- Die Zahlentrickser
Schrumpfen, pflegen und vergreisen – vier Einwände gegen das demografische Gruselkabinett
Seit Jahren wird eine demografische Entwicklung prognostiziert, die einem Gruselkabinett ähnelt. In dem Schreckensbild, das gezeichnet wird, steht eine Masse an immer älter werdenden Alten wenigen jungen Menschen gegenüber, auf deren Schultern die gesamte Last liegt, wodurch das bestehende soziale und wirtschaftliche Gefüge alarmierend ins Wanken gerät. Der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg und andere sprachen bereits von einer Verdopplung des Altenquotienten. Und seit 2012 warnen Frank-Jürgen Weise (Bundesagentur für Arbeit), Robert Egeler (Statistisches Bundesamt) und andere vor einem angeblich drohenden gravierenden Mangel an Arbeitskräften. Aber selbst wenn die Vorhersagen über eine steigende Lebenserwartung, weniger Kinder und mehr Rentner tatsächlich so eintreffen sollten, wie Demografen sie skizzieren – wäre das denn wirklich ein so riesiges soziales und wirtschaftliches Problem?
Einwand 1:
Langzeitprognosen sind unzuverlässig
Vorab sei gesagt, dass sich Langzeitprognosen immer als moderne Kaffeesatzleserei erweisen. Welche Zahlen des Jahres 2010 hätte Konrad Adenauer 1960 denn tatsächlich vorhersagen können? Richtig, die Jahreszahl. Sonst aber fast gar nichts. Und in der heutigen schnelllebigen Zeit sollen wir 50 Jahre in die Zukunft schauen können? Selbst 1985, also vor „nur“ gut 30 Jahren, wusste Helmut Kohl samt seinem Beraterstab kaum etwas über die Welt von heute. 25 Jahre Wiedervereinigung, Auflösung des Ostblocks, Kriege in Irak, Libyen, Syrien und ihre Folgen für uns; Industrie 4.0, 3-D-Drucker, Google, Wikipedia, Facebook, Whats-App: So gut wie nichts davon war vor 30 Jahren zu erahnen. Selbst vor 20 Jahren waren Dinge wie Riester- und Rürup-Rente, Finanzkrise und Europäischer Stabilitätsmechanismus nicht in Sicht. Es ist unseres Erachtens daher schwer nachzuvollziehen, dass viele sonst so kluge Leute trotzdem 50-Jahres-Prognosen mit der zukünftigen Wirklichkeit verwechseln.
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