach gewonnenen und verlorenen Territorien hat schon in Syrien völlig in die Irre geführt. In dieser Hinsicht wäre auch die Schlacht um Stalingrad ein unbedeutender Sieg gewesen, da nur eine mittelgroße Stadt erobert wurde. Entscheidend ist die Vernichtung gegnerischer Kräfte und hier haben die Russen im Donbass ganze Arbeit geleistet. Die Ukrainer haben hier 80% ihrer regulären Streitkräfte verloren. Sie sind zahlenmäßig den Russen zwar immer noch überlegen, haben aber in erster Linie nur noch Territorialverteidigungskräfte und zusammengewürfelte, zwangsrekrutierte Armeeeinheiten mit extrem verkürzten Ausbildungszeiten.

Btw: Dass das von Ihnen zitierte und von der US-Rüstungsindustrie finanzierte ISW es geschafft hat, alle großen deutschen Redaktionen mit seinen Desinformationen ungefiltert füttern und die öffentliche Meinung derart prägen kann, ist ein Skandal ohnegleichen.

So, so, "80% der regulären Truppen" hat die Ukraine im Donbass verloren und die Überbleibsel, diese Rumpftruppe aus "Territorialverteidigungskräften und zusammengewürfelten, zwangsrekrutierten Armeeeinheiten mit extrem verkürzten Ausbildungszeiten", die sorgt seit Wochen dafür, dass die russischen Soldaten praktisch keine Geländegewinne mehr erzielen.
Ich vermute, es ist kein Zufall, dass Sie Ihre Quellen nicht angeben. Ich vermute außerdem, dass Sie Ihre "Informationen" aus Quellen beziehen, denen zufolge die russische Armee bereits mehr HIMARS vernichtet hat als überhaupt geliefert wurden.
Auch Ihnen sei die Analyse eines kremltreuen Analysten empfohlen:

https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-russland-krieg-kreml-militaerexp…

Btw, das ISW ist eher nicht dafür bekannt, russische Geländegewinne zu unterschlagen:

https://www.nzz.ch/visuals/ukraine-die-invasion-russlands-in-karten-und…

Karl-Heinz Weiß | Do., 25. August 2022 - 14:06

Präsident Putin hat sich auf eine Groß-Russlandlösung festgelegt und der ukrainische Präsident auf die Rückeroberung der erst 1954 von Chruschtschow seinem Land geschenkten Krim-da passt nichts zusammen. Und eine UN-Mission ist nicht in Sicht.

Christoph Kuhlmann | Do., 25. August 2022 - 15:20

"Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Russland seine Bemühungen um eine Verhandlungslösung in diesem Konflikt verstärkt."

Russland wird auf Teile der strategische Tiefe verzichten müssen. Es ist sowieso eine Frage der Zeit bis die Ukraine Raketen hat mit denen sie jeden Punkt in Russland erreichen kann. Das müssen nicht einmal Waffen aus dem Westen sein. Wenn sie eine Technik entwickeln, dann die Raketentechnik. Russland wird Mühe haben da mitzuhalten. Denn im Unterschied zur Ukraine hat es auf absehbare Zeit nur einen limitierten Zugang zur modernen Elektronik.

Europa möchte noch eine Weile Gas aus Russland. Allerdings ohne damit die russische Armee hochzurüsten. Einen unbegrenzten Technologiezugang wird Russland nur mit Rüstungsbegrenzungsabkommen mit strengen Kontrollen erhalten. Da kann man dann auch die Ukraine einbinden, so dass beide Seiten auch ohne strategische Tiefe sicher sind. Ich nehme an die Balten sind einverstanden wenn Deutschland über Königsberg reden möchte.

