Scholz und Biden
Manches besser nicht öffentlich diskutieren: Scholz und Biden in Washington / dpa

Deutschland, Frankreich und die Ukraine-Krise - Sanktionen und Gespräche

Beim Washington-Besuch von Olaf Scholz sagte US-Präsident Joe Biden, was Scholz nicht sagen wollte: Ein russischer Einmarsch in die Ukraine bedeutete das Ende für Nord Stream 2. Darum kommt die Bundesregierung ohne diplomatischen Schaden nun nicht mehr herum. Dennoch möchte sie den Weg für Verhandlungen offen lassen.

Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Diesen Ansatz der amerikanischen Diplomatie im Konflikt mit Russland trägt Bundeskanzler Scholz uneingeschränkt solidarisch mit: Der Westen, die Nato und die Europäische Union müssen mit einer Stimme sprechen und weitreichende und harte Sanktionen, die schon vereinbart und vorbereitet sind, androhen, sollte Russland erneut in die Ukraine einmarschieren. Was im Sanktionspaket vereinbart wurde, wollten aber weder Präsident Biden noch Bundeskanzler Scholz bisher sagen. Deshalb starrten alle Beobachter bei seinem Antrittsbesuch in den USA auf Scholz: „Sagt er Nord Stream 2?“ Angeblich hatte der ukrainische Präsident wenige Stunden zuvor wegen der deutschen Haltung zur Pipeline ein Treffen mit der deutschen Außenministerin abgesagt.  

Scholz sagte in der Pressekonferenz nicht „Nord Stream 2“. Auch beim anschließenden Interview bei CNN nahm er den Namen, obwohl danach gefragt, nicht in den Mund. Und doch kommt er hinter die Zusage, dass bei einer russischen Aggression die Pipeline tot ist, nicht mehr zurück. Denn Präsident Biden sagte es: „Wenn Russland einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden das beenden.“ Und auf die Rückfrage, wie das geschehen wird, sagte der amerikanische Präsident: „Wir werden, das verspreche ich Ihnen, dazu in der Lage sein.“ Scholz’ Mantra der harten, weitreichenden Sanktionen, über deren Inhalt nicht gesprochen wird, wurde damit in einem Punkt geerdet. Biden hat ihm die Last abgenommen, das selbst sagen zu müssen. Aber ohne größten diplomatischen Schaden anzurichten, kommt die Bundesregierung im Fall einer Aggression nun nicht mehr um das Aus für die Pipeline herum. Juristen wissen, dass Schweigen in bestimmten Fällen Zustimmung bedeutet. Gestern war so ein Fall.

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Tomas Poth | Di., 8. Februar 2022 - 17:26

Der Westen baut einen Popanz auf, daß Russland angeblich plane in die Ukraine einzumarschieren.
Was für ein Unsinn!
Einige Osteuropäischen Nato-Staaten bauen entsprechend einen Popanz gegenüber Deutschland auf, Verzicht auf NS2 und Waffenlieferung an die Ukraine.
Nochmaliger Unsinn.
Die Ukraine taugt weder für EU-Beitritt noch für Nato-Mitgliedschaft!
Die USA-Interessen sind nicht immer die unsrigen!
Die Ukraine soll zunächst mal ihre internen Probleme regeln, vor allen Dingen Rücksicht auf ihre russische Bevölkerung, immerhin 17%, nehmen, bzw. diesen in der Ukraine eine Stimme geben!
Deutschland werde erwachsen und laß dich nicht kujonieren!

Karl-Heinz Weiß | Di., 8. Februar 2022 - 17:29

Neutralitätsstatus der Ukraine-auf diese Kompromisslinie wird es wohl hinauslaufen.
Bei einem Angriff auf die Ukraine würde sich Europa bei den Lieferketten komplett umstellen-das Aus für NS2 wäre, zur Freude der US-Gaswirtschaft, nur der Anfang. Und die anderen Öllieferanten könnten sich über (noch) höhere Erlöse freuen. Diese Freude wir ihnen Putin nicht bereiten.

