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() Tomas Enders ist der deutsche Chef bei EADS
Major Tom und seine Mission

Er machte als Fallschirmjäger in der Bundeswehr Karriere, arbeitete als Politologe im Verteidigungsministerium, wechselte dann in die Rüstungsindustrie. Als Co-Chef von EADS will Thomas Enders jetzt die Airbus-Krise meistern – und seine Prüfung als Hubschrauberpilot bestehen

Der Mann hat viele Gesichter. Das offizielle ist blitzblank, schneidig und schnörkellos: Thomas Enders, 48 Jahre alt, seit 2005 Co-Vorstandschef beim Europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Major der Reserve. Ehemaliger Fallschirmjäger. Vorsitzender der einflussreichen „Atlantik-Brücke“. Ein Macher mit Visionen, ein Manager mit eisernen Nerven. Einer, der es ablehnt, schlechte Nachrichten in schmeichelnde Worte zu kleiden. Dem Kollegen preußische Tugenden zuschreiben: diszipliniert sei er, geradlinig, unbestechlich. Enders, der sich salopp Tom nennt und den manche nach einem Song von David Bowie auch „Major Tom“ rufen, bedient dieses Image mit kühlem, manchmal spöttischen Charme. Gerne lässt er sich im Militärhubschrauber fotografieren, lässig in der Lukenöffnung lehnend. Seine Konkurrenten beim amerikanischen Flugzeugbauer Boeing bezeichnen ihn als einen „tough guy“, einen „knallharten Kerl“. Enders versteht das als Kompliment. Die Krise der EADS-Tochter Airbus, ausgelöst durch Lieferverzögerungen beim Großraumflugzeug A380, und der drohende Abbau von Arbeitsplätzen an den deutschen Produktionsstätten drängten den Rüstungsmanager zuletzt in die Schlagzeilen. Enders parierte Drohungen der Politik mit der ihm eigenen kargen Direktheit. Erläuterungen waren von ihm zu hören, aber keine Rechtfertigung. Die Zusicherung, für eine „faire Lastenverteilung“ zu sorgen, aber keine schale Besänftigung. So viel Erklärung wie eben nötig. Aber kein Wort zu viel. Das ist das offizielle Gesicht von „Major Tom“. Und dann gibt es die vielen anderen Gesichter. Sie zeigen einen Grenzgänger – zwischen Europa und Amerika, zwischen Wissenschaft, Politik, Politikberatung und Industrie. Und einen Mann auf einem scheinbar unmöglichen Posten: Ein Atlantiker und deutscher Reserveoffizier in einer deutsch-französischen Vorstands-Doppelspitze; eine Konstellation, der viele nur eine kurze Lebensdauer prophezeiten. Doch Enders und Co-Vorstands-chef Louis Gallois seien ein „gutes Team“, bestätigt der Deutsche. Als Chef des größten und ureuropäischen Rüstungskonzerns ist er von Amts wegen ein Kämpfer für die europäische Sache, vor allem in der Dauerfehde mit dem amerikanischen Erzrivalen Boeing um wettbewerbsverzerrende staatliche Beihilfen. Airbus sei zu Konzessionen bereit, sagte Enders der New York Times. „Aber das heißt nicht Kapitulation.“ Die markige Rhetorik täuscht über seine Begeisterung für die USA hinweg. Wenn er sich an seine Studienzeit in Kalifornien erinnert, dann schweift er, der sonst so überaus Disziplinierte, auch einmal ab. Erzählt von der alten jüdischen Dame, bei der er am Stadtrand von Los Angeles zur Untermiete wohnte und für die er manchmal einkaufen ging. Von den Wochenenden, an denen er in die Wüste fuhr und aus einem klapprigen Propellerflugzeug mit dem Fallschirm absprang, wieder und immer wieder. Kein Zufall also, dass Enders seit seinem Eintritt in die EADS hartnäckig das Ziel verfolgte, in den USA, dem größten Rüstungsmarkt der Welt, an Boden zu gewinnen. 2006 schließlich landete der Konzern einen Großauftrag der amerikanischen Regierung für eine Lieferung von bis zu 322 Eurocopter-Hubschraubern; potenzielles Volumen: zwei Milliarden Dollar. Im Herbst steht die Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags für militärische Frachtflugzeuge und Tankjets an. Enders wird 1958 als Sohn eines Schäfers im Westerwald geboren. Er macht mit 17 Abitur, geht zur Bundeswehr, studiert in Bonn und in Los Angeles Politikwissenschaft. Er arbeitet bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und dem International Institute for Strategic Studies in London. Die Wiedervereinigung erlebt er im Planungsstab von Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg. Er bewegt sich in diesen Jahren nahe an der Politik, im Orbit der CDU. 1991 kommt der Ruf in die Industrie. Tom Enders geht zur Deutschen Aerospace AG und wird im Jahr 2000 Vorstandmitglied in der neu gegründeten EADS. An diesem Berufsweg, sagt Enders, und verzieht den Mund zu einem schmalen Lächeln, sei „nichts straff geplant“ gewesen, „wenn es auch heute so aussehen mag. Vieles hat sich aus dem Zufall ergeben.“ Der Einstieg in die Industrie fiel ihm nicht leicht: „Ich war ein Exot. Ein Politikwissenschaftler, das fand man irgendwie unseriös.“ Heute profitiert Enders von seinem Grenzgängertum: Wenn die Politik nach deutschen Investoren zur Übernahme der EADS-Aktien von Daimler-Chrysler sucht, wenn politisches Proporzdenken eine erfolgreiche Restrukturierung von Airbus gefährdet, dann ist ein CEO gefordert, der großes politisches Gespür mit dem kühnen Blick eines globalen Managers vereint. Auch privat reizt Enders die Gratwanderung: Mit seinen vier Söhnen geht er im Urlaub Bergsteigen, noch immer springt er mit dem Fallschirm. Als neue Leidenschaft ist das Hubschrauberfliegen hinzugekommen, derzeit macht Enders seinen Pilotenschein. Aus dem Hubschrauber hat er die Erde immer fest im Blick, Europa und Amerika, die Politik, den eigenen Konzern und die Konkurrenz. So bleibt ihm vielleicht das Schicksal von „Major Tom“, dem Raumfahrer in Bowies Ballade, erspart, der in der Schwerelosigkeit des Weltalls abtreibt, „far above the moon“, der die Funksprüche der Bodenstation nicht mehr hört: „Ground control to Major Tom…“ Katja Ridderbusch lebt als Autorin in Atlanta, USA. Zuvor arbeitete sie als EU-Korrespondentin. Zuletzt erschien: „Der Tross von Brüssel. Geschichten aus der Hauptstadt Europas“ (Czernin)

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