Mit einem Glas Wasser in der Hand genießt Bundeskanzler Helmut Kohl am 9.8.1996 in St. Gilgen/Österreich die Aussicht am Wolfgangsee.
Bundeskanzler Helmut Kohl am 1996 am Wolfgangsee / picture alliance

Helmut Kohls Geliebte Beatrice Herbold - Als der Kanzler das Silberbesteck aufs Porzellan krachen ließ

Wer wie Helmut Kohls Geliebte Beatrice Herbold darüber schreibt, was bereits Verstorbene gesagt oder getan haben, hat einen Vorteil: Der Betreffende kann nicht mehr widersprechen. Die Kehrseite: Er kann auch nicht mehr sagen: Ja, so war es

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

In dieser Situation befindet sich Beatrice Herbold, die jetzt ein Buch über ihre Zeit an der Seite Kohls veröffentlicht hat: „Geliebte Freundin. Meine geheimen Jahre mit Helmut Kohl.“ Da geht es um Herz und Schmerz und um viele Abende, an denen Kohl auf dem Weg von oder nach Oggersheim bei der Dame im Taunus Station gemacht haben soll. Zehn Jahre lang soll die Beziehung gedauert haben. Als sie nach Darstellung der Geliebten im Jahr 2000 endete, hatte wohl Kohls nächstes außereheliches Abenteuer mit Maike Richter bereits begonnen. Dass Herbold der späteren Frau Kohl-Richter keine Zeile widmet, spricht eher dafür als dagegen. Wer gibt schon gerne zu, dass er im Kampf um einen Mann oder eine Frau unterlegen ist?

Schlüsselloch-Gucker kommen in dem Buch durchaus auf ihre Kosten; Romantiker auch. Herbold berichtet, dass Kohl ihr bereits nach dem Liebes-Aus zu Weihnachten 2000 sein neuestes Werk „Mein Tagebuch“ geschickt habe. Dazu die „geliebte Freundin“: „Auf dem schwarzen Cover seine Hände, die mich so oft berührt hatten.“ Wem es da nicht warm ums Herz wird, hat wohl keines.
Wie auch immer: Die Geliebte streut auch Politisches ein zwischen den Schilderungen vom Kennenlernen in der Sauna, leidenschaftlichen Küssen im Aufzug, heimlichen Treffen undden Unmengen an Kohlrouladen und Schokoladenkuchen, die der Geliebte stets zu verzehren pflegte. Herbold gibt vor, die ominösen „anonymen“ Spender zu kennen, und will auch wissen, dass Kohl bei der Bundestagswahl 1998 nicht noch einmal angetreten und folglich nicht abgewählt worden wäre, hätte er nicht schon 1997 gewusst, dass der von ihm „als Nachfolger aufgebaute“ Wolfgang Schäuble „viel Geld genommen“ habe. Das sollte wohl heißen: Ein Kanzlerkandidat  Schäuble hätte mit so einer Affäre keine Chance.

Schäubles Verstrickung in die Spendenaffäre

Angeblich soll Kohl im Herbst 1997 der Dame versichert haben, er werde sein Amt aufgeben und sein Leben „komplett ändern“, womit die heimliche Geliebte die Hoffnung auf mehr gemeinsame Zeit mit dem künftigen Polit-Pensionär verband. Doch es kam ganz anders: Der ewige Kanzler stürzte sich in seinen sechsten Bundestagswahlkampf. Der endete bekanntlich mit einer deutlichen Niederlage Kohls und der CDU/CSU gegen seinen Herausforderer Gerhard Schröder von der SPD.

Beatrice Herbold will den Kanzler Anfang 1998 zur Rede gestellt haben, warum er entgegen seiner ursprünglichen Absicht das Amt nicht an den damaligen Bundesinnenminister Schäuble übergeben habe. Das habe Kohl ihr gegenüber mit Schäubles Verstrickung in eine Spendenaffäre begründet, die allerdings erst an der Jahreswende 1999/2000 bekannt werden sollte. Herbold schildert den Dialog so:

