cancel-culture-ranjid-kaya-yanar-brownfacing-rassismus-klischees
Per du mit der Kuh: Kaya Yanar als Ranjid / Kaya Yanar

Cancel Culture - „Nicht jeder Inder lebt mit einer Kuh zusammen“

Weil er sich für die Figur des Inders Ranjid braun geschminkt hat, soll der Komiker Kaya Yanar seine Figur abschaffen. Dabei ist die bei indisch-stämmigen Zuschauern äußerst beliebt. Jetzt hat Yanar die Kritiker auf Facebook nach ihren Gründen gefragt. Das Ergebnis hat seine Befürchtung bestätigt.

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

So erreichen Sie Antje Hildebrandt:

Kaya Yanar ist Komiker, TV-Moderator, Schauspieler und Live-Streamer. In der mehrfach ausgezeichneten Comedy-Sendung „Was guckst Du?!“ (Sat.1) spielte er mit den Klischees, die sich um verschiedenen Kulturen ranken. Seine bekannteste Figur ist der Inder Ranjid. 

Herr Yanar, eine Ihrer beliebtesten Comedy-Figuren ist der Inder Ranjid. Wie würden Sie den jemandem beschreiben, der Ranjid nicht kennt?
Ranjid ist ein indischer, kindlicher, naiver, tierliebender, lustiger, harmloser und asexueller Typ. Er ist das Kind im Mann. Ich hab die Figur so angelegt, dass ich darin Kind sein kann. 

Ihre Kritiker behaupten, Ranjid bestätige rassistische Stereotype.
Seine Nationalität spielte nur vor 20 Jahren eine Rolle, als ich mir die Figur ausgedacht habe. Inzwischen wird sie aber nicht mehr groß thematisiert. Indische Stereotype werden kaum bedient. 

Immerhin lebt er mit einer Kuh zusammen, ist dunkelhäutig und spricht ein lustiges Deutsch. Für einige Kritiker reicht das offenbar schon als Beweis aus.
Na ja, nicht jeder Inder lebt mit einer Kuh zusammen. Das ist natürlich überzeichnet. Klar, er hat eine dunklere Hautfarbe und einen komischen Akzent. Aber der ist weniger indisch als Ranjjd-Style. In meiner Show „Was guckst Du?!“ hatte fast jede Figur einen Migrationshintergrund. Die Komik bei Ranjid entsteht in erster Linie dadurch, dass er erwachsene Themen wie ein Kind auffasst. Er wird zum Beispiel von einer Prostituierten auf dem Gehweg angesprochen, und er versteht gar nicht, was sie beruflich macht. Oder als Agent rettet er die Welt in einem Kinofilm. Auf seine tollpatschige Art schafft er es, den Bösewicht zu stellen.

Jetzt kocht die Diskussion um Cancel Culture hoch. Auf Facebook haben Sie gefragt, ob Sie Ranjid spielen dürfen. Warum? 
Anfang des Jahres wurde ich zum ersten Mal mit der Frage konfrontiert, ob ich es okay finde, dass ich mich für die Rolle braun geschminkt habe. Diese Brownfacing-Vorwürfe gab es ja schon in den 60er-Jahren, als Peter Sellers einen tollpatischen Inder in dem Film „The Party“ gespielt hat. Das war einer meiner Lieblingsfilme als Kind, und diese Figur hat mich auch für Ranjid inspiriert. 2001 war Brownfacing aber kein Thema.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Markus Michaelis | Mo., 5. Oktober 2020 - 16:37

Es ist schon richtig, dass man sich nicht Mandate für andere aneignen sollte - sich also nicht im Namen der Inder beschweren sollte. Wichtig find ich aber, dass man sich im eigenen Namen über alles beschweren darf, auch wenn einem etwas über andere Menschen oder Gruppen nicht gefällt.

Die Empörungskultur führt aber eher in die Sackgasse. Klar, der ein oder andere aus einer sich bisher abgehängt fühlenden Ethnie/Gruppe entdeckt dadurch sein Potenzial mitzumischen - was erstmal positiv ist. Aber ich glaube es überwiegt, dass man eine Generation großzieht, die merkwürdige Vorstellungen davon entwickelt, um was es im Leben, Zusammenleben und in Gesellschaften geht - und was man selber zum eigenen Selbstwertgefühl und zum Platz in der Gesellschaft beitragen kann und sollte. Und auch ein Gefühl dafür, welcher Platz anderen zusteht.

möchte ich einmal umgekehrt aufgreifen, Herr Michaelis.
Ist es nicht so , dass auch krause Haare geglättet oder Gesichter gebleicht (z.B. Mikel Jackson ) werden, um dem weissen Typ näher zu kommen? Wäre das auch Aneignung? Dreadlocks sind ja schon ins Kreuzfeuer geraten, wenn Weisse sie tragen. Es könnte noch weiter sortiert werden: Was ist mit landestypischer Küche? Ist es auch schon Aneignung, wenn ein waschechter Einheimischer den Kochlöffel für fremdländische Küche schwingt ? Soll also künftig immer gelten: "jedem das Seine"? Z.B. nur bei uns Sauerkraut und Eisbein, was uns ja den (empörenden?) Spitznamen 'Krauts' eingebracht hat. Und den Tirolerhut nur für Österreicher?

