- „Monster haben meine absolute Sympathie“
„Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ gilt mit 13 Nominierungen als heißer Favorit bei den Oscars. Regisseur Guillermo Del Toro erklärt im Interview, woher er die Inspiration für seine fantastischen Welten nimmt und wieso ihn Monster schon immer mehr interessiert haben als Menschen
Für sein Debüt „Cronos“ gewann Guillermo Del Toro 1993 in Cannes den Kritikerpreis sowie neun mexikanische Filmpreise. Vier Jahre später folgte das Hollywood-Debüt mit dem Horror-Film „Mimic – Angriff der Killerinsekten“. Nach den Comic-Verfilmungen „Blade II“ und „Hellboy“ gab es für das märchenhafte Fantasy-Spektakel „Pans Labyrinth“ sechs Oscar-Nominierungen, darunter für das Drehbuch von Del Toro. Mit „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“, einer poetischen Lovestory zwischen einer Putzfrau und einem Amphibienwesen, wurde der Mexikaner in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet und gilt mit 13 Oscar-Nominierungen als ganz großer Favorit bei den Academy Awards. Heute startet er in den deutschen Kinos.
Herr Del Toro, wie schwierig war es, Hollywood von solch einem poetischen Projekt zu überzeugen?
Ich hatte das Projekt mit eigenem Geld drei Jahre lang entwickelt. Dieses Konzept bot ich dann lediglich einem einzigen Studio an, nämlich Fox Searchlight, mit denen ich bereits gute Erfahrungen hatte. Am Ende meiner Präsentation haben alle geheult, worauf mir fast die Stimme versagte. Es ist ein Mythos, wonach Hollywood nur von Geschäftsleuten bestimmt wird. Wenn man eine bewegende Story hat und diese richtig vermittelt, dann findet man auch Unterstützung.
Gab es keine Bedenken wegen der Altersfreigabe?
Überhaupt nicht. Ich sagte von Beginn an: Sally Hawkins masturbiert. Es gibt Sex-Szenen zwischen ihr und der Kreatur. Es wird als ganz klar ein Film mit einem „R-Rating“ (frei ab 17 Jahren, Anm. der Red.) – das wurde problemlos akzeptiert.
Welchen Stellenwert hat „Shape of Water“ für Ihre Karriere?
Dieses Projekt musste ich unbedingt machen. Meine bisherigen neun Filme hatten alle etwas mit meiner Kindheit zu tun. Jetzt bin ich 53 Jahre alt, da wurde es höchste Zeit, endlich einen erwachsenen Film zu machen. Es ist ein Film über die Liebe, was für mich bedeutet, seinen Partner so zu mögen, wie er ist. Ohne Anspruch auf Perfektion, ohne Wunsch ihn zu ändern.
Welche Bedeutung hat das titelgebende Wasser?
Wasser nimmt immer die Form an, in der es sich befindet. So sanft es auch sein kann, ist es zugleich die stärkste und verformbarste Kraft des Universums. Gilt das nicht ebenso für die Liebe? Auch die Liebe kann jede Form annehmen, egal ob für einen Mann, eine Frau oder eine Kreatur. Ich mag Filme, die befreiend sind und sagen: Es ist gut so, der zu sein, der du bist.
Woher bekommen Sie die Ideen für Ihre fantastischen Welten? Aus Träumen?
Schlaf ist schrecklich für mich. Mir ist lediglich ein einziger Traum bekannt, der allerdings verfolgt mich seit meiner Kindheit: Ich kann unter Wasser atmen. Meine Ideen entspringen aus meiner Unfähigkeit, mich zu langweilen. Ich bin wirklich ständig am Überlegen. Wenn ich in einem Restaurant sitze und nebenan einen roten Fleck auf dem Tischtuch sehe, denke ich mir sofort ein Mordszenario dazu aus. Aus diesem Grund darf meine jüngste Tochter nie spät nach Hause kommen! Wenn sie zehn Minuten über der Zeit ist, male ich mir bereits das gesamte Kidnapping aus und erwarte den Anruf der Entführer. (Lacht)
Sie haben einmal gesagt, dass Monster Sie schon als Kind begeistert haben. Wieso?
Im Märchen gibt es zwei Varianten. Die eine behauptet: Monster sind böse, deine Eltern sind gut. Deswegen musst du ihren Anweisungen stets folgen. Die andere besagt: Vergiss die Regeln, sei einfach verrückt. Ähnliches gilt beim Horrorfilm. Die einen warnen vor Monstern, weil alles Fremde stets Gefahren bringt. Die anderen sagen, die heile Familienwelt sei gar nicht so idyllisch wie sie tut. Diese zweite Variante hat mir schon immer besser gefallen. Ich möchte Mitgefühl mit dem Monster haben. Als ich Boris Karloff zum ersten Mal in „Frankenstein“ sah, war er für mich wie der Messias. Seit dieser Zeit haben Monster meine absolute Sympathie. Sie sind einfach so, wie sie sind. Man kann sie ganz einfach verstehen – im Unterschied zu Menschen, hinter deren charmanter Maske sich oft Abgründe auftun.