„Wolfgang Schäuble hat viel Geld genommen von einem Dreckskerl.“
Ich schaute Kohl still an, suchte seinen Blick. Ich schwieg, um das Geständnis nicht zu unterbrechen.
„100.000 Mark, mindestens“.
Von wem?
„Der Kerl heißt Schreiber, ein Lump. Der Name sagt dir wahrscheinlich nichts. Ein Waffenhändler.“
(…)
Weißt du das sicher“, fragte ich Kohl.
„Ja, ganz sicher. Ich weiß es. Woher ist egal. Und jetzt beenden wir das Thema.“

Zerbrochene Freundschaft

Kohl kam nach Darstellung Herbolds im Wahljahr 1998 seltener zu ihr in den Taunus, redete aber „immer wieder über Wolfgang Schäuble.“ Herbold schreibt: „Nie mehr sprach er über Geld, aber sagte oft, wie enttäuscht er sei, dass er sich von Schäuble hintergangen fühlte. Manchmal, im größten Zorn, nannte er seinen Vertrauten ‚einen Dreckskerl‘ und unterstellte ihm ‚einen schlechten Charakter‘. Ihm persönlich kreidete er an, dass er seinen Plan, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten, widerrufen musste. ‚Es ist ein Dilemma‘, sagte Helmut. ‚Jahrelang habe ich ihn als Nachfolger aufgebaut, und nun das. Ich habe keinen anderen, dem ich das Amt anvertrauen kann‘.“ Als Herbold Kohl fragte, was denn mit Merkel sei, habe der geantwortet: „Hör auf mit dem Unsinn! Es gibt niemanden, der das kann!“

Die zerbrochene Freundschaft zwischen Kohl und Schäuble ist nicht Herbolds einziger Ausflug ins Politische. Sie enthüllt auch die viel zitierten „anonymen Spender“, deren Namen Kohl nie genannt hat, die es aber nach einer für Schäuble typischen nebulösen Andeutung vielleicht gar nie gegeben hat. Frau Herbold jedenfalls gibt vor, sie zu kennen. Demnach haben der Medienmogul Leo Kirch, Tengelmann-Chef ErivanHaub und der Schweizer Swatch-Gründer Nicolas Hayek Kohls schwarze Kassen gefüllt.

Die Geschichte muss nicht umgeschrieben werden

Das muss, behauptet jedenfalls Herbold, erschüttert haben. „Ich sprach noch, da fiel Kohl das schwere Messer aus der Hand. Das Silber krachte auf den Porzellanteller. Es schepperte gewaltig, was Kohl kaum wahrnahm. Der schaute mich erschrocken an, presste die Lippen aufeinander; die Augen verengten sich zu Schlitzen – eine ungewohnte Mimik. Ich hatte diesen Gesichtsausdruck bei ihm noch nie bemerkt.“ Doch Kohl blieb nicht lange stumm. „Es gibt keine Beweise. Niemand wird je Beweise finden. Deshalb wird auch niemand die Spender herausfinden.“ Bei Letzterem hat die „geliebte Freundin“ sicher Recht. Alle drei Herren sind tot, können also weder bestätigen noch dementieren, ob sie jene Spender waren, die es laut Schäuble wahrscheinlich gar nicht gegeben hat.

Nein, die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland muss nach diesen Enthüllungen nicht neu geschrieben werden. Die wahren Gründe für seine abermalige Kanzlerkandidatur 1998 kennt nur Helmut Kohl, und die Namen der von Herbold enthüllten Spender sind schon häufiger genannt worden, ohne dies je belegen zu können. Aber offenbar war die „Geliebte Freundin“ der Ansicht, ihrer Liebesgeschichte könnte Politik als Beimischung etwas mehr Seriosität verleihen. Aber wie seriös ist jemand, der eine angebliche intime Beziehung mit dem vor mehr als zwei Jahren verstorbenen Altkanzler unbedingt – zwischen zwei Buchdeckeln – zu Geld machen will?

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 9. September 2019 - 17:27

nur so viel. Ob man Kohl mochte oder nicht. Das Politiker ihre Geheimnisse hatte weis jeder. Brandt war auch kein Kostverächter und hatte seine Freundinnen. Es ist nicht an anderen, das moralisch zu werten. Moral haben wir inzwischen im Übermaß. Ob es war ist oder nicht. So ein Buch braucht nur diejenige, die sich erhofft Geld damit zu machen. An mir kann sie da nichts verdienen.