... das gilt ja ausschließlich nur für Weiße, resp. Deutsche. Alle anderen können tun und lassen was sie wollen - es ist bunt und bereichernd, nur wir Deutschen tragen ja diese untilgbare Schuld.... Wir dürfen benutzt, verunglimpft und beschimpft werden, geschieht uns doch recht, wir sind ja das Tätervolk mit der Tätersprache. Es gibt ja auch keinen Rassismus gegen Weiße, wie ich kürzlich erfuhr. Und jedes Schimpfwort für uns ist ok. Ich habe einen weißen Hund mit Dreadlocks, ich hab ihn jetzt geschoren, ganz schuldbewußt.... ;-)

Liebe Frau Schulte,

hoffentlich nicht!
Als Liebhaber der italienischen und asiatischen Küche wäre dies für mich ein Horrorszenario!

Liebe Grüße aus Bayern.

Tonicek Schwamberger | Mo., 5. Oktober 2020 - 16:50

. . . höre ich hier zum ersten Mal. Man möge mir meinen niedrigen Bildungsstand verzeihen, wüßte aber auch nicht, was ich ansonsten versäumt hätte. Trotzdem finde ich das Interview lesenswert, unteressant und, ja, es wirft ein derbes Licht auf die heutige "Empörungskultur" - mehr kann und möchte ich dazu nicht sagen.
Vielen Dank, Frau Hildebrandt.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 5. Oktober 2020 - 17:15

insgesamt ein gutes Interview.
Ich gehörte auch zu den Fans dieser Sendung und also von Ihnen.
Da spielte auch eine gute Kollegin von Ihnen mit.
Stimmt, Peter Sellers konnte zu so einer Figur inspirieren.
Ich konnte nicht aufhören zu lachen, als diese als Tiere verkleideten Leute immer hin und herfuhren, links und rechts von einem Dorfbrunnen mit einem "Clochard" als Zuschauer.
Nun konnten Sie schlecht als "Kuh" gehen, jedenfalls habe ich diese Figur des Ranjid immer als ein Aufnehmen und widerspiegeln unserer Vorurteile und Klischees über Indien gesehen.
Sie haben das m.E. sehr gut gemacht und ich konnte damit leben, weil sie selbst einer "Minderheit" in der Bundesrepublik angehörten.
Einem "Bio"-Deutschen hätte ich das wohl nicht nachgesehen.
Ich konnte lachen und mich gleichzeitig schämen.
BRAVO Herr Yanar!
Man kann sich auch an Indien herantasten, über Dokumentationen, aber auch so wundervolle Filme wie "Der Tag nach der Hochzeit" und "Marigold Hotel" über Hinzukommende in Indien.

Maik Harms | Mo., 5. Oktober 2020 - 18:45

Zentraler Satz: "Es kommt immer auf den Inhalt der Comedy an und nicht so sehr darauf, wer sie macht,"

Das ist richtig, aber es geht der aktuellen Welle der Identitätspolitik gegen den Strich.

Schön auch Serdar Somuncus Ansicht, man habe ein Recht auf Diskriminierung. Verstanden als Kritikwürdigkeit jeglicher Ansichten ist das sehr gelungen.

In einer Sache würde ich aber Herrn Yanar widesprechen: Ob Ranjid beleidigend ist bzw. noch aufgeführt werden darf, sollte nicht alleine die indische Community (wer ist das?) entscheiden, sondern "ein verständiger Dritter", wie es schön juristisch heißt. Also, die Diskussion ist schon für jeden offen, aber nur entscheidbar nach objektivierbaren Kriterien.

gabriele bondzio | Di., 6. Oktober 2020 - 09:13

Antwort auf von Maik Harms

Den gab es gestern bei Hart aber fair. Was darf man noch sagen und was besser nicht?
Köstlich amüsiert, als der Schwarze Inhaber eines Imbisslokal sagte zu den empörten Akteuren, Stefanie Lohaus (Publizistin)/Stephan Anpalagan (Journalist und Theologe).
Der seinen Imbiss "zum Mohrenkopf "genannt hat, mit der Begründung: "Er entscheide selbst, was für ihn Rassismus sei!" Die Gesichtszüge der beiden Ereiferer dagegen, entgleisten zusehend.

Wolfgang Z. Keller | Mo., 5. Oktober 2020 - 19:08

Ein auch für mich als Nichtfranke köstlicher Ausdruck des leichten Entsetzens, locker verdeutscht als "Himmel, hilf!", "Nicht doch!" und ähnlich dem schweizerischen "Goht´s no?!"
Dann "diskriminiert" der hochgeschätzte und -dekorierte Gerhard Polt also mit vielen seiner Sketche seit Jahrzehnten seine und meine bayrischen Landsleute, zwischendurch gerne auch mal Bürger*innen anderer Bundesländer. Und ich find´s allermeistens SO lustig.
Was für Probleme - muss es uns gut gehen!

