
- „Ich hielt es für die dümmste Idee überhaupt“
Der Unternehmer Morten Lund, Mitgründer von Skype, wechselte in seiner Karriere zwischen Insolvenz und Millionärsverdiensten. Ein Gespräch darüber, warum es gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise reizvoll ist, eine Firma zu gründen, und wie es um die Zukunft der Internettelefonie steht
Im Jahr 2005 hat Morten Lund das Unternehmen Skype für 2,6 Milliarden Dollar verkauft. 2009 hat der Däne und vierfache Vater Privatinsolvenz angemeldet. Heute hält Lund mehr als 80 Beteiligungen an Startup-Firmen auf der ganzen Welt.
Herr Lund, wie wichtig ist Skype?
Sehr wichtig! Ich persönlich nutze es andauernd. Es ist der am
einfachsten zu gebrauchende Dienst für Internettelefonie und hat
fast 700 Millionen Nutzer weltweit. Diese Zahl untermauert
wohl die hohe Relevanz.
Dabei waren Sie anfangs von Skype gar nicht
begeistert...
Das stimmt. Ich hielt die Idee für die dümmste überhaupt. Als wir
im Jahr 2003 mit Skype anfingen, gab es schon fünf oder sechs
Telefon-Anbieter – icq, Microsoft Messenger und wie sie alle
heißen. Es war Wahnsinn, sich in einen solchen Wettbewerb zu
begeben.
Wenn Sie das wussten, war es dann nicht eher Wahnsinn,
eigenes Geld in die Hand zu nehmen und das Unternehmen zu
gründen?
Die beiden Jungs (Niklas Zennström und Janus Friis; Anm. d. Red.)
waren verrückt – aber extrem gute Informatiker. Sie hatten
zuvor bereits die Filesharing-Software Kazaa erfolgreich
entwickelt. Im Prinzip habe ich nicht mehr gemacht, als ihnen zu
helfen das Geschäft aufzubauen. Und ich habe ihnen ihr Appartement
gezahlt, damit sie in Ruhe arbeiten konnten.
Im Sommer dieses Jahres hat Microsoft für 8,5 Milliarden
US-Dollar Skype gekauft. Es ist damit der größte Zukauf in der
Unternehmensgeschichte von Microsoft. Was denken Sie
darüber?
Was soll ich schon denken? Mit mir persönlich
hat das rein gar nichts zu tun. Ich habe meine Anteile an Skype vor
sechs Jahren verkauft. Aber ich glaube, was passiert ist, ist
absolut logisch. Ich verstehe nicht, warum Facebook und Google
Skype nicht gekauft haben. Wenn ich ein großer Konzern wie
Microsoft wäre, hätte ich genau so gehandelt.
Also hat Microsoft alles richtig gemacht?
Ja, definitiv. „The winner takes it all“, sagt man. Microsoft wird
Skype erfolgreich in seine Dienste integrieren und dadurch weiter
wachsen. Da bin ich ganz sicher. Genauso sicher bin ich aber auch,
dass Skype nach und nach von der Bildfläche verschwinden wird.
Wie meinen Sie das?
Große Firmen kaufen kleine. Und wenn sie sie gekauft haben,
dann killen sie diese langsam. Es ist für große Firmen
wesentlich schwieriger, kleine – gekaufte – Marken größer zu
machen, als sie es selbst sind. Also werden die kleinen integriert
und irgendwann wird nicht mehr von ihnen geredet. Das ist ganz
natürlich. Gerade erst ist es bei Ihnen in Deutschland passiert.
Nachdem sich Dr. Oetker an Bionade beteiligt hat, dachten einige,
jetzt wird mehr in die Werbung investiert und Bionade wird größer.
Die Realität zeigt genau das Gegenteil: Das Getränk verschwindet
immer mehr aus den Köpfen der Menschen, das Produkt wird weniger
beworben. Oder wo sehen Sie es heute noch? Inzwischen gibt es in
Deutschland schon wieder ganz andere Trendgetränke. Das ist ein
ewiger Kreislauf.
Ein Kreislauf, den Sie selbst sehr gut zu beherrschen
scheinen.
Das denken Sie nicht wirklich, oder?
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso Morten Lund seine Insolvenz als Chance begriff.
Nun. Sie sind an über 80 Unternehmen beteiligt, mehr als
40 haben Sie selbst gegründet. Sie bauen Firmen auf und verkaufen
sie. Immer wieder. Sie waren bereits mit 24 Jahren vielfacher
Millionär, vor zwei Jahren waren Sie pleite, hatten rund 45
Millionen Euro Schulden und verdienen heute – mit 39 Jahren und
gerade einmal zwei Jahre nach der Insolvenz – schon wieder
Millionen. Genaugenommen sind das sogar mehrere
Kreisläufe.
Wenn man es so sieht, okay. Doch das ist der Lauf der Dinge.
Vielleicht nicht unbedingt in solchen Extremen, wie ich sie erlebe.
