
Joachim Hunold posiert bei einer Konferenz.
() Joachim Hunold posiert bei einer Konferenz.
Luftnummer
Mit zwei abgetakelten Boeings fing er an, inzwischen ist Joachim Hunold Chef von Deutschlands zweitgrößter Airline. Doch Air Berlin macht nicht nur der steigende Ölpreis zu schaffen…
Vielleicht trügt es, aber Joachim Hunolds respektable Glatze glänzt derzeit stärker als sonst. Es mag auch ein wenig an der Wärme liegen. Wie eh und je gibt er mit herbem Lee-Marvin-Lächeln den Charmebolzen. Doch, doch, einen Gebrauchtwagen würde man ihm schon abkaufen. Aber erst nach gründlichem TÜV-Check. Bei, sagen wir: Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber würde man sich den Test sparen, nicht mal unter die Kühlerhaube gucken und cash zahlen.
Das macht den Unterschied. Und der spricht gegen den Air-Berlin-Chef. Im ersten Moment. Hinge man hingegen auf einer Bergtour plötzlich im Seil, würde man Joachim Hunold sofort zutrauen, dass er einen heil wieder aus der Gletscherspalte holte, ohne Zögern und mit dem Spruch, man solle sich nicht so haben, da unten werde es jetzt kalt, aber für solche Fälle habe er immer einen Flachmann dabei. Bei Mayrhuber würde man eher vermuten, er rufe über Handy sein Präsidialbüro an, sie sollen sofort die Rettungswacht schicken. Gerettet würde man von beiden. Nur würde es im zweiten Fall länger dauern. Und es gäbe keinen Schnaps.
So ist es: Die Lufthansa hat Jahre gebraucht, sich der lästigen Konkurrenz der Billigflieger zu erwehren. Von ihnen hat man dazugelernt, und wie. Nun bekommen es die anfangs belächelten Hilfslehrmeister zu spüren. Jetzt kann man auch schon mal mit der LH-Tochter Swiss für 100 Euro aus Deutschland nach Mallorca düsen. Das Interessante: Die einst so hochnäsigen Schweizer, die ihre Swissair für den besten Carrier der Welt hielten – und daran pleitegingen, sehen in ihren Billigangeboten keinen Abstieg in die B-Klasse mehr. Sie nehmen, wie alle andern, mit, was eben geht: Linie, Charter, Business- und Holzklasse, Nadelstreifen (sofern noch jemand so was trägt) und Rucksackvolk. Jeder kennt die Szenen aus der Abflughalle. Der reinste Kommunismus: Alles für alle, jeder ist gleich. Die Klassen sind, bis auf Restbestände auf den Langstrecken, eingeebnet. Die VIP-Lounges sind eh fürs Politbüro reserviert.
Die Hunolds (Air Berlin), die O’Learys (Ryanair), die Stelios (Easyjet): Das alles haben sie den Kranichen und anderem edlen Geflügel vorgemacht. Und jetzt, da der von unsichtbarer Hand nach oben geschraubte Spritpreis den Managern der Lüfte die Tränen in die Augen treibt – ein Preisanstieg um die 40 Prozent in vier Monaten –, zeigt sich immer deutlicher: Die zwei Geschäftsmodelle der Mayrhuber und Hunolds haben sich viel stärker vermischt als die Akteure selber wahrhaben wollen: Hunold lässt auf seinen Flügen schon mal von seinem Sylter Spitzenkoch kreierte Menüs servieren, und die Air France fertigt einen, wenn man nicht aufpasst, mit labbrigen Sandwichs ab. Hätte es vor ein paar Jahren beides nicht gegeben. Jetzt gibt es das und es ist gut so. Nebenbei: Die beiden Modelle lassen sich so jetzt besser fusionieren. Mergers sind zu erwarten.
Der Passagier ist heute sehr viel mehr gefordert, muss ewig selbst entscheiden, sich die Finger wund googeln, bis er das maßgeschneiderte Angebot aus einem Meer voller Möglichkeiten herausgefiltert hat. Manchmal erwischt er fetten Barsch, manchmal bissige Krebse. Wer billig nach London-Luton fliegt, muss eben selber gucken, wie er den endlos langen Weg in die City schafft. Die Busse sind überfüllt, die Taxis teurer als der Flug. Man könnte ja den City Airport ansteuern, aber das wird dann echt teuer. Wähle! Diese Freiheit, ewig begleitet vom Gefühl, eine versteckte Gebühr übersehen, eine Schnäppchenvariante per Tastendruck zu früh weggedrückt zu haben, ist immer dabei. Bei allen. Das ist manchen Kunden lästig. Lieber zahlen sie mehr und haben dafür ihr Rundum-Package. Auch gut. Diesen abenteuerlichen Variantenmix haben Hunold und Konsorten angerichtet. Wir sollten es ihnen danken.
Sind sie jetzt die großen Verlierer, weil der eine und andere eine verschärfte Ölkrise womöglich nicht überlebt? Die Häme mancher Kommentare zielt in diese Richtung: Arme Paxe! Werden mit Spritaufschlägen kujoniert, müssen für den O-Saft zahlen, können nicht einmal mehr für 26 Euro inkl. nach Nizza fliegen! Ein Fall für den Gerichtshof für Menschenrechte.
Air Berlin wäre derzeit wohl günstig zu haben: nach Börsenkurs für 250 bis 300 Millionen Euro. Und das bei zwanzig Millionen Passagieren im Jahr. Interessenten rechnen schon mal durch. Das Unternehmen wird das überleben, ohne jeden Zweifel. Und gut. Ob mit Joachim Hunold an der Spitze wird sich zeigen. Begonnen hat er mit zwei abgetakelten Boeings und zusammengepumpten sieben Millionen Mark. Das war vor 17 Jahren. Dazwischen liegt eine Revolution der Lüfte, an der er kräftig mitgedreht hat. Sehen so Verlierer aus? Noch immer steht er recht gut gesichert oben an der Gletscherspalte. Mit dem Flachmann in der Hand. Das ist die, genauer: seine Situation, in der man ihm mehr zutraut als vielen anderen.
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