Hanno Woitek | Di., 8. Februar 2022 - 18:04

und Macron und Putin, oder was bei beiden durchklang, sensibel, und nicht wieder typisch journalistischem Schlau-Gemeinere folgt, kann man durchaus den Eindruck haben als würden die 3 West-Chefs eine kluge Druckpolitik hinter verschlossenen Türen führen. Denn Putin darf natürlich sein Gesicht nicht verlieren.
Ich denke, Herr Scholz wird ihm nächste Woche, abgestimmt mit den beiden Freunden, ganz vertraulich sagen, wenn du zurückziehst gibt es eine Natolösung und keine Sanktionen mehr, wenn nicht ist Nordstream futsch und du kommst an kein Geld mehr. Nur wenn jetzt die Presse immer wieder fordert, Scholz solle endlich sagen, Wasser steigt, dann weiss sie selbst wie dämlich das ist und nur der Auflage dient. Aber gibt es noch kluge Journalisten? Man muß da so seine Zweifel haben.

Andre Möller | Di., 8. Februar 2022 - 18:08

schwächsten Artikel von Herrn Jäger, die ich bisher gelesen habe. Anmerkung: Man sollte nicht die Maximalforderungen Moskaus als gegeben hinnehmen - Polen als russisches Einflussgebiet? Das will auch in Moskau wohl keiner, aus nachvollziehbaren Gründen. Man wollte den Westen erschrecken und das ist ja auch hervorragend gelungen. Aber jetzt reagieren alle so kopflos, dass man sich fragt, ob der Westen noch ganz bei sich ist - aber Hauptsache Einheit demonstrieren. Biden befiehl - wir folgen! NS II ist keine US-Angelegenheit! Frankreich gehört dann nach dieser Lesart auch nicht zum Westen. Die "Qualitätsmedien" haben ja schon die Nase gerümpft, das Macron nach Moskau geflogen ist. Das ist alles nicht sehr rational- leider! Die Nato inkl. USA müssen sowieso einen vollkommen neuen Umgang mit Russland üben, da kommen sie nicht drum herum. Einheit also zu was? Was soll das Ziel sein realistischerweise? Der Drops Ukraine ist gelutscht, da wird Moskau nicht zurückstecken.

Peter Sommerhalder | Di., 8. Februar 2022 - 18:18

Putin die Ukraine angreift, das würde mich also schon sehr überraschen, denn Putin ist ja schliesslich kein Dummkopf...

Sanktionen? Putin weiss doch ganz genau, dass Deutschland auf's Russlandgas angewiesen ist...

Deutschland, (und ganz Europa) wird als wie unautarker, das kann es doch nicht sein, das ist brandgefährlich...!
(Energie, Medikamente, digitales Zeug und was auch immer noch...)

Alice Friedrich | Di., 8. Februar 2022 - 18:48

braucht keine Feinde mehr.
Ich greife eine Schlüsselstelle dieses Artikels heraus:„Wenn Russland einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden das beenden.“ Und auf die Rückfrage, wie das geschehen wird, sagte der amerikanische Präsident: „Wir werden, das verspreche ich Ihnen, dazu in der Lage sein.“
Mit dieser unverblümten Drohung zeigt sich der wahre und altvertraute Aggressor, der die Souveränität eines verbündeten und befreundeten Landes skrupellos mit den Füßen tritt. Und Scholz demütigt. Applaudiert von den heimischen MSM und ÖR, die wie Marionetten an den Strippen der USA hängen und die Interessen des eigenen Volkes nicht mehr sehen: zuverlässige Energieversorgung und Einvernehmen mit Russland.
Kriegstreiber sind in meinen Augen die USA, die so einen Weg gefunden haben, den eigenen Frackinggasüberschuss teuer zu verkaufen. An Deeskalation werden die USA kein Interesse mehr zeigen .
Ich hoffe auf Macron, der nicht so in der Klemme steckt wie jetzt Scholz.

Scholz wurden die Flügel gestutzt (NZZ). Bemerkenswert auch, wie Biden der Frage auswich, ob die USA auch plane, ihre Ölimporte aus Russland zu stoppen.

Man kann jetzt nur noch auf Macron hoffen. Scholz ließ sich offensichtlich überrumpeln.

