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Heile Einkaufswelt? Kaum hat sich der Einzelhandel erholt, holt ihn das Corona-Virus wieder ein / dpa

Einzelhandel und Corona - Schlussverkauf

Monatelang mussten Einzelhändler ihre Geschäfte schließen, während die Online-Konkurrenz vom Lockdown profitierte. Kaum hatte sich die Lage entspannt, holte das Virus den Einzelhandel wieder ein. Die Folgen sind verheerend. Droht die Verödung der Innenstädte?

Autoreninfo

Christine Frischke ist freie Journalistin und lebt in Stuttgart. 

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An manchen Tagen packte Friedrich Kolesch beim Blick aus seinem Bürofenster die pure Verzweiflung. Er hockte allein im ersten Stock, unter sich ein menschenleeres Kaufhaus voller Hosen, Pullover und Jacken, die niemand anprobieren würde. Nicht an diesem Tag und nicht am nächsten. Draußen auf dem Marktplatz seiner schwäbischen Heimatstadt Biberach brummte das Leben. Die Menschen deckten sich auf dem Wochenmarkt mit Obst und Gemüse ein, füllten ihre Taschen im nahen Drogeriemarkt und gingen auf dem Rückweg vielleicht noch schnell im Buchladen vorbei oder griffen beim Floristen nach einem Strauß Frühlingsblumen.

Der Puls der Stadt hatte wieder zu schlagen begonnen. Ab März 2021 erst langsam und mit Unterbrechungen, dann, mit jeder neuen Corona-Verordnung, mit jeder kleinen Lockerung und jeder Branche, die plötzlich systemrelevant war, schneller und regelmäßiger. Bis Kolesch am Ende das Gefühl hatte, vergessen worden zu sein. „Du schaust raus und siehst, wie andere Geschäfte machen“, sagt er und stößt hörbar die Luft aus. „Psychisch war das ganz schön hart.“

Nach 140 Tagen

140. Hinter dieser Zahl verbirgt sich das Drama. Er hat es ausgerechnet. Ganze 140 Tage lang musste er sein Modegeschäft in diesem und im vergangenen Jahr wegen Corona schließen. „Wenn dein Umsatz null ist, dann stehst du schnell am Abgrund.“ Monate später, an einem Montag im September, steht Kolesch, 57, schlank, glatt rasiert, im eleganten dunklen Blazer zum blauen Hemd, wieder am Fenster. Fußgänger schlendern über den gepflasterten Platz, ziehen sich einen der Stühle in die warme Herbstsonne, die von der Stadt überall lose als Sitzgelegenheiten verstreut worden sind. Die Gesichtszüge des Geschäftsführers sind entspannt, vorübergehend hat er den Krisenmodus hinter sich gelassen. Er sieht hinab auf die roten Schirme, die Mitarbeiterinnen am Morgen vor den Schaufenstern seines Modehauses aufgespannt haben. Darunter drehen Passantinnen Kleiderkarusselle. Schilder verheißen satte Rabatte auf Blusen, T-Shirts sind für 20 Euro zu haben. Einige Frauen sind bis ins Geschäft vorgedrungen und durchstöbern die Klamottenauslagen.

Schließlich durfte auch Kolesch seinen Laden aufsperren. Zunächst nur bei einer Inzidenz unter 100, weshalb er ihn zweieinhalb Wochen nach der ersten Öffnung gleich wieder für fast zwei Monate schloss. Seit Juni nun dürfen Kunden ohne Test und Termin bei ihm bummeln. Seitdem bemüht er sich um Schadensbegrenzung.

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Gerhard Lenz | Mi., 24. November 2021 - 11:48

Man stelle sich vor: Sie brechen sich auf dem Weg zur Arbeit ein Bein, ein bestimmter Auftrag kann nicht ausgeführt werden, ein signifikanter Schaden entsteht.
Sie können sich anschließend grämen und über den Schaden lamentieren, bis auch das letzte verbliebene Haar grau geworden ist. Und dabei ausblenden, dass Sie gar keine Wahl hatten.

Genauso verhält es sich bei den durch Corona entstandenen Kollateralschäden. Es kann keine Wahl geben zwischen einer Ignoranz der sehr realen Gefahren durch Corona, und dem notwendigen Schutz der Bevölkerung.

Eins ist jedoch klar: Je erfolgreicher die Pandemiebekämpfung ist, desto unnötiger sind Shut downs und damit Schäden für den Einzelhandel.
Impfverweigerer und Covidioten schaden also direkt unserer Geschäftswelt.

Davon abgesehen: Vielerorts drohte bereits vorher Innenstädten die Verödung. Der verwöhnte Wohlstandsbürger parkt nun mal lieber seinen fetten SUV oder Diesel auf dem geräumigen Parkplatz des Einkaufszentrums auf der grünen Wiese.

