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(Andreas Keilholz) Morten Lund: Däne, vierfacher Vater, einst Millionär, dann insolvent, dann wieder Millionär.

Skype-Gründer Lund - „Ich hielt es für die dümmste Idee überhaupt“

Der Unternehmer Morten Lund, Mitgründer von Skype, wechselte in seiner Karriere zwischen Insolvenz und Millionärsverdiensten. Ein Gespräch darüber, warum es gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise reizvoll ist, eine Firma zu gründen, und wie es um die Zukunft der Internettelefonie steht

Im Jahr 2005 hat Morten Lund das Unternehmen Skype für 2,6 Milliarden Dollar verkauft. 2009 hat der Däne und vierfache Vater Privatinsolvenz angemeldet. Heute hält Lund mehr als 80 Beteiligungen an Startup-Firmen auf der ganzen Welt.

Herr Lund, wie wichtig ist Skype?
Sehr wichtig! Ich persönlich nutze es andauernd. Es ist der am einfachsten zu gebrauchende Dienst für Internettelefonie und hat fast 700 Millionen Nutzer weltweit. Diese Zahl  untermauert wohl die hohe Relevanz.

Dabei waren Sie anfangs von Skype gar nicht begeistert...
Das stimmt. Ich hielt die Idee für die dümmste überhaupt. Als wir im Jahr 2003 mit Skype anfingen, gab es schon fünf oder sechs Telefon-Anbieter – icq, Microsoft Messenger und wie sie alle heißen. Es war Wahnsinn, sich in einen solchen Wettbewerb zu begeben.

Wenn Sie das wussten, war es dann nicht eher Wahnsinn, eigenes Geld in die Hand zu nehmen und das Unternehmen zu gründen?
Die beiden Jungs (Niklas Zennström und Janus Friis; Anm. d. Red.) waren verrückt – aber  extrem gute Informatiker. Sie hatten zuvor bereits die Filesharing-Software Kazaa erfolgreich entwickelt. Im Prinzip habe ich nicht mehr gemacht, als ihnen zu helfen das Geschäft aufzubauen. Und ich habe ihnen ihr Appartement gezahlt, damit sie in Ruhe arbeiten konnten.

Im Sommer dieses Jahres hat Microsoft für 8,5 Milliarden US-Dollar Skype gekauft. Es ist damit der größte Zukauf in der Unternehmensgeschichte von Microsoft. Was denken Sie darüber?
Was soll ich schon denken? Mit mir persönlich hat das rein gar nichts zu tun. Ich habe meine Anteile an Skype vor sechs Jahren verkauft. Aber ich glaube, was passiert ist, ist absolut logisch. Ich verstehe nicht, warum Facebook und Google Skype nicht gekauft haben. Wenn ich ein großer Konzern wie Microsoft wäre, hätte ich genau so gehandelt.

Also hat Microsoft alles richtig gemacht?
Ja, definitiv. „The winner takes it all“, sagt man. Microsoft wird Skype erfolgreich in seine Dienste integrieren und dadurch weiter wachsen. Da bin ich ganz sicher. Genauso sicher bin ich aber auch, dass Skype nach und nach von der Bildfläche verschwinden wird.

Wie meinen Sie das?
Große Firmen kaufen kleine. Und wenn sie sie gekauft haben, dann  killen sie diese langsam. Es ist für große Firmen wesentlich schwieriger, kleine – gekaufte – Marken größer zu machen, als sie es selbst sind. Also werden die kleinen integriert und irgendwann wird nicht mehr von ihnen geredet. Das ist ganz natürlich. Gerade erst ist es bei Ihnen in Deutschland passiert. Nachdem sich Dr. Oetker an Bionade beteiligt hat, dachten einige, jetzt wird mehr in die Werbung investiert und Bionade wird größer. Die Realität zeigt genau das Gegenteil: Das Getränk verschwindet immer mehr aus den Köpfen der Menschen, das Produkt wird weniger beworben. Oder wo sehen Sie es heute noch? Inzwischen gibt es in Deutschland schon wieder ganz andere Trendgetränke. Das ist ein ewiger Kreislauf.

Ein Kreislauf, den Sie selbst sehr gut zu beherrschen scheinen.
Das denken Sie nicht wirklich, oder?

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso Morten Lund seine Insolvenz als Chance begriff.

