Bitcoin-Symbol im Schaufenster einer Krakauer Wechselstube / dpa

Kryptowährung - Eine weltweit einheitliche Regulierung tut Not

Der Krypto-Winter der letzten Monate hat das Vertrauen der Nutzer belastet und die Frage aufgeworfen, ob die Welt der Kryptos für Privatkunden hinreichend stabil ist. Ein Ergebnis dürfte sein, dass Stablecoins künftig höher oder sogar vollständig besichert werden.

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Andreas Dombret war von 2010 bis 2018 Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und hat die deutsche Notenbank u.a. im Internationalen Währungsfonds, im Verwaltungsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel und im Supervisory Board der EZB vertreten. Heute berät er diverse Finanzinstitutionen und die internationale Unternehmensberatung Oliver Wyman.

Roy Amara von der renommierten US-Universität Stanford wird die Erkenntnis zugeschrieben, dass die Auswirkungen neuer Technologien kurzfristig über-, Innovationen hingegen langfristig unterschätzt werden. Der Krypto-Winter, den wir gerade erleben, und der spektakuläre Zusammenbruch der Kryptobörse FTX veranschaulichen aus meiner Sicht sehr deutlich, dass die hohen Bewertungen sogenannter Kryptowährungen kurzfristig stark übertrieben waren.

Trotz ihrer immensen Popularität bei Millennials und der Generation Z  – eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass 43 Prozent der amerikanischen Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren schon mindestens einmal mit Krypto gehandelt haben oder darin investiert waren – hat die Kernschmelze auf dem Kryptomarkt kaum einen nennenswerten Schaden im breiteren Finanzwesen verursacht.

Eine Regulierung von Krypto ist nach meiner festen Überzeugung nun aber unvermeidlich geworden, obwohl die Hauptsorgen der Aufsichtsbehörden mit Blick auf Finanzstabilität aktuell eher Geldwäsche, Betrug und Verbraucherschutz gelten als möglichen ökonomischen Auswirkungen von Krypto. FTX hat gezeigt: Eine weltweit einheitliche Regulierung tut Not.

Währungen dienen als Tauschmittel

Die brennende Frage im Geiste der These von Roy Amara ist nun, ob sogenannte Kryptowährungen jene langfristige transformative Wirkung haben, die ihre leidenschaftlichen Anhänger so sehr behaupten. Aus meiner Sicht ist dies alles andere als sicher. Ein entscheidender Faktor für die künftige Entwicklung digitaler Währungen wird nämlich die bevorstehende Einführung von Central Bank Digital Currencies, kurz CBDCs, sein. Hierdurch werden nämlich Stablecoins – ein großer Teil des Kryptomarktes – weitgehend überflüssig. Um mein Argument nachvollziehen zu können, lohnt es sich, daran zu erinnern, was Währungen auszeichnet.

Sie haben mehrere Funktionen, aber zwei sind besonders wichtig: Währungen dienen als Tauschmittel, das von den Bürgern akzeptiert wird – seien es Muscheln, „Fiat“-Währungen oder digitale Währungen. Die zweite Funktion besteht darin, als Wertaufbewahrungsmittel zu dienen. Beide Funktionen setzen Vertrauen seitens der Nutzer voraus. Bei Kryptos werden beide Anforderungen an eine Währung allerdings nicht bzw. nur sehr eingeschränkt erfüllt.

Trotz der Behauptungen der Krypto-Anhänger, dass Kryptos wie Bitcoins einen fast goldähnlichen Wertspeicher bieten, zeichnen sich Bitcoins in der Realität eher als Hort spekulativer hoher Volatilität aus denn als Wertspeicher. Wir erinnern uns: Letztes Jahr fiel der Wert von Bitcoins, in US-Dollar gerechnet, immerhin um fast zwei Drittel, während der Preis von Gold praktisch unverändert blieb.

Die Notwendigkeit von Innovationen

Eine andere, aber wichtige Form von Kryptos sind Stablecoins, die ihren Wert an „Fiat“-Währungen oder eine Ware wie z.B. Gold koppeln. Im Gegensatz zu Bitcoins bieten Stablecoins eine privat ausgegebene Münze, einen sogenannten Token mit einem klar definierten Wert, und werden zunehmend als Zahlungsmittel oder als Investment in der Defi-Welt und darüber hinaus verwendet.
 

