- „Es war wie bei Honecker“
Ihre Firma ist insolvent. Die Kunden kaufen ihre Toilettenartikel jetzt woanders. Doch wer sind eigentlich die Schlecker-Frauen, die in aller Munde waren? Cicero Online zeigt vier Gesichter hinter der Unternehmenspleite
Zehn Jahre hat Anja Reichstein (41) bei Schlecker gearbeitet:
„Ich habe die Nachricht, dass Schlecker insolvent ist, aus dem Fernsehen erfahren. Zum Glück hat mein Sohn einen Boxsack, den habe ich dann attackiert. Ich war richtig sauer: Selbst wir wussten von Läden, die keinen Umsatz bringen – das müssen die da oben doch erst recht gewusst haben! Danach habe ich abgeschaltet: einfach arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ich war enttäuscht, dass viele Kollegen gleich abgesprungen sind.
Der Rest muss die Stange halten – das ist eine Scheißsituation, machen wir uns mal nichts vor. Als wir unseren Laden endgültig zugemacht haben, mussten wir uns Taschentücher mitnehmen. Und was soll ich dann zu Hause mit der ganzen Zeit? Ich bin ein Wuselmensch, ich muss was zu tun haben. Deshalb werde ich meine Prüfung zur Einzelhandelsverkäuferin nachholen und wünsche mir einen soliden Arbeitsplatz. Es war schon die Hölle.“
Cornelia Bieski (36) hat sich in ihren 17 Jahren bei Schlecker immer mit ihrer Arbeit identifiziert, zuletzt als Filialleiterin:
„Als vergangenes Jahr die normalen Waren wie Klopapier fehlten, wussten wir, dass etwas im Argen ist. Viele sagen heute, die da oben seien schuld. Ich denke, jeder hat seinen Teil dazu beigetragen: Herr Schlecker, die Direktoren und auch die Mitarbeiter. Teilweise war es schon erschreckend, wie manche Filialen aussahen.
Ich habe die Filiale immer als meinen Laden gesehen. Sogar meine Töchter und mein Mann kamen zum Wischen, als es einen Wasserschaden gab. Wir waren eine kleine Schlecker-Familie. Wenn Schlecker doch weitermachen könnte, wäre ich als Erste wieder da. Bei den Umschulungsvorschlägen der Politik könnte mir die Hutschnur platzen. Ich gehe die Zukunft ruhig an, habe aber Angst, dass ich in einen Beruf gedrängt werde, in dem ich nicht glücklich werde.“
Sabrina Druschky (48) war 13 Jahre lang Schlecker-Verkäuferin:
„Im Januar fragte mich ein Kunde: Was, ihr seid pleite? So habe ich davon erfahren. Der Staat und Schlecker, die haben es versaut. Nach Griechenland werden Milliarden geschickt, denen wird geholfen. Und uns? 25 000 Arbeitsplätze auf einen Schlag weg – das ist kein kleines Ding! Aber Schlecker ist machbar, wir waren der Tante-Emma-Laden.
Viele Stammkunden haben uns traurig umarmt und alles Gute gewünscht. Das hat uns ausgemacht: Die Kunden kamen mit ihrem Leben. Wo gehen sie jetzt damit hin? Aber wenigstens ist die Ungewissheit vorbei. Man hatte einfach nur Angst. Ich war der Hauptverdiener in der Familie. Jetzt heißt es Bewerbungen schreiben, das habe ich noch nie gemacht. Aber ich habe keinen Bock, arbeitslos zu sein. Ich möchte mein Leben leben, für mich, meinen Mann und unseren Sohn.“
Mona Frias (46) kämpft seit 2001 als Betriebsrätin für die Schlecker-Frauen:
„In den letzten Wochen hatten wir uns auf den Ausverkauf konzentriert. Meine Mädels standen weiter pflichtbewusst in den Filialen, da merkte man den harten Kern. Es ist ungerecht, dass die Firmenleitung Schindluder getrieben hat und wir das jetzt ausbügeln müssen und auf der Straße sitzen.
Wenn Herr Schlecker mit seinen Mitarbeitern zusammengearbeitet
hätte, würde er heute nicht da stehen, wo er steht: in der Pleite.
Mit ihm war es wie zu DDR-Zeiten mit Honni: Wenn Schlecker kam,
wurden die Buden aufgeräumt. Er hat jahrelang nicht gewusst, was
hier abging. Ich habe bis in den Bundestag gekämpft, und der Job
hat mir Spaß gemacht. Jetzt, wo Schlecker vorbei ist, kann ich den
Sommer genießen und Zeit mit meiner Familie verbringen. Dann gucken
wir mal, wohin die Reise geht.“
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.