MMn. macht Scholz bisher eine gute Figur und hält dem "medialen" Druck, der von unserer transatlantischen Presse aufgebaut wird, stand.

Armin Latell | Di., 8. Februar 2022 - 18:54

Putin die Ukraine angreift oder nicht? so oder so: es wird geerntet, was man gesät hat, allen voran die Amerikaner. Wie viele Kriege haben die schon verschuldet? Welchen Einfluss soll eine fliegengewichtige Bundesregierung denn noch haben, wenn deren einziges Interesse die Abschaffung des Nationalstaates ist und damit überhaupt keine eigene Interessen mehr verfolgen kann? Sie führt doch gerade einen Mehrfrontenkrieg: gegen die deutsche Bevölkerung, gegen Polen und Ungarn, gegen Russland schon lange, gegen Kohle und Atom, gegen die Auto und Schwerindustrie, für das Weltklima, für Gleichheit, für Gleichberechtigung, für Quoten, für Diversität, für Minderheiten (außer Ungeimpfte), für den Schutz der Weltbevölkerung vor Krankheiten u.v.m. Zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen-die Definition dieser neuen deutschen Amateure.

Romuald Veselic | Di., 8. Februar 2022 - 19:26

Die Grünen werde die ersten, die alles verlieren werden, denn Putin betrachtet sie als gefährliche Idioten, die man stoppen muss. Es wird nicht mehr gegendert u. es werden keine Frauenquoten u. LGBTIQ-Befindlichkeiten stattfinden. Und das Wichtigste: Die Migration und Mittelmeerrettungsdienste werden eingestellt. Und wie man das macht u. wie es sich anfühlt, wenn die Russen das Heft des Handelns übernehmen, braucht man nicht viel Fantasie.

Es reicht, wenn man sich den neuesten RUS-Streifen "Granit" ansieht, wo eine NGO der russischen Reservisten, Mosambik von den Klerikalfanatiker befreit.

Gute Unterhaltung! ?

Jörg Adams | Mi., 9. Februar 2022 - 08:35

Nur NSZwo wird genannt?! Sonst nichts!? Der Rest des Paketes bleibt unter der Decke!! Warum nicht auch South Stream oder der Verzicht der USA auf preiswerte russische Erdölimporte? !!
Wenn Scholz mit seinem Schweigen DAS ALLES inkludiert sehen will, hat er meine Stimme! Wagt denn niemand zu sagen, dass North Stream uns auch gegen Einflussnahme aus der Ukraine und Polen resilienter macht?
Nicht falsch verstehen. Ich bin auch für die Lieferung von Waffen an die Ukraine. Es müssen nicht direkt Panzer sein, aber Anti-Drohnen Waffen sind absolut vertretbar. Und, marschiert die RF ein, kann man über alles nachdenken.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 9. Februar 2022 - 09:25

Sagt ja auch unsere Völkerrechtlerin, da muss es wohl stimmen, oder? Ich mache bei dem medialen Hype nicht mit, pro oder kontra Putin und damit Einfluss zu nehmen darauf, das am Ende irgendwer recht behalten wird. Ich bin mir sicher, dass Putin nicht einmarschieren wird und bereits im Hintergrund an einer diplomatischen Lösung gearbeitet wird, so das alle gesichtswahrend aus dem Konflikt herauskommen. Wahrscheinlich werden schon Formulierungen gesucht und dann irgendwann der "große" Durchbruch verkündet werden. Beide Seiten wissen doch letztlich, dass maximale Drohungen mit was auch immer, nur dem Zweck erfüllt, sich in der Mitte zu treffen. Im Falle eines Krieges verlieren alle, vor allem aber die Ukrainer. Anstatt, dass diese alles zur Entspannung der Lage unternehmen, schüttet gerade die ukrainische Regierung noch Öl ins Feuer. Und auch N2 wird kommen, sonst knallt es in D, wenn die ersten Wohnungen kalt bleiben. Denn auch links-grüne frieren und wollen es kuschelig warm. Geduld.