Inana | Do., 25. August 2022 - 17:08

Die Analyse dürfte halbwegs realistisch sein. Und auch wieder nicht, denn sie geht auf das eigentliche Problem nicht ein und das ist, dass ja auch der Westen nicht verhandeln will.
Dass Russland das - zu seinen Bedingungen - in absehbarer Zeit will mag schon sein. Nur es wird aus dem Westen kein annehmbares Angebot bekommen. Für die USA ist der Krieg - so brutal das klingt - ein geopoltischer Jackpot. Sie können nicht nur Russland schwächen, sondern auch Europa nach ihren Wünschen ausrichten. Dazu wird der Westen kaum Putin aus der Patsche helfen.
Insofern dürften Verhandlungslösungen unrealistisch sein - und auf Europa sehr ungemütliche Zeiten zukommen. Und auf uns übrigens enormste Energierechnungen. Deutschland wird wegen der oben genannten Konstellation einer der - vielleicht sogar - der -Hauptverlierer sein.

Gisela Fimiani | Do., 25. August 2022 - 17:17

Es steht zu hoffen, dass Ihre nachvollziehbare Einschätzung, Herr Urcosta, besser früher als später zu Verhandlungen führen möge, die das menschliche Elend auf beiden Seiten beendet. Für die Verhandlungen steht zu hoffen, dass der Westen und die Ukraine sich jeder herablassenden Siegerpose enthalten mögen. Die US Regierung hat nach WWII gezeigt, wie sich Sieger, die selbst enorme Opfer brachten, zu Empathie mit dem Feind fähig waren und konnte mit kühler Vernunft und geopolitischer Weitsicht die Nachkriegszeit gestalten. Besonders wir Deutschen, die mit Hitler in Russland enormes Leid verursachten, haben allen Grund, sich mit Gesten und Worten der Verachtung, der Anmaßung, der Selbstgerechtigkeit zurückzuhalten. Möge eine großmütige Diplomatie die Zukunft gestalten, die unsere vielbeschworenen (ethischen) Werte ins Werk setzt, nicht um Putins, sondern um der russischen Menschen Willen. Menschliche Größe zeigt Verständnis und Demut. Sie bedarf der höhnischen Demütigung nicht.

Stawrogin | Do., 25. August 2022 - 18:05

Am 5. Juni konnte man noch im Cicero den Aufmacher „Der Krieg lief für die Ukraine noch nie so gut wie jetzt“ lesen. Drei Wochen später kollabierten die letzten Reste der ukrainischen Verteidigung in Luhansk. Will heißen: das was gewünscht ist, passiert nicht zwingend. Das gilt für die Südoffensive ebenso wie für den Putsch in Moskau, die Krebserkrankung von Putin oder den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft. Die Einnahme von Mykolajiw als unlösbare Herausforderung zu bezeichnen, halte ich jedenfalls für sehr, sehr gewagt. Es ist eher ziemlich wahrscheinlich, dass bis Ende September/Anfang Oktober die Stadt unter russischer Kontrolle ist.

Alexander Brand | Fr., 26. August 2022 - 09:52

das ist aber leider nur die westliche Hälfte der Wahrheit, die russische Hälfte leugnet man weiter. Man macht es sich so zwar einfach, der Situation wird man aber nicht gerecht, was man aber offensichtlich auch gar nicht will.

„führten zu der politischen Entscheidung, die Unruhen im Land zu unterdrücken“, ich sehe nicht, daß die Äußerungen von Faeser & Co. irgend etwas anderes sind als eine Unterdrückung der Opposition.

Schön, daß der Autor glaubt, daß sich nur Rußland in einer sanktionsbedingten Zwangslage befindet. Ich bin gespannt, wie die Sache bei uns nach dem nächsten Winter aussieht. Entlastungspakete für Arme führen zur massiven Belastung der Mittelschicht, teure/nicht vorhandene Energie führt zur Industrieabwanderung. Unsere Zwangslage ist gravierender als die der Russen, nur unsere Politik begreift es nicht!

Rußland hatte NIE vor die NATO anzugreifen, diese Behauptung war immer nur teil der westlichen pro-Kriegspropaganda.

Needless to say, I don’t agree with the author.