Karin Kneissl, Außenministerin von Oesterreich, aeußert sich bei einer Pressekonferenz mit Außenminister Maas nach ihrem Gespraech im Auswaertigen Amt
„Europa wirkt angesichts der demografischen Herausforderung in Afrika etwas naiv“, sagt Karin Kneissl / picture alliance

Karin Kneissl, Außenministerin von Österreich - „Wir brauchen Realpolitik statt Moralpolitik“

Österreichs Außenministerin Karin Kneissl über Migration, die Naivität des Westens, den Siegeszug populistischer Parteien – und über die Krise der EU

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

So erreichen Sie Alexander Marguier:

Frau Kneissl, Sie sind seit gut einem Jahr österreichische Außenministerin. In dieser Zeit waren Sie unter anderem befasst mit einer krisenhaften EU, den Brexit-Verhandlungen, der Migrationskrise, einem Konflikt mit Russland, einer unberechenbaren US-Regierung sowie der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Ist das alles nicht ein bisschen viel für eine politische Seiteneinsteigerin wie Sie?
Ich bin in der privilegierten Situation, dass ich im Außenministerium praktisch groß geworden bin und dort das Metier neun Jahre lang kennengelernt habe. Ich bin also nicht an diese Aufgaben gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Und viele meiner heutigen Kollegen kenne ich noch aus früheren Zeiten. Gerade in schwierigen Situationen hilft das menschlich sehr, wenn man nach einem 14-stündigen Arbeitstag noch den Humor des anderen kennt. Zudem habe ich mich in den 20 Jahren meiner Selbstständigkeit intensiv mit außenpolitischen Fragen beschäftigt. Die meisten Länder, die ich jetzt als Außenministerin bereise, kenne ich bereits – was äußerst hilfreich ist.

Welches der eingangs genannten Themenfelder beschäftigt Sie am meisten?
Ich würde generell sagen: Es ist die Krise des Multilateralismus. Das beginnt übrigens schon innerhalb der EU: Alle meine Kollegen haben die Telefonnummer von Federica Mogherini, der EU-Vertreterin für Außenpolitik. Aber wir rufen sie nicht an.

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Ernst-Günther Konrad | Mo., 11. März 2019 - 15:40

genau Frau Kneissl. Politik ist kein Wunschkonzert. Politisches Handeln hat sich an den jeweils vorherrschenden und mit hoher Wahrscheinlichkeit sich ergebenden realen Folgeentwicklung zu orientieren. Immer zum Wohle des ganzen Landes und seiner Bevölkerung. Hierzu muss man auch die Bereitschaft haben das reale Leben zu erkennen und vor allem auch auf eigene persönliche reale Lebenserfahrung zurück greifen zu können. Österreich macht uns in vielen Dingen vor, wie Populismus einzufangen ist. Nicht durch Framing, nicht durch moralisieren, nicht durch diffamieren und Sprachpolizei, sondern durch klares Benennen der Probleme und dem gemeinsamen Streiten um den besten Weg zur Lösung. Aha, in der EU wird getwittert, kaum einer sieht den anderen an und nur für die Kamera wird gebusselt und geherzt. Sonst scheint sich niemand mehr inhaltlich für die Aussagen anderer zu interessieren. Das Ergebnis kennen und darunter leiden wir. Einen kurzen Moment dachte ich, sie beschreibt den Bundestag .:)

Heidemarie Heim | Mo., 11. März 2019 - 17:25

Ein tolles und viele Themen ansprechendes Interview Herr Chefredakteur! Und ein weiterer persönlicher Neidfaktor meinerseits, was die personelle Besetzung der österreichischen Regierung betrifft. Die Fragen wurden auch bezüglich des persönlichen Hintergrunds und daraus resultierender Eignung für das Format AM der Seiteneinsteigerin Frau Kneissl klar und unmissverständlich beantwortet. Eine uns selten zu teil werdende Wohltat im Vergleich zu den üblichen Verbalinjurien anderer Befragter. Schade das nur wir Cicero-Leser davon partizipieren wie ein unvoreingenommener Journalismus dazu beitragen kann, mal über den eigenen nationalen Tellerrand zu blicken. Zugegeben ein neidvoller Blick auf die gegenwärtige K.& K.;-)-Konstellation! Denn deutlich wurde dabei auch, wie schwierig sich ein moderater Umgang für uns und andere "Nichtpopulisten" Europas mit Persönlichkeiten wie Frau Kneissl gestaltet. Außer man stellt sie wie sonst üblich in eine Ecke mit Orbàn, Salvini, Le Pen usw. MfG