Gerhard Lenz | Mi., 9. Februar 2022 - 10:27

Die BRD ist Teil der NATO, des westlichen Verteidigungsbündnisses. Beschließt dieses im Verteidigungsfall konkrete Schritte gegen Russland (die selbstverständlich auch wirtschaftliche Aktionen beinhalten können), so ist es logisch, dass die BRD sich daran halten muss.

Wem das zu weit geht, der muss darauf hinarbeiten, dass Deutschland die NATO verlässt.
Dann aber wären wir vollständig den Launen des kriegslüsternen Halunken im Kreml ausgesetzt.

Halten wir doch noch mal fest: Die Ukraine, ein selbständiger Staat, kann selbstständige Entscheidungen treffen, ohne einen Herrn Putin vorher um Genehmigung zu fragen.

Wäre ja noch schöner.

Und nein, Kuba und Venezuela würden kaum russische Raketen stationieren.

Mit Sozialismus hat Putin soviel am Hut wie die AfD.

Auf Kuba haben längst die Chinesen das Sagen...

der Verteidigungsfall ist auf kriegerische Handlungen (Art 5 N-Vertrag) ausgerichtet, wenn ein NATO-Land „angegriffen“ wird. Dann, nur dann kommt der Bündnisfall zum Tragen.
Selbstverständlich kann die Ukraine selbstständische Entscheidungen zu treffen, z.B., der Nato beitreten zu wollen. Es bedarf aber nach Art 10 Nato-Vertrag einer „Einladung“ durch die Mitgliedsländer. Ein solcher Beschluss muss „einstimmig“ getroffen werden. Wie verlautet gibt es keine Einladung für eine Beitrittseinladung durch die N-Länder. Beabsichtigt, würde ein solcher „wohl“ an der Einstimmigkeit scheitern.
P. hat der Ukraine also keine Eigenständigkeit abgesprochen. Wieder nur eine hassmotivierte Unterstellung von Ihnen. P. hat die „Nato“ aufgefordert, keine Einladung auszusprechen.
Dass Sie den Unterschied erkennen, war nicht zu erwarten.
Meine Frage an Sie: Muss Russland von der Nato -oder wem auch immer- die Genehmigung einholen, wenn es auf „seinem Territorium“ Truppenbewegungen durchführt?

Fritz Elvers | Mi., 9. Februar 2022 - 11:42

Sie muss jetzt nur noch Kiew dazu ermutigen, die abtrünnigen Gebiete anzugreifen, Onkel Joe hilft ja.

Die Russen werden dann wohl eingreifen und schwupps ist NS2 weg. Allerdings auch weitere Gaslieferungen. Deutschland braucht H-Gas, L-Gas (gurgeln) aus Holland ist zu minderwerig für Kraftwerke (Wobbe-Zahl) und auch nicht lange vorhanden. Die deutsche Industrie geht ein, aber was interessiert es Uncle Sam? Jedenfalls sind die 2% BIP dann greifbar nahe.

Scholz reist nun ohne Ass im Ärmel nach Moskau.

Jochen Rollwagen | Do., 10. Februar 2022 - 12:31

Sehr geehrter Herr Professor Jaeger,

hier wieder das Update aus der Realität für Sie:

Der Besuch von Herrn Macron in Kiev war begleitet von 1,2 Milliarden Euro an Krediten und Garantien für die Ukraine. Herr Zelensky war sichtlich angetan, und so werden demnächst französische - und höchst-wahrscheinlich auch italienische - Unternehmen in der Ukraine hervorragende Geschäfte machen. Vielleicht fällt sogar was für die Deutschen ab. Da Herr Macron am Tag zuvor sechs Stunden mit Herrn Putin konferierte darf davon ausgegangen werden, daß all das mit Billigung Rußlands erfolgte. Herr Macron sprach von weiteren Verhandlungen und Gesprächen in den "nächsten Tagen und Wochen". Das geht also ratz-fatz. Und auf Krieg hat keiner Lust außer den Anglo-Amerikanern.

Was ein verwirrter alter Mann am anderen Teil der Welt so an Konfusion von sich gibt interessiert ehrlich gesagt außer Ihnen niemanden mehr.