Aber ich liebe, was ich tue. Firmen aufbauen und sie groß machen –
das ist meine Leidenschaft. Als ich 2009 Privatinsolvenz angemeldet
habe, hat sich das natürlich wie eine persönliche Niederlage
angefühlt. Gleichzeitig habe ich es aber auch als Chance begriffen,
mich selbst zu erneuern. Irgendwie war es großartig. Ich bekam
anstatt der üblichen 200 Mails pro Tag nur noch ein oder zwei. Ich
hatte endlich wieder Zeit, um mich zu orientieren.
Nachdem sie Privatinsolvenz angemeldet hatten, waren Sie
nach einem Jahr und drei Monaten wieder schuldenfrei. Wie haben Sie
das gemacht?
Nun, bei Skype haben wir uns damals ausschließlich auf eins
konzentriert: Einfachheit! Unser Leitsatz war: „Simple call, simple
chat, full stop.“ Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz – in allem.
Ich hatte den Überblick verloren. Als ich gemerkt habe, dass die
dänische Tagesszeitung, in die ich investiert hatte, bankrott gehen
wird, war es zu spät. Es war nichts mehr zu retten. Aber ich wurde
dazu gezwungen, alles wieder zu vereinfachen. Das hat geholfen.
Was halten Sie heute von Geld?
Immer noch das Gleiche wie vor meiner Pleite. Ich erinnere an
Salvador Dalí, für den Geld nichts anderes war, als gespeicherte,
gebundene Energie. Ich glaube nicht, dass Geld einfach nur
irgendwas ist. Ich glaube, Geld ist alles. Doch wenn man nichts
über Geld weiß, kann man damit auch nicht umgehen.
Ist das die wichtigste Lehre, die Sie aus Ihrer Pleite
gezogen haben?
Eine sehr wichtige jedenfalls. Ich komme aus einem
mittelständischen Elternhaus und habe nie gewusst, wie es
sich anfühlt, extrem viel Geld zu haben. Als ich es plötzlich
hatte, wusste ich anfangs überhaupt nicht, was ich damit anfangen
soll. Gerade schreibe ich ein Buch. Ich nenne es: „My childrens’
guide to money“. Überall lernen Kinder, wie sie mit Drogen und Sex
umgehen sollen. Doch nirgends lernen sie etwas über den richtigen
Umgang mit Geld. Dass sie darüber nichts lernen, halte ich aber für
viel, viel gefährlicher als mangelndes Wissen über Drogen und
Sex.
Dann können Sie heute also mit Geld
umgehen?
Ich habe zur Sicherheit die Verantwortung dafür abgegeben. Einer
meiner Geschäftspartner kontrolliert unser gesamtes Budget. Er hat
den Schlüssel zu unserem Safe. Ich würde den Schlüssel jederzeit
benutzen, ohne darüber nachzudenken, ob ich das Geld jetzt ausgeben
sollte oder nicht. Wenn ich Business Class fliegen will, muss ich
ihn fragen. Also habe ich eigentlich keine Ahnung davon, wie man
mit Geld umgeht. Dafür weiß ich aber, wie man sehr schnell verdammt
viel davon verdient.
Ist die aktuelle Wirtschaftskrise eine Gefahr für das,
was Sie tun?
Ganz im Gegenteil. Die Krise ist fantastisch. Es ist die beste
Zeit, um Startup-Firmen zu gründen.
Warum?
Ganz einfach. In Krisenzeiten wollen viele Leute Geld sparen. Eine
neue Technologie wird geboren, um Geld zu sparen. Das einzige
Problem ist, dass kaum neue Arbeitsplätze entstehen. Aber vergessen
Sie das. Eine Krise ist die beste Zeit, um neue Technologien, neue
Lösungsansätze zu realisieren.
Viele behaupten, Berlin sei dafür heute der richtige
Ort. Es heißt, Berlin wird das nächste Silicon Valley. Sehen Sie
das auch so?
Ja, definitiv. In Berlin herrscht ein ganz besonderer Spirit. Die
Menschen dort haben nicht besonders viel Geld, aber das Leben ist
auch nicht so teuer wie in anderen Großstädten Europas. Für mich
ist Berlin ein Wunder. Die ganze Stadt ist in Aufbruchsstimmung.
Die Menschen sind bereit dazu, neue Dinge auszuprobieren. Sie sind
hungrig und das macht sie innovativ. Ich glaube, es gibt zurzeit
keinen besseren Ort auf der Welt, um als junger Mensch sein eigenes
Startup-Unternehmen zu gründen.
Abschließend auf Englisch: Have you already founded what
you are looking for?
(lacht) Nein. In dieser Hinsicht halte ich es ganz mit dem
Song von U2.
Herr Lund, vielen Dank für das Gespräch.
Christian Hutter traf Morten Lund auf dem Idealab! 2011, dem Gründerkongress der Otto-Beisheim-School of Management (WHU)
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