- Er zahlte Steinbrück 25.000 Euro
Bochums Stadtwerke-Chef Bernd Wilmert hat viel Zorn auf sich gezogen: weil er dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrücks satte 25.000 Euro für seinen Atrium-Talk zahlte und selbst horrende Gehälter kassiert – währenddessen die Bochumer SPD ihren Bürgern erklären muss, warum dringend gespart werden muss
Der 16. Februar 2012 war für Bernd Wilmert, den Chef der Bochumer Stadtwerke, ein ganz besonderer Tag. Wilmert feierte in der Jahrhunderthalle Bochum, einem Industriedenkmal, in dem sonst Veranstaltungen wie das Kulturfestival Ruhr-Triennale stattfinden, seine Auszeichnung als „Energiemanager des Jahres“ durch die Zeitschrift Energie & Management. Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) und weitere sozialdemokratische Granden der Ruhrgebietsstadt ließen Wilmert hochleben, die Kapelle „Kölscher Klüngel“ spielte Karnevalsschlager, die für diese Ehrung eigens umgedichtet wurden. Statt „Wir lassä dä Dom in Kölle“ sang die feucht-fröhliche Runde „Wir lassä dä Bernd in Bochum“ und intonierte voller Begeisterung „Die Karawane zieht weiter, der Bernd, der, der bleibt hier.“ Um die Textsicherheit der in der Regel mit dem rheinischen Frohsinn fremdelnden Bochumer zu gewährleisten, waren die Texte vorher verteilt worden. Es gibt ein Video der Feierstunde, heimlich gedreht und unscharf. Es zeigt Bernd Wilmert, wie er sich gerne sieht: jovial, großzügig, umgeben von Freunden.
Wilmert tritt ansonsten meist bescheiden auf, ist ein freundlicher Mann. Jemand, der ungern aneckt und der in Bochum geschätzt wird. Seine Beliebtheit ist sein Kapital, und er weiß es zu mehren. 4,5 Millionen Euro geben die Bochumer Stadtwerke jedes Jahr für die Unterstützung von Schulen, Kindergärten und Vereinen in Bochum aus. Das ist viel Geld in einer Stadt, die von Nothaushalt zu Nothaushalt schlingert, Schulen und Schwimmbäder schließen muss. Auch der marode städtische Haushalt profitiert in Millionenhöhe von den Gewinnen der Stadtwerke.
Viele von Wilmerts Freunden gehören wie er selbst der SPD an. Sein eigener Aufstieg begann in den achtziger Jahren nach einem Wirtschaftsstudium in Herten; die Wahl zum „Energiemanager des Jahres“ dürfte er als beruflichen Höhepunkt erlebt haben. Wilmert machte eine typische SPDKarriere im Ruhrgebiet. Sie begann bei den Jusos und führte ihn später stets in Jobs, die im Ruhrgebiet nach Parteibuch vergeben werden. Mit einem Jahresgehalt von weit über 200 000 Euro verdient Wilmert nun mehr als die Kanzlerin; die Oberbürgermeisterin von Bochum bekommt knapp die Hälfte. „Die guten Leute gehen nicht mehr in die Politik, die gehen in die städtischen Betriebe, da verdienen sie mehr“, sagen Kommunalpolitiker im Ruhrgebiet. Wilmert hatte nie politische Ambitionen, hielt sich aus den Ränkespielen der Politik heraus und hatte nur ein Zeil: sein Unternehmen auszubauen. Unter ihm beteiligten sich die Stadtwerke an Gelsenwasser, einem der größten Trinkwasserversorgungsunternehmen Deutschlands, sowie am Energieunternehmen Steag. Die Politik ließ ihn gewähren, im Gegenzug half er mit dem Geld der Stadtwerke aus, wenn in Bochum die Kassen leer waren.
Seite 2: Peinlich sei das alles, fürchterlich peinlich
Als Wilmert im November vor den Rat der Stadt Bochum tritt, um sich für die Affäre um den 25 000 Euro teuren Atrium-Talk mit Peer Steinbrück zu entschuldigen, und gleichzeitig erklärt, nicht streng genug alle Abmachungen kontrolliert zu haben, wirkt seine Betroffenheit echt. Wilmert weiß, dass er der Stadt, den Stadtwerken und seiner Partei mit den Promitalks geschadet hat. Denn nicht die Auftritte von Senta Berger, Uli Hoeneß und Joachim Gauck brachten die üppigen Plauderei-Honorare von 20 000 Euro und mehr in die Schlagzeilen; es war der Auftritt des späteren SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der das Geld kassierte und erst spendete, als die Sache publik wurde – und er kurze Zeit später in den Umfragen einbrach. Wilmert hat also durchaus seinen Anteil daran, dass der Start Steinbrücks als Merkel-Herausforderer zum Flop geriet. Reden möchte er darüber nicht. Eine Interviewanfrage lehnte er ab. Auch die Bochumer SPD-Spitze will sich zu dem Thema nicht äußern. So gern die Sozialdemokraten in Bochum gemeinsam bei Feiern singen – gegenüber der Presse halten sich die Genossen zuweilen lieber an das Gesetz des Schweigens.
An der Basis ist man gesprächiger. Der Ortsverein Bochum-Ehrenfeld trifft sich Anfang November in der Melanchthon- Kirche in der Nähe des Schauspielhauses. Steinbrück und dessen kostspieliger Atrium-Talk bei den Stadtwerken sind kein Thema an diesem Abend, zumindest nicht offiziell. Wie so oft in Bochum geht es um Opel, ein Betriebsratsmitglied wird von den Verhandlungen über die Zukunft des Standorts berichten – es sieht nicht gut aus. Später am Abend, in den Kneipen der Stadt, trifft man Genossen, die namentlich lieber nicht zitiert werden wollen. Sie sind verärgert – aber nicht so sehr wegen Steinbrück. Sondern vielmehr wegen der Stadtwerke und wegen ihres Genossen Bernd Wilmert, der das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen hat für all die Prominenten, damit ein wenig von deren Glanz auf ihn abfällt. Berlin, die Bundestagswahl, das ist alles weit weg. „Wir regieren in Bochum und erklären den Bürgern seit Jahren, dass gespart werden muss. Wie sollen wir das machen, wenn für so einen Quatsch wie den Atrium-Talk das Geld verblasen wird?“
Peinlich sei das alles, fürchterlich peinlich.
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