Großbritannien oder Dänemark haben eine erfolgreiche Pandemiebekämpfung - ohne Maßnahmen. Schlechte Politik und Impfgläubige (ich wiederhole nur den von Ihnen genutztzen Worttentor) schaden also direkt unserer Geschäftswelt.

Martin Falter | Mi., 24. November 2021 - 11:55

Ich kann die Sorgen von Herrn Kolesch gut verstehen und nachvollziehen. Ich glaube auch und hoffe das sein Engagement und Ideenreichtum sein Geschäft überleben lässt. Durch Corona sind die Veränderungen im Einzelhandel nur schneller und drastischer gekommen. Viele Menschen leben halt nicht in der Stadt und da ist der Onlinhandel eben ein Segen. Dazu kommt das viele Städte es den Besuchern möglichst schwer gemacht haben sie zu besuchen. Die Zeiten ändern sich halt und es werden nur die Guten überleben.....

Charlotte Basler | Mi., 24. November 2021 - 12:34

Corona beschleunigt diesen Sterbeprozess nur. ZB Cicero 07/2014 „Eventurbanität - Die Stadt wird zum bizzaren Freizeitpark“
Autofahrer sind nicht mehr gut gelitten und Parken wurde teuer.
Ab 2015 wurde das Ende, zumindest bei uns, durch Leerstand von Ladenflächen deutlicher. Auch weil sich auffällig und lautstark eine andere Kultur dort ausbreitete. Es wurde unsicherer. Männergruppen lungern herum, kleine Läden verschwanden pö a pö. Mehr wurden nur Shisha-Bars, Barbershops, Dönerbuden.
Wer die Welt zu sich einlädt, sollte sich nicht über Veränderungen erregen.

Ihr Kommentar gibt auch meine Sicht auf die Dinge wieder. Neben der innerstädtischen Vertreibung des Einzelhandels, wie von Ihnen beschrieben, haben gerade auch die sog. Einkaufsparks außerhalb der Orte und an Stadträndern mit kostenlosen Parkplätzen, einem Discounter und einem Ladengeschäft nach dem anderen, sog. Malls, die Menschen aus den Innenstadtbereichen gezogen. Einziger Nachteil. Es braucht das aus den Städten verbannte Auto und die Alten und Gebrechlichen, die ohne Auto, haben das nachsehen. Aber das hat der Einzelhandel selbst mit befördert, so wie auch jetzt die devote Hinnahme ohne Aufbegehren gegen absurde Corona Regelungen, in neuem Kleid serviert, ihnen wieder die Geschäfte schließt. Wen oder was hat der Mann gewählt? Was unternimmt sein Dachverband? Warum widersetzt er sich nicht?

Danke für Ihre Zustimmung, werter Herr Conrad. Und obwohl ich dafür bin Corona möglichst schnell wieder einzudämmen, verstehe ich nicht warum es zB in einem Bekleidungsgeschäft infektiöser sein soll als im Lebensmittelladen oder Baumarkt.
Besonders leid tun mir die Standbetreiber der Weihnachtsmärkte. Sie haben sich für viel Geld mit Waren eingedeckt, ihre Stände aufgebaut und sollen nun wieder schließen.
Erst lässt man alles ewig laufen, öffnet sogar Clubs und Discos - und dann spielt man wieder die gleiche alte zerkratze Platte ab.

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 24. November 2021 - 12:45

Das Bild der Stadtforscherin zeichnet sich in vielen Städten ab, der Handel stirbt, man organisiert die Zentren zu Gastronomie- und Spaßzentren um. Bürgerzentren, Treffpunkte der Bezirke und Büros, alles soll zu Fuß erreichbar sein. Eine urbane Elite baut sich ihre Stadt, wohl finanziert von den Steuerzahlern. Die können sich trotz Arbeit immer weniger leisten und Dank autofreier Innenstädte werden sie immer weniger Teilnehmer der von Ihnen finanzierten „Projekte“.
Derweil werden die Kunden, die bisher beim Shoppen „bummeln“ wollten, die gerne sehen, anfassen und ausprobieren wollen, was angeboten wird, immer mehr zum Online-Shop getrieben. Dessen Steuereinnahmen landen nicht mehr im Stadtsäckel, sondern in der Stadt mit der Zentrale, wenn nicht sogar in der Steuer-Oase. Derweil landet eine steigende Zahl von Retouren im Müll. Wer will schon Kleidung, die ggf. sogar tagelang getragen wurde? Wer kann schon auf die Ehrlichkeit der Kunden vertrauen, wenn jede Kontrolle fehlt?

Rob Schuberth | Mi., 24. November 2021 - 13:47

Die Corona-Pandemie gibt dem EZH vermutl. den Rest, resp. beschleunigt sein "Aus-Sterben".