Wie entsteht so ein Monster?
An Anfang entstehen Entwürfe aus Ton. Diese Figuren stelle ich auf meinen Schreibtisch und umkreise sie mit einer Lampe, um alle Schatten zu sehen. Schatten sind später enorm wichtig, weil sie wie Mimikfalten wirken. Beim Gesicht können Millimeter am Mundwinkel über die richtige Balance zwischen Mensch und Amphibienwesen entscheiden. Für den letzten Schliff gaben die Frauen bei mir zu Hause den Ausschlag: Mehr Hintern oder weniger? Genügend Sixpack? Breitere Schultern oder schmalere? Ich wollte eine Kreatur, in die man sich verlieben kann.
Weshalb war es wichtig, dass ein Schauspieler im Amphibien-Kostüm steckt und kein Computer für die Effekte sorgt?
Ohne Schauspieler hat man keinen Film – und Doug Jones ist ein großartiger Darsteller. Wenn er zum ersten Mal in das Kino kommt und man spürt, die Kreatur hat noch nie zuvor einen Film gesehen, dann sind das echte Schauspieler-Momente. Oder jene Schlüsselszene im Badezimmer: Richard Jenkins hatte zunächst Bedenken, mit einem Kollegen im Kostüm aufzutreten. Danach erzählte er, kaum hätte er „Action“ gehört, hatte er das Gefühl, einem antiken Wasser-Gott gegenüberzustehen.
Die Bösewichte heißen Richard Strickland und Robert Hoffstetler – sind die deutschen Namen Zufall?
Hoffstetler kommt aus Texas, wo es bis heute große Einflüsse von deutschen Einwanderern gibt. In der Nähe von El Paso existieren drei Städte, die völlig deutsch sind. Dort findet man sehr gute Würste und eben auch viele solcher Namen. Strickland gefiel mir einfach vom Klang gut, weil es an „stricken with disease“ (Anmk. d. Red.) von einer Krankheit befallen) erinnert.
Warum lassen Sie die Geschichte ausgerechnet in den sechziger Jahren spielen?
Das Amerika der frühen sechziger Jahre wurde idealisiert zu einem Land der Fantasie und der Märchen. Das heutige „Make America great again“ träumt von genau davon. Ein großartiges Land, wenn man weiß, männlich und heterosexuell ist. Für alle anderen ist allerdings kein Platz. Diese Geschichte in die sechziger Jahre zu verlegen, schien mir viel wirkungsvoller, als sie in unserer Zeit zu erzählen. Ein Märchen besitzt viel mehr Magie als ein aktuelles Politdrama.
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haben wir so viele in der Welt und sie leben auch noch, daß ich bestimmt kein Monster brauche.
Es ist für uns nur die Frage, wann werden unsere Monster verschwinden oder sogar aussterben, das interessiert mich nur noch, fertig.
Artikel, so hineingesetzt in unsere zur Zeit aufgeheizte politische Situation, überhaupt auf den richtigen Resonanzboden treffen wird.
Ich habe Zeit meines Lebens sehr viele Filme gesehen, durchaus mit Hingabe.
Bei Horrorfilmen interessiert mich vor allem die Frage, vor was die Macher Angst haben oder welche Verwerfungen sie in der Gesellschaft erkennen.
Horrorfilme sind noch einmal eine Steigerung der Kriminalfilme oder Thriller, die ich sehr liebe.
Zum weltberühmten Regisseur, fällt mir zunächst ein, dass ich doch froh bin, dass im Wesentlichen Peter Jackson für den "Hobbit" und den "Herr der Ringe" verantwortlich zeichnet.
Es geht da nicht um die Welt der Monster, sondern deren Bezwingung.
Es geht in dem Film "Das Flüstern des Wassers" - ein toller Titel - evtl. um die Schwierigkeit, aus dem Wasser - steht oft für Sexualität - heraustreten zu können oder aber dem Wunsch, in ihr zu verbleiben, für die Gesellschaft an Land evtl. eine Monstrosität?
Sehr interessantes Interview.
Genauso ist es. Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass ich für solche und andere Monster weder Mitgefühl noch Sympathie habe!
Man sollte generell mit dem Wort „Monster“ sparsamer umgehen. Wer weiß schon, in welche Richtung künftige genetische Eingriffe gehen.
Anmerken möchte ich noch, dass ich in meiner Jugend „Der Amphibienmensch“ von Alexander Beljajew (1962 verfilmt) gelesen habe. Diese Art „Monster“ ist also nicht neu.