Ecki Stein | Fr., 31. Januar 2020 - 12:57

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Ich gebe Ihnen da grundsätzlich Recht. Aber nichts anderes als (gespielte) moralische Entrüstung als Wahlkampfhilfe waren bei der CDU z. B. bei Willy Brandt, den Sie hier ja auch nochmals explizit erwähnen, an der Tagesordnung. Der maßgebliche Herrscher in der CDU hatte zwar selbst genug Dreck am Stecken, an das alte Sprichwort "Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen", hielt er sich als Betroffener wohl nicht. Und selbst der Schreiber des obiges Kommentars muss nochmals auf W.B. und seine "Freundinnen" hinweisen. Aber immerhin will er das nicht "moralisch bewerten", ist doch schon ein Fortschritt!!

Christa Wallau | Mo., 9. September 2019 - 17:56

Wenn etwas sofort in Deutschland geändert werden muß, dann ist es die maximal mögliche Regierungszeit eines Kanzlers.
Diese muß auf acht Jahre beschränkt werden - wie in den USA.
Zwei Legislaturperioden sind genug.
D a n a c h - das hat die Geschichte gezeigt - sind die Amtsinhaber derart weit von der Realität entfernt bzw. in ihrer eigenen, beschränkten Welt verfangen und von ihrer eigenen Unersetzlichkeit überzeugt, daß ihre Entscheidungen nur noch fehlerhaft sein können.
Bei Kohl war dies auch eindeutig der Fall.

Daß er sich nebenbei auch rein menschlich derart vergaloppierte, das war wohl ebenso ein Nebenprodukt dieses viel zu langen Klebens am Kanzler-Sessel. Seine Ehefrau Hannelore und seine Söhne, die ihm ihr Privatleben opferten, hätten einen besseren Mann bzw. Vater verdient gehabt.
Aber das Schicksal fragt leider niemals danach.

Bin vollkommen Ihrer Meinung. Besonders was die Vernachlässigung der Familie betrifft. Dies Buch ist deplatziert!

Wenn ein Bundeskanzler nach der 2. Amtsperiode abtreten muss, dann muss der innerparteiliche Wettbewerb um die Nachfolge, programmatisch und personell, offen bleiben. Wir hätten eine andere Parteien-Kultur. Man könnte sich auch gut vorstellen, die Amtsperiode / Legislaturperiode des Bundestages auf 5 Jahre zu verlängern, und mit den notwendigen Anpassungsfristen, alle Landtagswahlen ungefähr in die Mitte der Bundestagslegislatur zu legen. Wir hätten ein anderes parlamentarisches System, eine bessere Demokratie.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 9. September 2019 - 18:07

was alles durch Frau Kohl-Richter noch benannt werden wird und dann auf welchem Niveau.
So ist dieses Buch sicher doch ein Zeitzeugnis.
Aber dreht es nicht das Verhältnis von Kohl und Schäuble einfach um?
Schäuble ist in meinen Augen kein Machtpolitiker, Kohl aber wohl.
Kohl als selbstloser Förderer von Schäuble, das glaube ich nicht so schnell.
"Das kann niemand" könnte wohl geheissen haben, "außer mir" und so scheint es mir bei Frau Merkel auch bestellt.
Da ich nie ein Fan von beiden war/bin, erklärt sich evtl. meine Überlegung, dass bei beiden ein enger persönlicher Selbstbezug vorgelegen haben/vorliegen könnte.
in ihrem Universum waren und sind sie sicher unersetzlich.

Karin Busch | Di., 10. September 2019 - 23:25

Beim Lesen dieser Ausführungen über das Buch von Frau Herford habe ich mich gefragt, was ist diese Frau für ein Mensch. Kohl habe ich nie nachgetrauert.
Es gehört aber schon sehr viel Berechnung oder gar Dreistigkeit dazu, über solche intimen Dinge an die Öffentlichkeit zu gehen. Ob sie sich wohl überlegt hat, wie diese ihrer Niederschrift auf Kohls Söhne und deren Familien wirkt? Dann soll sie schön aufpassen, dass man sie nicht wegen Rufmord vor den Kadi zerrt. In meinen Augen ist ihre "Offenbarung" eine schmutzige Kampagne.