So wie diese Pandemie Vieles, das schon lange im Argen lag (u. bislang erfolgreich verdrängt wurde) brennglasmäßig in unseren Fokus gerückt hat.

Entweder Einzelhändler produzieren nur noch Qualitäten, für die die Kundschaft sicher auch höhere Preise zahlen würde, oder sie gehen unter.
Denn in Puncto Quantität zieht der EZH immer den Kürzeren.

Übrigens in einer Welt mit Städten, in denen (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeitgestaltung etc.) in einem engen Radius vorhanden sind, könnten sicher Einige gut leben, aber eben nicht die Massen die es heute schon auf der Erde hat.

Außerdem entstünden so isolierte "Inseln" einer Lebensform die sich nur Besserverdiener leisten könnten.
Interaktion zw. den versch. sozialen Schichten wären Seltenheit.
Ist das das Ziel?!
Es braucht die Durchmischung. Nur dann ist eine Stadt lebenswert.

Enka Hein | Mi., 24. November 2021 - 14:05

...Corona ist nur der Beschleuniger.
Man sehr sich nur die RotGrün regierten Städte an.
Stadtentwicklung heißt dort das gut ausgebaute Straßen z.T. in Radwege umfunktioniert werden. Radfahrer sieht man eher nicht. Ältere Menschen können ab einem gewissen Alter oder wegen Gebrechen kein Rad nutzen. Geschweige bei Wind und Wetter. Der Autofahrer fährt nur noch 30. Rote Welle fördert CO2.
Manche Straßenzüge mit Handyladen, Sishabar, Dönerbuden. Fremde Monokultur. Wer will da schon shoppen und entspannen? Das ist der grünen Khmer egal. Die wollen nur IHR schickes Viertel auf Kosten aller. Bei Amazon bestellen die sowieso.
Die Stadt signalisiert, sie will mich nicht. Bus&Bahn kommt nicht in Frage. Die haben schon fremde Kulturen übernommen. Und wer will schon im Alter vollgepackt in B&B sitzen und sich anpöbbeln lassen.
Also geht's auf die grüne Wiese, wo ich auch kostenlos parken kann.
Das Geschäftesterben in den Innenstädten geht weiter. Garantiert.

Norbert Heyer | Mi., 24. November 2021 - 14:36

Es ist schon lange ein Trend, das die Innenstädte veröden. Fast jede Stadt hatte früher mehrere Ankerläden (Kaufhof, Karstadt, C&A usw.). Diese wurden stark dezimiert, sie gingen teilweise in überdachte Einkaufszentren mit vielen, vielen Parkplätzen. So ist dann auch heute in meiner Stadt ein Besuch der Innenstadt auf vielleicht 2-3 x jährlich begrenzt. Sie lockt einfach nicht mehr, es gibt nicht genug Parkplätze und die Städte zeigen dem Autofahrer ganz eindeutig, wie unerwünscht er ist. Jetzt hat Corona das Sterben der Innenstädte beschleunigt. Ich bestelle vieles im Internet, bekomme die Ware meistens kostenlos und schnell geliefert, spare Wege und Ärger und schone zusätzlich noch die Umwelt. Ja, die Innenstädte sterben, wer zusätzlich über Internet verkauft, kann sich noch über Wasser halten, aber die große Zeit der Einkaufsstraßen ist vorbei. Das ist aber doch wohl auch vermutlich ganz im Sinne einer grünen Politik, die den vermeintlichen Klimawandel steuern und gestalten will.

Heidemarie Heim | Mi., 24. November 2021 - 16:26

Wie ich an anderer Stelle gestern schrieb, liegen meine Prioritäten momentan nicht darin Glühwein zu trinken während unser Klinikpersonal gerade schlapp macht oder weiter sinnlose Diskussionen über das für oder wider des Impfens zu führen. Was aber nicht heißt, dass es mir gleichgültig ist und es mir nicht sehr nahe geht, wenn wie gestern in einem TV-Beitrag gesehen, ein gestandener Mann, der seinen W-Markt-Stand wieder abbauen musste verschämt in Tränen ausbricht weil ihm diese neuerliche Anordnung innerhalb Stunden nun endgültig das Genick bricht wie er vorher bemerkte. Und er ist und war bestimmt kein Einzelfall! Deshalb, und weil wir so oder so nichts mehr gegen steigende Zahlen und Folgen tun können, eh` alles aus dem Ruder gelaufen ist, sollte man m.E. KEIN Geschäft oder Markt schließen. Denn ob ich mich bei ALDI&Co., im Drogeriemarkt, beim Bäcker anstecken "darf" oder viel unwahrscheinlicher im Freien an der Wurstbude und im Geschäft von Herr Kolesch, macht welchen Sinn? MfG