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Tatsächlich war es der Erfolg von Stablecoins, der die Zentralbanken auf die Notwendigkeit von Innovationen aufmerksam gemacht hat, um an der Spitze der technologischen Entwicklung zu bleiben. Zentralbanken stellen entweder ihre eigenen CBDCs bereit oder überlassen es privaten Akteuren, das Stablecoin-Ökosystem auszubauen.

CBDCs werden die Finanzwirtschaft meiner Meinung nach positiv verändern. Geld ist heutzutage nicht nur ein wettbewerbsorientiertes Geschäft, sondern auch ein öffentliches Gut, und CBDCs weisen wesentliche Vorteile auf, denn sie könnten letztlich wirksam physisches Bargeld ersetzen. CBDCs stellen nämlich Zentralbankgeld und damit einen zuverlässigen Wertaufbewahrer dar, und sie adressieren Bedenken der Nutzer hinsichtlich der Wahrung ihrer Privatsphäre. 

Anziehungspunkte für illegale Aktivitäten

Damit CBDCs an Dynamik gewinnen, müssen sie im Vergleich zu anderen Zahlungsmitteln ausreichend attraktiv sein. Und sobald die Zentralbanken ein CBDC-Ökosystem eingerichtet haben, ist davon auszugehen, dass privat ausgegebene Stablecoins, die an „Fiat“-Währungen gekoppelt sind, viel von ihrer Attraktivität als legitimes Tauschmittel verlieren. Wer würde denn nicht lieber die Zentralbank als Gegenpartei haben als private Emittenten.

In solch einem Szenario spielen Stablecoins im Zahlungsverkehr, insbesondere im Einzelhandel, keine große Rolle mehr. Sie können bestimmte Großkundenanwendungen beibehalten (wie Clearing und Settlement), insbesondere grenzüberschreitend. Und sie werden unweigerlich Anziehungspunkte für diejenigen sein, die an illegalen Aktivitäten beteiligt sind, und für die wahren Defi-Enthusiasten und Spekulanten. Darüber hinaus ist es jedoch eher unwahrscheinlich, dass Stablecoins weit verbreitet sein werden, sobald CBDCs verfügbar sind.

Für Privatkunden hinreichend stabil?

Der Krypto-Winter der letzten Monate hat bereits das Vertrauen der Nutzer belastet und die Frage aufgeworfen, ob die Welt der Kryptos für Privatkunden hinreichend stabil ist. Ein Ergebnis dürfte sein, dass Stablecoins künftig höher oder sogar vollständig besichert werden. Aber sobald CBDCs verfügbar sind, warum sollte irgendjemand – außer einer kleinen Minderheit vielleicht – Token bevorzugen, die von einem privaten Dritten ausgegeben werdenp und die damit erheblichen Liquiditäts- und Marktrisiken ausgesetzt sind, wenn sie an deren Stelle digitale Währungen halten können, die von Zentralbanken ausgegeben und abgesichert sind?

Die große und noch weitgehend offene Frage der Zukunft ist, welche Auswirkungen CBDCs auf die Bankenbranche haben werden. Beispielsweise stellen Zahlungen, insbesondere grenzüberschreitende, eine lukrative Aktivität für Geschäftsbanken dar. Ein Großteil dieser Einnahmen könnten wegbrechen, wenn Unternehmen und Einzelpersonen digitale Währungskonten bei der Zentralbank unterhalten würden. Das wären zweifellos gute Nachrichten für Kunden, aber schlechte für Banken. Nach meinem Eindruck wollen Zentralbanken diese Entwicklung allerdings vermeiden.

Mehr Konzept als Realität

Im Moment sind CBDCs in der Experimentierphase, und eher ein Konzept als eine Realität. Aber es ist nach meiner Einschätzung nur eine Frage der Zeit, bis digitales Zentralbankgeld eingeführt wird. China und die Europäische Union gehören zu den Vorreitern, was die Experimente mit digitalem Zentralbankgeld anbetrifft. Das Vereinigte Königreich arbeitet ebenfalls an Vorschlägen für ein britische Pfund. Eines ist ganz klar: Sobald CBDCs Realität werden, wird es schwer sein, deren langfristige Auswirkungen zu unterschätzen. Ein Grund also, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form zuerst in Financial News erschienen.

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