Heidemarie Heim | Di., 6. Oktober 2020 - 11:22

Antwort auf von Wolfgang Z. Keller

Wie können Sie sowas sagen lieber Herr Keller;-)?! Und ob wir Probleme haben! Denn es fehlen uns wie in vielen anderen Fachbereichen die ausgebildeten Kräfte um die Zahl der unter Paranoia leidenden "arteigen" zu behandeln. In früheren Zeiten waren die Behandlungssofas voller Blondinen und Ostfriesen, aber wohin mit wie es aussieht halb Deutschland und seiner Kunst-Kultur-Szene?
Und da wären noch die anderen Behandlungsbedürftigen wie Sie und ich, die sich doch tatsächlich der unverzeihlich oberflächlichen Gedankenlosigkeit hingaben und sich amüsierten wenn sich ein Herr Polt und andere ihre Mitmenschen vorknöpften!
Wir sollten sofort eine Selbsthilfegruppe gründen Herr Keller! Zugangscode: DIE die im Keller lachen;-) Da machen wir es uns so richtig konspirativ gemütlich, gell? MfG

Harald Lieder | Mo., 5. Oktober 2020 - 19:17

Ich kenne Ihre Sketche seit vielen Jahren und habe selten wieder so gelacht.
Ein Komiker oder Satiriker ist irgendwelchen - darf man noch sagen: dahergelaufenen? - Jakobinern keine Rechenschaft schuldig.
Er darf, er MUSS komisch sein. Außerdem haben auch Inder ein Recht darauf, verarscht zu werden (frei nach Feuerstein).
Wenn diese Tendenz so weitergeht, müssen am Ende noch die armen Astrophysiker ihre Schwarzen Löcher / Black Holes umbenennen - bloß wie? Holes of Color - farbige Löcher?
Diverse Mohrenapotheken und Mohrenstraßen hat's ja schon erwischt.
Wie lächerlich soll es noch werden? Dass man sich als erwachsener Mensch mit derartigem infantilen Mist rumschlagen muss ...

Bettina Jung | Mo., 5. Oktober 2020 - 20:36

Was machen wir nun mit Charlys Tante? Was machen wir mit den Trash Queens? Sollte ich mich als Frau diskriminiert fühlen? Hilfe!

Jens Böhme | Di., 6. Oktober 2020 - 00:21

Schminken nicht erlaubt! Wie tief sinken Wohlstandsgesellschaften noch, sich mit solch Diskussionen den Langweiler-Alltag zu versüßen? Es sind keine Moralapostel. Es sind Bürger, die mit ihrer Freizeit nichts anfangen können, die kein erfülltes Leben haben, die keine Bestätigung ihres Daseins erfahren. Letzteres kein Wunder, wenn man zu Hause hockt und in diversen "social media" alles Unmögliche per herbeidekliniertes Brainstorming durchnudelt. Warum Kaya Yanar Bürger indischer Herkunft fragen will, ob sein Job ok sei oder nicht zeigt, dass Kunst und Künstler bereits im Paranoia-Zug fest verankert sind.

Falk O. | Di., 6. Oktober 2020 - 06:19

Wichtig für den Diskurs und daher schade, dass er hinter der Bezahlschranke ist.
Macht weiter so!

christoph ernst | Di., 6. Oktober 2020 - 15:46

ist eine hervorragende Quote.
Wer sich stellvertretend für andere beleidigt fühlt, will sich beleidigt fühlen. Der möchte in aller Regel nur andere bevormunden und ist selbst nur ein paternalistischer Armleuchter und verdrehter Rassist.
Auf solche Zeitverschwender sollte keiner achten. Lachen verbindet. "Kritische Rassentheorie" killt Humor, stiftet Ressentiments und spaltet die Gesellschaft. Sie ist genau das, was sie anderen vorwirft: Toxisch und zutiefst diskriminierend.
Als Gegengift zu Leuten wie Robin DiAngelo oder Barbara Applebaum empfehle ich Candace Owens. Die hat deutlich mehr Geist, Witz und Substanz.
Im Übrigen: Schönes Gespräch.

Simone Buechl | Di., 6. Oktober 2020 - 20:55

Wann werden eigentlich Blondinenwitze verboten?
Global gesehen stellen wir Blondinen definitiv eine Minderheit dar.
Auch blaue Augen sind global betrachtet äußerst selten.
Bisher dachte ich, dass ich während meiner Schulzeit lediglich geärgert wurde, als ich "Dumpfbacke" aufgrund meiner Haarfarbe genannt wurde.
Auch den Spruch "Blond, blau, blöd" konnte ich mir das ein oder andere Mal anhören.
Jetzt ist mir klar, dass ich tatsächlich diskriminiert wurde.
Vielleicht sollte ich für eine Abschaffung von Blondinenwitzen kämpfen?!
Nun wieder ernsthaft:
Geärgert wird doch so gut wie jeder einmal.
Unschön, aber Realität.
Es trifft Migranten sowie die Übergewichtigen oder die Unsportlichen.
Auch Streber können davon betroffen sein.
Kinder können grausam sein.
Im Erwachsenenalter sollte man jedoch über solchen Dingen stehen.
Das "Wegcanceln" wird in der Grundschule kaum etwas nützen.