Nun. Sie sind an über 80 Unternehmen beteiligt, mehr als 40 haben Sie selbst gegründet. Sie bauen Firmen auf und verkaufen sie. Immer wieder. Sie waren bereits mit 24 Jahren vielfacher Millionär, vor zwei Jahren waren Sie pleite, hatten rund 45 Millionen Euro Schulden und verdienen heute – mit 39 Jahren und gerade einmal zwei Jahre nach der Insolvenz – schon wieder Millionen. Genaugenommen sind das sogar mehrere Kreisläufe.
Wenn man es so sieht, okay. Doch das ist der Lauf der Dinge. Vielleicht nicht unbedingt in solchen Extremen, wie ich sie erlebe. Aber ich liebe, was ich tue. Firmen aufbauen und sie groß machen – das ist meine Leidenschaft. Als ich 2009 Privatinsolvenz angemeldet habe, hat sich das natürlich wie eine persönliche Niederlage angefühlt. Gleichzeitig habe ich es aber auch als Chance begriffen, mich selbst zu erneuern. Irgendwie war es großartig. Ich bekam anstatt der üblichen 200 Mails pro Tag nur noch ein oder zwei. Ich hatte endlich wieder Zeit, um mich zu orientieren.

Nachdem sie Privatinsolvenz angemeldet hatten, waren Sie nach einem Jahr und drei Monaten wieder schuldenfrei. Wie haben Sie das gemacht?
Nun, bei Skype haben wir uns damals ausschließlich auf eins konzentriert: Einfachheit! Unser Leitsatz war: „Simple call, simple chat, full stop.“ Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz – in allem. Ich hatte den Überblick verloren. Als ich gemerkt habe, dass die dänische Tagesszeitung, in die ich investiert hatte, bankrott gehen wird, war es zu spät. Es war nichts mehr zu retten. Aber ich wurde dazu gezwungen, alles wieder zu vereinfachen. Das hat geholfen.

Was halten Sie heute von Geld?
Immer noch das Gleiche wie vor meiner Pleite. Ich erinnere an Salvador Dalí, für den Geld nichts anderes war, als gespeicherte, gebundene Energie. Ich glaube nicht, dass Geld einfach nur irgendwas ist. Ich glaube, Geld ist alles. Doch wenn man nichts über Geld weiß, kann man damit auch nicht umgehen.

Ist das die wichtigste Lehre, die Sie aus Ihrer Pleite gezogen haben?
Eine sehr wichtige jedenfalls. Ich komme aus einem mittelständischen Elternhaus und  habe nie gewusst, wie es sich anfühlt, extrem viel Geld zu haben. Als ich es plötzlich hatte, wusste ich anfangs überhaupt nicht, was ich damit anfangen soll. Gerade schreibe ich ein Buch. Ich nenne es: „My childrens’ guide to money“. Überall lernen Kinder, wie sie mit Drogen und Sex umgehen sollen. Doch nirgends lernen sie etwas über den richtigen Umgang mit Geld. Dass sie darüber nichts lernen, halte ich aber für viel, viel gefährlicher als mangelndes Wissen über Drogen und Sex.

Dann können Sie heute also mit Geld umgehen?
Ich habe zur Sicherheit die Verantwortung dafür abgegeben. Einer meiner Geschäftspartner kontrolliert unser gesamtes Budget. Er hat den Schlüssel zu unserem Safe. Ich würde den Schlüssel jederzeit benutzen, ohne darüber nachzudenken, ob ich das Geld jetzt ausgeben sollte oder nicht. Wenn ich Business Class fliegen will, muss ich ihn fragen. Also habe ich eigentlich keine Ahnung davon, wie man mit Geld umgeht. Dafür weiß ich aber, wie man sehr schnell verdammt viel davon verdient.

Ist die aktuelle Wirtschaftskrise eine Gefahr für das, was Sie tun?
Ganz im Gegenteil. Die Krise ist fantastisch. Es ist die beste Zeit, um Startup-Firmen zu gründen.

Warum?
Ganz einfach. In Krisenzeiten wollen viele Leute Geld sparen. Eine neue Technologie wird geboren, um Geld zu sparen. Das einzige Problem ist, dass kaum neue Arbeitsplätze entstehen. Aber vergessen Sie das. Eine Krise ist die beste Zeit, um neue Technologien, neue Lösungsansätze zu realisieren.

Viele behaupten, Berlin sei dafür heute der richtige Ort. Es heißt, Berlin wird das nächste Silicon Valley. Sehen Sie das auch so?
Ja, definitiv. In Berlin herrscht ein ganz besonderer Spirit. Die Menschen dort haben nicht besonders viel Geld, aber das Leben ist auch nicht so teuer wie in anderen Großstädten Europas. Für mich ist Berlin ein Wunder. Die ganze Stadt ist in Aufbruchsstimmung. Die Menschen sind bereit dazu, neue Dinge auszuprobieren. Sie sind hungrig und das macht sie innovativ. Ich glaube, es gibt zurzeit keinen besseren Ort auf der Welt, um als junger Mensch sein eigenes Startup-Unternehmen zu gründen.

Abschließend auf Englisch: Have you already founded what you are looking for?
(lacht) Nein. In dieser Hinsicht halte ich es ganz mit dem Song von U2.

Herr Lund, vielen Dank für das Gespräch.

Christian Hutter traf Morten Lund auf dem Idealab! 2011, dem Gründerkongress der Otto-Beisheim-School of Management (WHU)

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