Wolfgang Ullrich
„Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts war es in der Kunstwelt nicht mehr so dramatisch wie heute“: Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich / Felix Adler

Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich - „Die Autonomie-Idee der Kunst hat sich erschöpft“

Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich deutet die Diskussion um antisemitische Kunstwerke auf der Documenta 15 als Symptom eines sich wandelnden Kunstbegriffs. An die Stelle des unabhängigen Werkes tritt mehr und mehr die Vorstellung einer vernetzten, situativen Kunst, die ein soziales Anliegen vermittelt.

Autoreninfo

Tilman Asmus Fischer studierte Geschichte, Kulturwissenschaft und evangelische Theologie. Er lebt und arbeitet als freier Journalist in Berlin. Die Themen seiner Arbeit verdanken sich einer sozialethischen Perspektive auf Politik und Zeitgeschehen.

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Wolfgang Ullrich ist Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler. In zahlreichen Büchern analysiert er das Ineinandergreifen von zeitgenössischer Kunst, Popkultur und öffentlichem Diskurs. Zuletzt erschien von ihm „Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie“.

Herr Ullrich, die diesjährige Documenta in Kassel fand vor allem wegen eines Antisemitismus-Skandals öffentliche Aufmerksamkeit. Hat die Debatte Sie überrascht?

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Walter Bühler | Mi., 12. Oktober 2022 - 15:51

Da die meisten NGO's ja über irgendwelche Kanäle, Töpfe, Medienanstalten und Stiftungen alimentiert werden, liegt es für Künstler nahe, sich auch auf diesem Sektor Einnahmequellen zu verschaffen. Das ist ganz konventionell gedacht und hat viel mit der inflationären Zahl an Künstlern zu tun, die unsere Hochschulen am laufenden Meter produzieren.

Für mich als künstlerischen Laien wird nur im Bereich der Musik erkennbar, dass Qualitätsansprüche für die Absolventen eine Rolle spielen.

Was mir vom Wirken des Professors Ai Weiwei, in Berlin im Gedächtnis geblieben ist: solche Gesinnungs-Professoren sacken mit großem Gestus Millionen ein, und das wars dann auch schon. Das Zentrum für politische Schönheit bringt seine Mitglieder wohl auf die gleiche Weise staatsfinanziert über die Runden.

Also - nix mit "Emanzipation" vom spendablen Staat - ganz im Gegenteil.

Karl-Heinz Weiß | Do., 13. Oktober 2022 - 19:19

Antwort auf von Walter Bühler

Dem Zentrum für politische Schönheit geht es zuallererst um Gedankenanstöße - im Fall Höcke sehr kreativ. Wenn die Autonomie der Kunst wegfällt, wird sie zum Propagandainstrument. Das Muster des NS-Staats wird aktuell vielfach kopiert.

Ernst-Günther Konrad | Do., 13. Oktober 2022 - 08:31

Ich gebe es offen zu, ich verstehe nichts von Kunst. Ich betrachte in Kunstwerk spontan danach, wie es mir farblich und inhaltlich gefällt. Beuys Fett Ecke oder die sog. surreale Kunst, bei denen mir bildlich der Bezug zur Realität fehlt, ficht mich nicht an. Ja, man kann sagen, eigentlich muss Kunst erlaubt sein, alles zu zeigen, je nach dem Blickwinkel des Künstlers. Dem steht gegenüber, das damit eine politische Aussage verbunden sein kann, die gewollt oder ungewollt Menschen zu Opfern oder Tätern macht. Ein äußerst schwieriges Terrain. Hätte den antisemitischen Objekten auf der Documenta unmittelbar und direkt entsprechende wiedersprechende Kunstwerke gegenüber gestanden, könnte ich mich noch für die Kunstfreiheit entscheiden. So aber, wie bei reinen BLM Kunstwerken auch, wird eine einseitige, politisch mit einer Botschaft verbundene Aussagen unter dem Deckmantel von Kunstfreiheit unters Volk gebracht. Und ja, man hätte vorher mehr darüber nachdenken müssen, was zumutbar ist.