Hier bekommt man auch noch Zeitungen auf Papier: Tabac in der Provence / dpa

Der Flaneur - Der Laden für sterbende Dinge

Der traditionelle französische „Tabac“ verwandelt sich zum diskreten Treffpunkt derer, die von der Digitalisierung überfordert sind. Zwischen lauter unnötigen Dingen finden sie ein Refugium, in dem sie einen letzten Hauch analoger Wärme genießen dürfen.

Stefan aus dem Siepen

Autoreninfo

Stefan aus dem Siepen ist Diplomat und Schriftsteller. Von ihm erschien zuletzt im Verlag zu Klampen „Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Missgriffs“. (Foto: © Susanne Schleyer / autorenarchiv.de)

So erreichen Sie Stefan aus dem Siepen:

Wenn man einen Spaziergang durch Paris macht, kommt man in jeder zweiten oder dritten Straße an einem Tabac vorbei – einem jener Lädchen, die fester Bestandteil der städtischen Romantik unseres Nachbarlands sind – ähnlich wie in Italien der Tabacchi – und bei deren Anblick man in Betrachtungen über die Vergänglichkeit alles Irdischen verfällt.

Tritt man ein, sieht man als Erstes eine große Auswahl an Postkarten. Die Motive haben sich seit Jahrzehnten nicht verändert, sind allenfalls ein wenig greller und „witziger“ aufgemacht, um dem Zeitgeist das Seine zu geben. Es hilft ihnen aber nichts: Sie müssen weichen, das Handyfoto verdrängt sie, denn es lässt sich leichter in alle Welt verschicken. Zudem hat es den Vorteil, dass auf ihm nicht nur die Sehenswürdigkeit selbst zu sehen ist, sondern auch etwas noch Wichtigeres: das Gesicht des Absenders im Vordergrund. Wenn nicht bald eine Haptik-­Nostalgie, eine verquere Liebe zum Unpraktischen ausbricht, wie sie etwa den Vinylplatten zuteilwird, ist es um die Karten geschehen. 

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Karl-Heinz Weiß | Mi., 21. Februar 2024 - 14:20

Bei der Lektüre dieses sehr stimmungsvollen Beitrags wurde auch ich etwas melancholisch: warum fehlen in Deutschland solche Traditionsgeschäfte ? Deutsches entweder/oder: das ist mit einer solchen Tradition wohl nicht vereinbar.

Peter Sommerhalder | Mi., 21. Februar 2024 - 15:33

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

Nicht nur in Deutschland, auch z.B. in der Schweiz

Wenn jetzt z.B. ein Shanghaier nach Europa kommt, denkt er vermutlich:
"Das gibt es ja nicht, da ist ja alles stehengeblieben, ist ja niedlich"

Ist alles eine Frage der Prespektive...

Peter Sommerhalder | Mi., 21. Februar 2024 - 16:37

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

Als ich 1990 in Buenos Aires war, war ich schon ziemlich erstaunt, dass es praktisch nur noch CD's zu kaufen gab. Schallplatten waren schwer zu finden.
Bei uns fing die Umstellung erst so langsam an.

Aber die Inflation war in Argentinien schon pervers: Nach nur 2 Wochen kostete eine U-Bahnfahrkarte schon das Doppelte...

Am ersten Tag machte ich den Fehler gleich so 100 Dollar in Austral zu wechseln. Ab dem 2. Tag wechselte ich immer 2x pro Tag...