Dr. Helmut Binder | Mo., 11. März 2019 - 17:52

Könnte dort ein Deutscher Außenminister seine Lehre absolvieren? Und ein Europaminister auch?

gabriele bondzio | Mo., 11. März 2019 - 17:55

Ihr Artikel "Der lange Marsch der jungen Männer" http://www.religionen.at/irkneissl.htm erschienen in der Hochzeit der Willkommenskultur (auch in Österreich) hat mich damals schon beeindruckt.
Vor allem der Satz:"Ob nun diese Menschen vor dem Krieg fliehen oder schlicht vor der Ausweglosigkeit, viele eint der Traum von Status, den sie daheim nie erreichen werden."..dabei dachte ich, dass sie ihn auch hier nicht erreichen werden Und was dies hier für Unruhe stiften würde.
Der Tanz mit Wladimir Putin wurde ihr mind. genauso übel genommen. Dabei ist mir auch in den Sinn gekommen, mit wem Merkel bei Banketten immer lächelt.
Aber Realität ist nicht gleich Realität. Sondern wird in rechts und links klassifiziert. Links ist alles erlaubt und rechts werden Kübel mit Schmutz ausgeleert, sogar bei ganz privaten Dingen (siehe auch Geburtstagsfeier Matussek) und das bei gleicher Tätigkeit.

Linda Berckhemer | Mo., 11. März 2019 - 23:28

Diese Außenministerin würde ich mir für Deutschland wünschen.

Norbert Heyer | Di., 12. März 2019 - 05:55

Die Österreicher haben relativ schnell gemerkt wo es hinführt, wenn man dem Merkel-Kurs folgt. Die Wähler haben es letztendlich entschieden. Frau Kneissl hat ihre massive Kritik an der Flüchtlingspolitik von Frau Merkel in diplomatisch verpackter Form geäußert - und sie hat vollkommen recht. Jeder Politiker ist zuerst seinem Volk und seinem Land gegenüber verantwortlich. Selbstverständlich sollten auch Hilfe gegenüber echten Flüchtlingen gewährt werden. Frau Merkel hat aber hier - aus welchen Gründen auch immer - komplett versagt und Deutschland isoliert und instabil gemacht. Bis heute sind die Grenzen offen und solange sie an den Hebeln der Macht sitzt, wird sich daran auch nichts ändern. Realität vor Emotion, so muss Politik gestaltet werden, um ein Land im Gleichgewicht zu halten. Wer jetzt als Politiker bei den anstehenden Wahlen einen Rechtsruck befürchtet muss wissen, dass die bisherige Politik die Grundlage dafür geliefert hat. Wer Sturm sät, wird ihn auch letztendlich ernten.

Auch diesem Realismus müssen wir uns als Regierungskritiker stellen lieber Herr Heyer!
Denn eher geht berühmtes Kamel durchs Nadelöhr als das heutige PolitikerInnen gemachte Fehler eingestehen, geschweige denn für die Folgen Verantwortung übernehmen! Ebenso verhält es sich mit der Mehrheit der Wähler, die zwar für die Folgen einstehen müssen, aber alles Bisherige vergessen und vergeben, wenn sie speziell vor Wahlen die richtige Karotte vor die Nase gehalten bekommen. Dazu noch ein paar Wohlfühlversprechen und für verbleibende Skeptiker unter uns auch mal das ein oder andere alternativlose Katastrophenszenario bzgl. Populisten und Rechtsruck, schon läufts mit dem braven Bürger. In Tateinheit und mit freundlicher Unterstützung entsprechender Medien müssen sie mit Ausnahme unserer "östlichen Provinzen;-)" m.E. nichts Revolutionäres fürchten. Alles Gute! MfG

Dieter Erkelenz | Di., 12. März 2019 - 07:41

Dieses Interview wirft ein bezeichnendes Bild auf den realistische Intellekt dieser Frau und den unseres -Entschuldigung- tumben Außenministers!

Juliana Keppelen | Di., 12. März 2019 - 11:45

statt Moralpolitik dem ist nichts hinzu zufügen.